Lesung mit Marktredwitzer Der Horst im fremden Auto

„Die Zeit verrinnt – Momente­ bleiben“ heißt ein Lesebuch über die  Nachkriegszeit. 17 Fran­­ken erzählen Geschichten aus ihrer Kindheit – auch Horst Geißel, zweiter Bürger­meister in Marktredwitz.

Lokalgeschichte aus Kinderaugen: Autor Horst Geißel, Herausgeber Ulrich Rach und Veranstaltungsmanagerin Susanne Menzel (von links) laden am Freitag, 19. November, zu einer Lesung in die Mak-Kultur ein. Thematisiert werden Jugenderinnerungen an die Nachkriegszeit in Franken. Foto: /Brigitte Gschwendtner

Marktredwitz - Einmal in einem Auto um den Block fahren: Das war in den 50er-Jahren der größte Wunsch eines viereinhalb Jahre alten Marktredwitzers. Wie er sich diesen Wunsch erfüllt hat und welche Konsequenzen das hatte, beschreibt zweiter Bürgermeister Horst Geißel in dem zeitgeschichtlichen Lesebuch „Die Zeit verrinnt – Momente bleiben“ von Ulrich Rach.

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Viel aus Hochfranken

Insgesamt erinnern sich in dem neuen Werk 17 in Franken lebende Autorinnen und Autoren in 30 Beiträgen an ihre Kindheit und Jugend in der Nachkriegszeit. Etwa die Hälfte der Erzählungen sind in Hochfranken angesiedelt – vor allem in Hof und Umgebung. Im Nachwort erläutert der aus Hof stammende Historiker Professor Konrad Bedal Geschichtliches zur Nachkriegszeit.

Geißel aus de Goethestraße

Ab Seite 78 ist die autobiografische Geschichte „Freiheit, die ich meinte“ des ehemaligen Schulamtsdirektors Horst Geißel zu finden, der in der Marktredwitzer Goethestraße aufgewachsen ist. Der zweite Bürgermeister berichtet von seiner Kinder-Sehnsucht, Auto zu fahren. Leser erfahren, wie schwierig dieser Wunsch in der Nachkriegszeit zu erfüllen war, weil die meisten Marktredwitzer ebenso wie Geißels Eltern noch kein eigenes Fahrzeug besaßen.

Die schlimme Nachkriegszeit mit Hunger und Kälte war vorbei und die meisten Leute lebten nicht im Überfluss wie heute, dafür waren sie aber zufrieden und dankbar für das, was sie hatten: ein Dach über dem Kopf, wenn es auch oft sehr beengt zuging, genügend zum Essen und Arbeit. Mein Vater arbeitete hart bei den Didier-Werken in Marktredwitz, die feuerfeste, keramische Erzeugnisse für die Porzellan-, Glas-, Eisen- und Stahlindustrie herstellten. Für die damalige Zeit verdiente er recht gut, sodass sicherlich auch ein bisschen Wohlstand bei uns einkehrte. Ein Auto oder einen Fernseher hatten wir in den 50er-Jahren allerdings noch nicht.

Trotzdem erreichte der kleine Horst sein großes Ziel und war begeistert:

Eine herrliche Fahrt! Die Häuser und Bäume rauschten an mir vorbei. Ich erkannte alle Geschäfte, in denen wir einkauften.

Allerdings blieb diese erste Spritztour des vierjährigen Marktredwitzers kein Geheimnis:

„Mutti, Mutti“, rief mein Bruder Hans-Joachim meiner Mutter zu, die aus dem Küchenfenster schaute und nach uns sehen wollte. „Horst ist in ein fremdes Auto gestiegen und dann mitgefahren!“

Wer wissen will, wie die Mutter auf diesen Ausflug ihres Vierjährigen reagierte und wie der Junge weitere Spritztouren organisierte, kann am Freitag, 19. November , um 19 Uhr in die MAK-Kultur im Markt 58 kommen. Denn da präsentiert Horst Geißel selbst seine Geschichte „Freiheit, die ich meinte“ und gestaltet gemeinsam mit dem Herausgeber einen vergnüglichen Lese-Abend im Leopoldhaus.

Früherer Frankenpost-Redaktionsleiter

Ulrich Rach, der die Erzählungen der 17 Autoren unter dem Motto „Die Zeit verrinnt – Momente bleiben“ auf 212 Seiten zusammengetragen hat, wird in Marktredwitz ebenfalls aus eigenen Beiträgen lesen. Der Hofer arbeitete nach dem Abitur am Jean-Paul-Gymnasium sechs Jahre bei der Frankenpost, ein Jahr davon als Redaktionsleiter in Marktredwitz. Seitdem kennt er als Mitglied des Stammtisches Brillaria III Horst Geißel. Nun bat er ihn, etwas zu dem Nachkriegs-Lesebuch beizusteuern.

1976 zog Rach von Marktredwitz nach Ansbach, wo er bei der ,,Fränkischen Landeszeitung“ tätig war, bevor er als Ressortleiter zu den Nürnberger Nachrichten wechselte, denen er 33 Jahre treu blieb.

25 Bücher mit regionalem Charakter

Seit vielen Jahren betätigt sich der Journalist auch schriftstellerisch. Er hat schon 25 Erzählungen, Satiren, Glossen, Kinder-, Jugend- und Sachbücher verfasst – überwiegend mit regionalem Charakter. Besonders interessiert sich Ulrich Rach für fränkische „G’schichtla“. Sein Ziel: Die Leser sollten seine Bücher von vorne bis hinten verschlingen und dabei ebenso lachen wie weinen müssen. Der 74-Jährige ist Träger des Publizistikpreises der Bayerischen Bezirke, des ,,Frankenwürfels“ und des ,,Ehrenpreises fränkische Mundartmeisterschaft“. Inzwischen gibt Rach seine Werke selbst heraus und spendet den Erlös für wohltätige Zwecke.

Lesung am 19. November
Ulrich Rach und Horst Geißel lesen am Freitag, 19. November, um 19 Uhr in der Mak-Kultur. Da die Teilnehmerzahl auf 55 Personen begrenzt ist, wird um Anmeldung unter der Telefonnummer 09231/9737039 oder E-Mail: susanne.menzel@marktredwitz.de gebeten. Der Abend ist kostenfrei, Spenden werden erbeten. Sie kommen der Frankenpost-Aktion „Hilfe für Nachbarn“ sowie weiteren Zeitungs-Hilfsfonds zugute, ebenso wie der Verkaufserlös des Buches, das es in den Marktredwitzer Buchhandlungen Rupprecht und Budow gibt.