LuisenburgXtra Eine Verbrecher-Fabel – 220 Jahre alt und erschreckend zeitlos

Matthias Grundig führte dem Publikum im Hof des Fichtelgebirgsmuseums vor Augen, wie zeitlos Goethes Fabel „Reineke Fuchs“ ist. Foto: Kerstin Starke

LuisenburgXtra, die Zweite: Matthias Grundig vom Metropoltheater München stellt in Wunsiedel Goethes Dichtung „Reineke Fuchs“ vor.

 
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Er erscheint wie die Blaupause des Verbrechers: Reineke, der Fuchs, von seiner Frau liebevoll Reinhart genannt. Listig, voller Heimtücke begeht er Diebstähle, Körperverletzung, Morde. Und vor die oberste Instanz gestellt, ist ihm keine Lüge zu schade, um buchstäblich seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Selbst ein sogenanntes Gottesurteil übersteht er – mit unlauteren Mitteln. Natürlich. Schlüpfrig entgeht er den Strafen, die seine zahlreichen Ankläger fordern, und versteht es dabei, gleichzeitig sie – seine Opfer – als Täter zu verunglimpfen. Ein Teflon-Sünder. Ein Schelm, wer da Parallelen zu so manchem heutigen Politiker oder Wirtschaftsboss erkennt.

Atemberaubendes Tempo

Matthias Grundig, Schauspieler am Metropoltheater München, ist in der Reihe LuisenburgXtra im Hof des Fichtelgebirgsmuseums zu Gast mit diesem Monolog nach Johann Wolfgang von Goethes Verbrecher-Fabel. 1794 hatte dieser den Text bearbeitet, die Johann Christoph Gottsched zwei Jahre zuvor aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt hatte. Durch deutliche Striche haben Grundig und sein Regisseur Jochen Schölch die ursprünglichen „Zwölf Gesänge“ des Dichterfürsten auf 55 Minuten gekürzt. Um unter einer Stunde zu bleiben, bedient sich der Schauspieler, der bis auf einen Tisch und einen Stuhl ohne Requisiten auskommt, außerdem eines teilweise atemberaubenden Sprechtempos. Wohl dem, der den Text kennt!

Darstellerisch ausgefeilt und mit verstellter Stimme gibt Matthias Grundig den verschiedenen Figuren Person und Charakter. Dabei machen vor allem die Verschlagenheit Reinekes, aber auch der Wankelmut seines Richters, des Königs, am meisten Eindruck. Letzteren entlarvt Goethe als Machtmenschen, der sich die Gerechtigkeit gerne so hinbiegt, wie sie ihm am meisten Gewinn verspricht.

Zwei Seiten

Wie im richtigen Leben – zu Goethes Zeiten wie heute – hat aber alles seine zwei Seiten. Denn die, die anklagen, haben, obwohl sie den Fuchs durchaus zu Recht aufs Schafott wünschen, auch keine weißen Westen; oder vielmehr: genügend Dreck am Stecken. Sprechende Namen, die Goethe – neben den bekannten Fabelnamen Isegrim, Grimbart und Lampe – seinem Personal genüsslich verliehen hat, sagen alles: Rüsteviel, der Bauer, der sich gegen Diebe gut bewaffnet zu wehren weiß, etwa oder Frau Willigetrud, die ledige Mutter.

Und diesen Dreck weiß der listige Verbrecher für sich zu nutzen. Geschickt führt er Bär, Kater, Wölfin oder auch Widder in die Falle, indem er ihre Schwächen kennt und weidlich ausnutzt. Er weiß, dass sie den Lockungen nicht widerstehen können, und schon müssen sie, die ihn festnehmen wollen, büßen; mit Blut, Schande und Wunden. Er demütigt und verletzt andere aber auch nur so, zu seinem Vergnügen. Ein Narziss, dem keiner etwas kann.

„Kanzler des Reiches“

Glaubt man Goethe, so ist auch der Appetit der Wölfe auf Lämmer und Schafe auf die Listen Reinekes zurückzuführen, denn: „Sie glauben, das Recht auf ihrer Seite zu haben.“ Er dagegen ist „sich keines Übels bewusst“ und so von sich überzeugt, dass er sich – buchstäblich – in die Höhle des Löwen wagt. Und tatsächlich: Erneut wird er dank seiner geschmeidigen Lügen, die er so erzählt, dass sie wie Wahrheiten klingen, und trotz aller Untaten begnadigt. Ja, der König ernennt ihn schließlich sogar zum „Kanzler des Reiches“. Doch Reineke wäre nicht Reineke, wenn er seinen üblen Gewohnheiten abschwören würde. Zumindest in der Fassung von Grundig und Schölch .

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