Warum gibt es zwei verschiedene Maße für Lebenserwartung? Die coronabedingt gesunkene Lebenserwartung ist etwa für Rentenversicherungen relevant, die damit die Leistungsdauer abschätzen. Wie der Einfluss der Übersterblichkeit während der Pandemie zeigt, reagiert dieser Wert sehr schnell auf solche Entwicklungen. Für eine individuelle Prognose der verbleibenden Lebensdauer taugt der Wert nicht.
Werden wir denn immer älter? Für die Lebenserwartung bei Geburt liegen seit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 Daten vor. Damals lag sie bei 35,6 Jahren für Männer und 38,5 Jahren für Frauen. Die niedrigen Werte haben mit der hohen Säuglingssterblichkeit zu tun – damals starb ein Viertel der Neugeborenen im ersten Lebensjahr.
Wie alt die Menschen tatsächlich werden, ist dagegen am durchschnittlichen Sterbealter abzulesen. Ohne die im ersten Lebensjahr Verstorbenen war lange Zeit ein Sterbealter von etwa 60 Jahren normal. 1956 betrug es 62 Jahre für Männer und 66 Jahre für Frauen, 2020 waren es schon 76 beziehungsweise 82 Jahre. Menschen in Deutschland werden heute also im Schnitt rund 15 Jahre älter als die Generationen zuvor.
Was beeinflusst die Lebenserwartung? Seit dem 19. Jahrhundert sind die medizinische Versorgung, die Hygiene, Ernährung und Wohnsituation großer Teile der Bevölkerung deutlich besser geworden. „Auch die Arbeitsbedingungen und der gestiegene materielle Wohlstand können als maßgebliche Gründe genannt werden“, schreibt das Statistische Bundesamt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten kriegsbedingte Gesundheitsschäden sowie stark zunehmende Verkehrsunfälle den Trend stark verlangsamt, 1969/70 die Hongkong-Grippe. Seither stieg die Lebenserwartung konstant. Vier Faktoren sind laut Statistischem Bundesamt wichtig, damit sich der Trend fortsetzt: weniger Tabak- und Alkoholkonsum, weniger Suizide sowie weniger übergewichtige Kinder und Jugendliche.
Gibt es regionale Unterschiede? In Deutschland gab es bei der Wiedervereinigung eine deutliche Lücke zwischen der Lebenserwartung in Ost und West. Bei Frauen ist die Lücke mittlerweile geschlossen, ostdeutsche Männer haben dagegen weiterhin eine etwa anderthalb Jahre niedrigere Lebenserwartung. Seit der Pandemie ist der Abstand sogar wieder gestiegen – „weil die ostdeutschen Bundesländer von der Pandemie bislang stärker betroffen waren“, schreibt das Statistische Bundesamt.
In Baden-Württemberg ist die Lebenserwartung bundesweit am höchsten. Männer werden hier mit 79,9 Jahren rechnerisch rund drei Jahre älter als im „Schlusslicht“ Sachsen-Anhalt, Frauen mit 84,2 Jahren zwei Jahre älter als im Saarland, wo Frauen die geringste Lebenserwartung haben.