Legendäres Projekt FC-Bayern-Ikonen in der Berufsfachschule

Die Gestaltungsschüler geben den Fußball-Weltmeistern von 1974 ein Gesicht. Sie wenden sich mit dem Projekt auch an den Rekordmeister.

Die Gestaltungsschüler haben Porträts der FC-Bayern-Ikonen geschaffen. Im Hintergrund Lehrer Wolfgang Stefan (links) und Schulleiter Jürgen Wunderlich. Foto: Matthias Bäumler

Wehe, wenn Schwarzenbeck fällt. Das wäre furchtbar, so kurz vor seinem großen Auftritt. Schwarzenbeck, Müller, Meier, Hoeneß, Breitner und Beckenbauer. Es sind die Ikonen des FC Bayern München aus den glorreichen 70er-Jahren – wie in Stein gemeißelt im Gedächtnis der Fußballfans. Verewigt sind sie auch in der Wunsiedler Steinfachschule. Nicht aus Stein gemeißelt, aber aus Ton und Gips modelliert. Umso mehr müssen die Schüler aufpassen, wenn sie die zerbrechlichen Modelle transportieren.

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Zwei Institutionen feiern Jubiläum

„Die Idee mit dem FC Bayern ist mir vor einiger Zeit gekommen. Der Weltverein feiert dieses Jahr 125. Jubiläum. Unsere Schule auch. Das passt,“, sagt Wolfgang Stefan, Bildhauer, Künstler und Lehrer an der Berufsfachschule für Steintechnik und Gestaltung, als er unserer Redaktion das etwas andere Projekt präsentiert. Das Modellieren von Porträts ist Stefan ein Anliegen und entwickelt sich immer mehr zu einem Markenzeichen seiner Lehre. Seit Jahren zeigen seine Schüler, dass sie außer einem profunden Querschnitt unterschiedlicher Handwerkstechniken auch das künstlerische Arbeiten beherrschen. „Mir ist es wichtig, dass sich die jungen Leute intensiv mit einem Menschen beschäftigen, um im Idealfall seine Aura in das Porträt einfließen zu lassen.“

„Ich habe gewusst, dass er im Gefängnis war.“ Upps. Ella Hilt hat sich Uli Hoeneß ausgewählt und ist gleich mal über dessen Verurteilung wegen eines Steuerdeliktes gestolpert. Der umtriebige, geniale wie umstrittene Ehrenpräsident des FC Bayern hat es der jungen Frau angetan, die ursprünglich den Steinmetzberuf gelernt hat. „Ganz ehrlich? Ich fand Hoeneß am attraktivsten. Er sieht einfach gut aus“, sagt Ella Hilt lachend. Wie die Porträts der übrigen Gestaltungsschüler ist auch ihre Arbeit bestens gelungen – was an ihrem Können ebenso wie an Stefans Unterricht liegt.

Eine kulturelle Wende

Hat die 1954-Weltmeisterschaft nach den Schrecknissen der Nazizeit weit über den sportlichen Erfolg des Titelgewinns dazu beigetragen, den seinerzeitigen Pariastaat Deutschland in der Weltgemeinschaft zu etablieren, läutete das 74er-WM-Team eine Art kulturelle Wende im Bürgertum ein. Nach den eher miefig-piefigen Jahren des Wiederaufbaus, in denen einzig die Studenten rebellierten, stehen auf einmal auch langhaarige Normalbürger auf dem Fußballplatz. Sie verkörpern für viele einen lockeren Lebensstil und Individualität. Vor allem der FC Bayern München sticht neben Borussia Mönchengladbach hervor. Mit Sepp Meier, Franz Beckenbauer, Georg Schwarzenbeck, Paul Breitner, Uli Hoeneß und Gerd Müller stellen die Münchner sechs Spieler, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der traurige Club 27

Wolfgang Stefan liebt in sich geschlossene Porträtserien. Der traurige Club-27 der im Alter von 27 Jahren gestorbenen Rockstars zählt dazu oder die Riege der bayerischen Ministerpräsidenten. Und jetzt die FC-Bayern-Ikonen. Mehrere Monate arbeiten die Gestaltungsschüler neben dem übrigen Unterricht an dem Projekt. Nach intensiven Recherchen, bei denen sie sich die Persönlichkeit des zu Porträtierenden erschließen, folgt das Umsetzen. Zeichnungen, erste Proben. Danach arbeiten sich die jungen Leute Schicht für Schicht vor. Dazu nutzen sie ein Gestell – Galgen genannt –, an dem Holzplatten befestigt sind. Auf diese bringen sie den Ton an. „Sie müssen sensibel und bewusst vorgehen. Wenn sie nur aufbauen und nichts wegnehmen, ist der Idealfall erreicht.“ Bei dieser Technik sei viel handwerkliches Geschick notwendig.

Die Mischung macht’s im Handwerk

Was genau in das Berufsbild des Gestalters passt. Wie Schulleiter Jürgen Wunderlich erläutert, gewinnt der Mix aus Technik und gestalterischem Können im Handwerk immer mehr an Bedeutung. „Auf der einen Seite gibt es sicherlich die günstige Massenware. Heute verlangen die Auftraggeber auf der anderen Seite aber individuelle Lösungen.“ Genau dieses Potenzial, die ausgetretenen Wege zu verlassen und „um die Ecke zu denken“, sollen die Gestalter später im Berufsleben mitbringen.

Einzigartige Ausbildung

Die in Wunsiedel einzigartige Ausbildung dauert zwei Jahre und endet mit einem Techniker-Abschluss. Dieser ist zwar unspezifisch, eröffnet aber – wie die Erfahrung zeigt – vielfältige Wege. Ins mittlere Management, zur Lehrlingsausbildung oder auch in den Öffentlichen Dienst führen die Wege der bisherigen Absolventen. Arbeitslos ist keiner. Andere bauten nebenbei ihr Fachabitur und studieren an einer Hochschule. Voraussetzung für den Schulbesuch ist eine abgeschlossene Lehre in einem handwerklichen Beruf (auch aus dem Bereich der IHK), ein Jahr Berufserfahrung und der Wille, sich auf eine breite Ausbildung einzulassen. Holz, Metall, Glas oder wie bei den Porträts Ton und Gips sind einige der Werkstoffe, mit denen die Schüler umgehen.

FC Bayern hat kein Interesse

Zurück zum FC Bayern München. Die Porträts der sechs Weltmeister von 1974 stehen aufgereiht im Veranstaltungssaal der Schule. Und tatsächlich: Jeder von ihnen ist eindeutig zu erkennen. „Ja, die Arbeiten sind alle sehr gut gelungen“, sagt Wolfgang Stefan. Deshalb habe es nahe gelegen, den großen FC Bayern zu kontaktieren, um die Werke eventuell in der Vereinszentrale an der Säbener Straße oder der Allianz-Arena präsentieren zu dürfen. „Leider hat der Verein kein Interesse daran. Schade, das hätte zum FC-Bayern-Jubiläum bestens gepasst“, sagt Schulleiter Jürgen Wunderlich. Demnächst wolle er den FC-Bayern noch einmal anschreiben. „Vielleicht lässt sich auch über Landtagsabgeordneten Holger Grießhammer etwas erreichen. Immerhin ist er beim FC-Bayern-Fanclub in Röslau Mitglied.“

Tag der offenen Tür

Wenn schon nicht beim FC Bayern in München, so doch am Samstag in der Steinfachschule können sich Interessierte die Porträts der Fußballer ebenso ansehen wie die der Ministerpräsidenten. Am 24. Mai feiert das Steinzentrum Wunsiedel, also die Fachschule und das Europäische Fortbildungszentrum, von 12 bis 17 Uhr Tag der offenen Tür. Um 13 und 15 Uhr können Besucher an Führungen durch das Steinzentrum und das Deutsche Natursteinzentrum teilnehmen. Den gesamten Nachmittag über bieten die Verantwortlichen ein Infoprogramm und eine Verköstigung mit Kaffee und Kuchen sowie Kinderbelustigungen.

Wenn Schwarzenbeck und seine Kollgen bis dahin heil bleiben, was trotz der vielen Umräumaktionen in der Schule wegen der großen Feier der Fall sein wird, geraten die etwas älteren Bayern-Fans mit Sicherheit ins Schwärmen. Das waren noch Zeiten, als eine frühe Lichtgestalt, ein vermeintlicher Mao-Jünger, ein Spaßmacher, eine kleine, dicke Tormaschine, ein Lenker im Hintergrund und ein Abräumer der alten Schule im Nationalteam brillierten.