Leseranwältin Von Leserinnen, Leserbriefen und dem Gendern

Kerstin Dolde Foto:  

Was ist korrekt? Was ist falsch? Eine „richtige“ Art des Genderns gibt es noch gar nicht, schreibt unsere Leseranwältin Kerstin Dolde.

 
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Ein Leser kritisiert, unsere Zeitung würde nicht richtig gendern. Gendern ist ein Thema dieser Zeit. Wie viel Umgestaltung der Sprache muss sein? In den Nachrichten hört man oft das Innehalten der Ablesenden bei Worten wie „Minister-Innen“, wo sie damit auf die männliche und weibliche Form hinweisen.

In der Schriftform gibt es diverse Möglichkeiten. Auch wenn der neue Duden sich nun zum Gendern ausgerichtet hat, nicht alle maßgeblichen Sprachwissenschaftler gehen damit konform. Das Thema ist umstritten.

Bis auf Weiteres gilt für unsere Redaktion: Wir gendern gar nicht, wenn man davon absieht, dass wir oft die weibliche und männliche Form nehmen. Das sehen wir als höflich an, halten das aber nicht im ganzen Text durch – der Lesbarkeit und des Textverständnisses wegen. In der Überschrift ist dies häufig schon aus Platzgründen gar nicht möglich. Eine gute Schlagzeile ist immer verkürzt, sie muss zünden und man muss sie jemandem zurufen können, sagen etwa alte Zeitungshasen.

Eine „richtige“ Art des Genderns gibt es schließlich noch gar nicht. Die Schreib- und Nutzweisen verschiedener Medienhäuser reichen von gar nicht bis Sternchen, Binnen-I, Doppelpunkt oder Unterstrich. Wir versuchen – und das hat eine Befragung unserer Leserschaft ergeben –, uns weitgehend an deren Sprachempfinden und Sprachgebrauch zu orientieren. Sie, unsere Leserinnen und Leser, sind schließlich unsere Kunden.

Zur Wahrheit gehört, dass urbane Räume mit hohem Akademikeranteil das Thema Gendern anders betrachten und empfinden, als dies bei uns im „flachen Land“ üblich ist. Aber immerhin ergeben Umfragen, dass weit über zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger das Gendern eher als Eingriff in ihr Sprachgefühl als eine Bereicherung empfinden. Wir orientieren uns weiter an dem mehrheitlichen Wunsch unserer Leserschaft. Dazu kommt, dass wir seit Jahren ein immer schlechter werdendes Textverständnis bemerken; nicht allein nur Menschen mit Migrationshintergrund haben Schwierigkeiten mit der nicht unkomplizierten deutschen Sprache – selbst wenn sie schon lange Jahre hier leben. Der Spracherwerb in solchen Familien und bei Deutsch als Fremdsprache wird durch Gendern nicht erleichtert. „Gendern grenzt aus“, kritisiert gar Frankreichs Schulminister.

Wie gesagt: Was die Zukunft bringt, wissen wir alle noch nicht. Bis dahin halten wir daran fest, dass auch Leserbriefe von Leserinnen stammen können. Kerstin Dolde

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