Massig Projekte Wunsiedel – eine Stadt im Aufbruch

Wärmenetz, Wirtshäuser, Wasserversorgung. Bei der Bürgerversammlung erläutert Bürgermeister Nicolas Lahovnik in einer Art Parforceritt Entwicklungen und Projekte.

 
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Die Häuser in den Zonen der Stufe 1 werden teils schon 2027 an die Wärmeversorgung angeschlossen. Foto: Endura Kommunal

Seien wir ehrlich: Das verschlafene Beamtenstädtchen, als das Wunsiedel früher galt, war es nie. Die Wunsiedler sind seit Alters her stolze Bürger, die ihre Heimat voranbringen wollen. Wie sonst auch hätte ein so kleiner Ort derart mächtige Festspiele hervorbringen können? Bürgermeister Nicolas Lahovnik, ein gebürtiger Unterfranke, scheint diese in Wunsiedel vorhandene Lust am Gestalten gut kanalisieren zu können. Dies jedenfalls ist bei der Bürgerversammlung zu spüren. Er erläutert die langfristigen Entwicklungen und die kurzfristigen Projekte. Dabei zeigt sich, dass Wunsiedel immer eine Stadt im Aufbruch ist, wenn auch die Umstände häufig nicht einfach sind.

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Da ist der verheerende Großbrand in den Fabriken der Isolatorenhersteller Lapp und Pfisterer in Holenbrunn. Die schlimmste Brandkatastrophe im Landkreis seit Jahrzehnten ist nicht nur für die betroffenen Arbeitnehmer und Unternehmer ein Unglück. „Die beiden Betriebe verbrauchen alleine etwa zehn Prozent des Wassers in Wunsiedel“, so Lahovnik. Wenn dieser Anteil wegfalle, blieben die Fixkosten der Wasserversorgung dennoch in gleicher Höhe bestehen. „Das hätte zur Folge, dass dieser auf die übrigen Abnehmer verteilt werden müsste, sodass die Preise steigen würden. Umso erfreulicher, dass sich Lapp zum Standort Wunsiedel bekennt.“

Megaprojekt Wärmenetz

Das Beispiel zeigt, wie in einer Kommune in vielen Bereichen alles mit allem zusammenhängt. So auch im Megaprojekt Wärmenetz. Dass dieses kommt, ist nicht selbstverständlich gewesen, wie der Bürgermeister zugab. „Ja, Stadtwerkechef Marco Krasser und ich haben hoch gepokert mit unserem Optimismus. Aber wir waren überzeugt davon, dass die Wunsiedler das Projekt annehmen.“ Wer wann und wo beim Wärmenetz zum Zug kommt, steht mittlerweile fest. Laura Fritsche vom für die Wärmenetz-Planung zuständigen Ingenieurbüro Endura Kommunal zeigt an dem Abend anhand einer Karte die Ausbaustufen. Demnach kommen die Kernstadt samt Landratsamt, Schulen und weiterer Verwaltungsgebäude als erste bis 2029 an die Reihe. Die Bewohner in den übrigen Stadtgebieten müssen entweder bis spätestens 2035 (vor allem die Wohngebiete im Norden und Südwesten) oder noch einige Jahre länger warten.

Für 506 von 2300 Gebäuden liegen Vorverträge für einen Anschluss an das Wärmenetz vor. „Es ist nach wie vor möglich, eine Interessensbekundung abzugeben, ein Vorvertrag kann aber erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden“, so Laura Fritsche. Dies sei abhängig von der Förderung.“ Ein Zuckerl gibt es für alle, die sich ans Netz anschließen lassen: Die Haushalte erhalten zugleich mit der Wärme einen kostenlosen Glasfaseranschluss, so sie noch keinen haben.

Haushalt ist Dauerthema

Welche Dimensionen das Wärmenetz hat, verdeutlicht Bürgermeister Lahovnik: „In den kommenden Jahren graben wir fast alle Straßen im Stadtgebiet auf. Auch deswegen erstreckt sich das Projekt über einen so langen Zeitraum.“

Ein Dauerthema in Wunsiedel ist der Haushalt, wenn sich auch an ihm längst nicht mehr die Wogen des Zorns brechen, wie in früheren Stadtratsdiskussionen, die regelmäßig in Streit und Zynismus mündeten. Lahovnik geht völlig nüchtern mit der Materie um: 33 Millionen Euro Schulden im Kernhaushalt, sparsames Wirtschaften bis zur Schmerzgrenze und erfreulich hohe Stabilisierungshilfen vom Freistaat. Dies ist die Finanzlage in Kurzfassung. Und dennoch verdeutlicht ein Nebensatz im Referat des Bürgermeisters die Lage: Er gehe angesichts der guten Gewinne der stadteigenen Unternehmen davon aus, in vielleicht zehn Jahren wieder einen Haushalt genehmigt zu bekommen.

Da Wunsiedels Kernproblem die Einnahmeseite der Bilanz ist, müssen weitere Gewerbesteuerzahler in die Stadt – sprich neue Unternehmen. „Im Kleinen sind wir für Ansiedlungen bereits sehr attraktiv. Mehrere Ingenieurbüros ziehen zum Beispiel in den Wun-Campus auf dem Dronco-Gelände.“

Eigene Vorzüge präsentieren

Ein großes Unternehmen hat laut dem Bürgermeister ebenfalls ein Auge auf Wunsiedel geworfen und könnte sich das interkommunale Gewerbegebiet Plärrer gut als neue Heimat vorstellen. Klingt zunächst gut. Allerdings befindet sich der Standort Wunsiedel im internationalen Rennen mit zum Beispiel den USA. „Wir sind mit dem Unternehmen seit einem halben Jahr in guten Gesprächen. Aber Deutschland ist leider für internationale Unternehmen derzeit nicht sehr attraktiv.“

Zumindest die Verantwortlichen der Stadt sind aber darauf bedacht, Wunsiedel immer attraktiver zu gestalten – auch, um die eigenen Vorzüge noch besser zu präsentieren.

Das Luisenburg-Labyrinth: Dieses wird im kommenden Jahr zum Nationalen Naturmonument erhoben. Damit ist es nach dem Donaudurchbruch bei Weltenburg das zweite im Freistaat. „Wir versprechen uns davon stark steigende Besucherzahlen. Das Umweltministerium wird uns helfen, die Touristen zu kanalisieren, damit die wertvolle Natur im Labyrinth mit all den seltenen Pflanzen nicht geschädigt wird“, so Lahovnik. Ein „weiterer riesiger Schritt“ wäre ein Naturpark- oder Besucherzentrum auf der Luisenburg, das unter anderem über die Geologie informiere. Alle Beteiligten gehen davon aus, dass mit dem Nationalen Naturmonument auch die Übernachtungszahlen in der Stadt steigen.

Hotels und Pensionen: Bis vor einiger Zeit sind die mangelnden Übernachtungsmöglichkeiten der große Schwachpunkt Wunsiedels gewesen. Dies ist heute nicht mehr so. Erst vor wenigen Tagen eröffnete die Edelpension „Villa Wun“ in der Sonnenstraße. „Auch das ,Bräustüberl’ hat seine Übernachtungskapazitäten stark erhöht.“ Der neue Betreiber des „Goldenen Löwen“ will den Gasthof sanieren und auch oberhalb der Losburg werden einige Übernachtungszimmer entstehen. Ganz neu: Dem Bauausschuss liegt ein Antrag für die leer stehenden „Ratsstuben“ vor. „Hier sind 16-Doppelzimmer-Apartments und eine Gastronomie mit gutbürgerlicher Küche vorgesehen.“ Damit nicht genug: Ein weiterer Investor plant einen Betrieb mit 25 Doppelzimmern. Genaueres könne er dazu noch nicht sagen, so der Bürgermeister. „Aber das Projekt ist weit gediehen.“ Damit seien schon bald mehr Übernachtungsmöglichkeiten in der Stadt vorhanden als in Zeiten der Hotels „Kronprinz“ und „Wunsiedler Hof“.

Alter Bahnhof: „Ein Herzensobjekt“, wie Bürgermeister Lahovnik sagt. Ein Unternehmer habe Pläne vorgelegt, wie das altehrwürdige Gebäude an markanter Stelle am Bahnhofspark wieder mit Leben erfüllt werden könne. „Wir sind mit einem potenziellen Geldgeber im Gespräch. Allerdings ist sowohl das Gebäude als auch die Finanzierung des Umbaus eine enorme Herausforderung.“

Das Future-Energy-Lab: Zug um Zug füllt sich die frühere Dronco-Fabrik mit neuen Arbeitsplätzen. „Und das nicht nur als Ausweichquartier für die Verwaltungen der Unternehmen Lapp und Pfisterer.“ Der frühere Verwaltungsbau sei im Inneren top-modern ausgestattet und biete beste Arbeitsbedingungen. Auch das Future-Energy-Lab sei bereits eingezogen. In Zukunft wollen Stadt und Universität Bayreuth hier das Future-Energy-Lab mit all seinen Wissenschaftlern, Lehrenden und Lernenden zu voller Größe entwickeln. Der Freistaat habe dafür 15 Millionen Euro Förderung bewilligt. Zudem würden weitere Einrichtungen und Unternehmen mit einem Energie- oder Infrastruktur-Hintergrund auf dem Areal etabliert.

Die Energiestadt: Im kommenden Jahr steigt Wunsiedel aus – und zwar aus dem spekulationsgetriebenen Energiemarkt. Die Stadt erwirbt ab diesem Zeitpunkt keinen Strom von der Strombörse mehr, sondern gründet eine lokale Energiehandelsplattform. „Auch dadurch können wir den Strompreis kommendes und noch einmal das Jahr darauf auf ein Niveau vor den Krisenjahren ab 2020 senken. Wir versprechen unseren Kunden einen dauerhaft günstigen und stabilen Preis“, sagt Lahovnik. Damit dies möglich ist, müssten die Stadtwerke weitere regenerative Energie erzeugen. „Der Preis dafür ist eine zweite Freiflächen-PV-Anlage nach Holenbrunn bei Schönbrunn.“

Schon jetzt laufe die Wasserstoffproduktion ohne Einschränkung und der Absatz der produzierten Pellets sei dank des vor Kurzem abgeschlossenen Zehnjahresvertrags mit einem Großkunden gesichert.

Der Straßenbau: Auf die Autofahrer in Wunsiedel kommt in den nächsten Jahren einiges zu. So baut das Staatliche Bauamt ab kommendem Jahr die Hornschuchstraße komplett neu. 2025 ist der Abschnitt von der Kläranlage bis zum Ratskalkofen an der Reihe, das Jahr darauf vom Ratskalkofen bis zum Hackerplatz. Auch die Marktredwitzer Straße will die Behörde in den Jahren 2025/26 sanieren. Die Stadt Wunsiedel nimmt sich ab 2026 die Sigmund-Wann-Straße vor.

Weihnachtsmarkt: Wunsiedel ohne Weihnachtsmarkt, das ist undenkbar. Laut Bürgermeister Nicolas Lahovnik wird der Markt diesmal besonders attraktiv. „Wir haben die Zusage von einigen neuen und weiteren Anbietern. Auch wollen wir auf dem Marktplatz eine Bühne aufbauen, damit wir Musik bieten können.“ Der Glühweinbrunnen lebe erneut auf und die Stadträte würden sich um Auf- und Abbau kümmern, damit dem städtischen Haushalt keine Kosten entstehen.

Die Kritik I: Außer den Stücken bewegte die Besucher der Luisenburg-Festspiele ein Thema besonders: Das Chaos an den Parkplätzen. Er sei über die Parkplätze an der Luisenburg glücklich, so der Bürgermeister, der mit dieser Aussage viele Bürger überraschte. „Ich meine die neuen Photovoltaikanlagen, die den Parkplatz überdachen.“ Zum Parksystem habe es berechtigte Kritik gegeben, die auch in der „Frankenpost“ veröffentlicht worden sei. „Wir haben jetzt alle Automaten auf Bargeld umgestellt, und letztlich funktionieren 96 Prozent aller Parkvorgänge reibungslos.“

Die Kritik II: Altlandrat und Wunsiedler Ehrenbürger Dr. Peter Seißer kritisiert, dass das Luisenburgstück „Hoppelpoppel oder Jeans Pauls Zauberland“ erst spät in der kommenden Saison aufgeführt werden soll. „Davon haben Schulklassen natürlich nichts, sollten doch gerade Schüler Zugang zu dem in Wunsiedel geborenen Schriftsteller erhalten.“ Genauso sieht es übrigens Bürgermeister Nicolas Lahovnik. „Es ist völlig klar, dass die Schüler in der Region das Jean-Paul-Stück erleben sollen. Wir haben die Festspielleitung beauftragt, dies zu ermöglichen. Uns ist gesagt worden, dass die Disposition der Termine nicht anders möglich gewesen sei. Es wird aber eine Lösung für Ende Juli geben.“

Mehr Licht: „Mehr Licht“, das waren nicht nur angeblich Goethes letzte Worte. Mehr Licht ist auch ein Bedürfnis vieler Wunsiedler, denen die Bäume in Nachbars Garten die Sonne nehmen. Gleich mehrere Bürger monierten den üppigen Wuchs der Bäume, der auch die Produktion der eigenen PV-Anlage auf dem Dach hemme. Bürgermeister Nicolas Lahovnik wollte sich in der öffentlichen Bürgerversammlung nicht auf Eigentumsfragen oder Nachbarschaftsthemen einlassen, sondern bat die Bürger, sich direkt an ihn oder die Sachbearbeiter in der Verwaltung zu wenden.