"Erst war es die Angst, wieder auf mein altes Gewicht zurückzufallen, später die Angst vor jedem Lebensmittel." Die Angst vor Kalorien, die Angst vor der Waage, vor dem kleinen roten Zeiger, der wieder 100 Gramm mehr anrechnen könnte. Marie merkte selbst, wie sie von Tag zu Tag schwächer wurde. "Meine Beine wurden dünner, jede Treppenstufe war eine Folter." Ihr Körper brauchte alle Energie, um das Herz auf Trab zu halten: Die Regelblutung blieb weg, ihre Haare fielen aus. "Irgendwann musste ich meine Kalorienzufuhr auf 800 erhöhen, weil ich sonst nicht durch den Tag gekommen wäre", erzählt Marie. Ihr Freundeskreis wandte sich ab, statt sie zu unterstützen. "Sie sahen in mir nicht mehr die Party-Löwin, die ich mal war." Auch Maries Mutter verstand ihre Tochter nicht mehr. "Ich weine, wenn ich Essen sehe. Meine Mutter weint, wenn sie mich sieht", sagt Marie. Natürlich interessiere sie sich für die Gefühle ihrer Mutter, natürlich tue es ihr weh, dass sie ihretwegen weine, beteuert die 18-Jährige: "Doch die Stimme, die mir sagt, ich soll nicht essen, ist zu tief in meinem Kopf verankert, als dass ich sie ignorieren könnte." Es ist die Stimme namens Perfektion. Marie hasst die Scham vor sich selbst, sobald sie etwas zu sich nimmt und liebt das Gefühl der Stärke, das in ihr aufkommt, sobald sie andere essen sieht. "Es ist eine Genugtuung", sagt das Mädchen. Sie braucht keine Lebensmittel, keine Kalorien, Sport jedoch umso mehr. Jeder Tag ohne Sport ist ein verlorener Tag. Selbst wenn sie sich schwach fühlt, ihr Körper schmerzt und nach Hilfe schreit: "Irgendwie quäle ich mich immer wieder dazu - Sit-up für Sit-up", erzählt Marie.