Mehr Leistungen von Juni an Kulmbach lässt Geflüchtete nicht warten

Es sei ein Kraftakt gewesen, erklären Vertreter des Landratsamtes und des Jobcenters. Aber es habe sich gelohnt. Die knapp 700 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden zum 1. Juni ihre neuen Leistungen bekommen können.

 
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Dass Mitarbeiter vom Landratsamt sofort nach der Ankunft mit einer ausführlichen Registrierung der geflüchteten Menschen aus der Ukraine begonnen haben, zahlt sich jetzt aus. Für die allermeisten der Geflüchteten wird daher der Übergang von Asylbewerberleistungen zum Jobcenter reibungslos verlaufen. Foto: /Melitta Burger

Während in anderen Regionen, vor allem in den Großstädten mit Chaos und langen Bearbeitungszeiten gerechnet wird, hat Kulmbach in Zusammenarbeit zwischen dem Landratsamt und dem Jobcenter vorgebaut. Nahezu alle der bislang 698 im Kulmbacher Land registrierten Flüchtlinge aus der Ukraine werden vom 1. Juni an nahtlos ihre Leistungen über das Jobcenter statt für die Versorgung für Asylbewerber erhalten und damit deutlich mehr Geld bekommen.

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„Bei uns laufen die Akten, nicht die Menschen“, betonte Jobcenter-Leiter Norbert Halbhuber bei einer Pressekonferenz im Landratsamt. In Erwartung der Umstellung habe man frühzeitig auf die ausführliche Registrierung der Menschen geachtet, die jetzt der Schlüssel zu der neuen Form der Unterstützung ist, die vom 1. Juni an die bisherige Versorgung ersetzen wird. Die Akten seien bereits ausgetauscht zwischen den beiden Behörden. Es werden auch keine neuen Anträge mehr nötig sein. Die Bescheide, kündigten Halbhuber und Landrat Klaus Peter Söllner an, werden in den kommenden Tagen schon verschickt.

Gute Nachrichten hatte auch Bernhard Rief vom Sozialamt des Landkreises: Auch die 32 ukrainischen Senioren, die wegen des Kriegs flüchten mussten und in Kulmbach eine Bleibe fanden, werden umgehend ihre Bescheide über die Leistungen der Grundsicherung im Alter von den Sozialbehörden bekommen.

Bislang, erläuterte Landrat Klaus Peter Söllner, haben die Geflüchteten Mittel nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. 330 Euro beträgt dieser Satz für einen alleinstehenden Erwachsenen, Paare erhalten je 90 Prozent dieses Betrags. Jetzt gibt es Arbeitslosengeld II für die Betroffenen und damit 36 Prozent mehr: 449 Euro beträgt die monatliche Unterstützung für Alleinstehende, 404 für Ehepaare, Kinder erhalten je nach Alter zwischen 285 und 360 Euro. Die Miete einschließlich der Heiz- und Nebenkosten wird zusätzlich vom Jobcenter übernommen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil: Die Geflüchteten werden damit auch krankenversichert sein.

Das erleichtere den Geflüchteten aber nicht nur finanziell, sondern auch in anderen wichtigen Bereichen das Leben im Kulmbacher Landkreis, betonte Norbert Halbhuber. Die Menschen aus der Ukraine können so wesentlich leichter in den Arbeitsmarkt integriert oder qualifiziert werden. Es gibt Unterstützung im Fall einer Ausbildung, Sprachkurse werden angeboten und Beratungsleistungen. Das Jobcenter habe deshalb ein „Fluchtteam“ gebildet, dem Integrationsfachkräfte und Dolmetscher angehören. Sukzessive sollen schon bald alle Geflüchteten Einladungen zu Beratungsgesprächen erhalten. Halbhubers Kommentar: „Zum Glück haben wir nicht gewartet, das wäre fatal gewesen.“

Gewartet haben viele andere. Das liegt daran, dass das neue Gesetz zwar schon am 7. April auf den Weg gebracht, aber erst am vergangenen Freitag im Bundesrat verabschiedet worden ist. Verkündet wird es, obwohl die Regelung schon in wenigen tagen greifen soll, vermutlich erst am heutigen Freitag.

In Kulmbach habe man in Erwartung, dass die Regelung kommen wird, schon frühzeitig auf eine umfassende Registrierung gesetzt, die für den Übergang zu Arbeitslosengeld II nötig ist. Ebenfalls frühzeitig habe man sich mit dem Jobcenter in Verbindung gesetzt, erläuterte Landrat Klaus Peter Söllner. „Wir wollten den Betroffenen die hohe Belastung ersparen, nochmals ein komplettes Verfahren durchlaufen zu müssen.“

Der Plan ist aufgegangen. Alle nötigen Daten seien vorhanden. „Was wir brauchten, haben wir nebenher schon reingeklopft. Jetzt brauchen wir nur noch auf den Knopf drücken, und die Bescheide gehen raus“, erläutert Norbert Halbhuber. Er ist sich sicher: Zum 1. Juni werden die allermeisten Geflüchteten aus der Ukraine ihre neuen Bescheide in Händen halten und damit auch ihre deutlich verbesserte Versorgung bekommen. Lange Wartezeiten auf eine Nachvergütung bleiben den Ukrainern, die in Kulmbach untergekommen sind, damit erspart. Das, sagt Halbhuber, sei keineswegs überall so. Es werde wohl etliche Regionen geben, in denen die Menschen bis mindestens zum September auf die ihnen zustehende Unterstützung warten müssen. Einige Wochen habe die Vorbereitung in Kulmbach in Anspruch genommen. „Das war ein enormer Kraftakt, aber es ist geschafft.“

In der Statistik werde sich die Umstellung in der Arbeitslosenquote bemerkbar machen, kündigte der Chef des Jobcenters an. Weil die Ukrainer jetzt als arbeitslos gelten, werde die Quote steigen. Und auch die Zahl der Kunden des Jobcenters werde um etwa 25 Prozent wachsen. 270 Bedarfsgemeinschaften mit mehr als 550 Personen seien bereits berechnet worden.

Für den Landkreis Kulmbach bedeute die neue Regelung mehr Ausgaben, informierte der Landrat. In Bayern habe bisher allein der Freistaat die Finanzierung der Geflüchteten getragen. Nun müssen auch die Kommunen ihren Anteil übernehmen, der vermutlich zwischen 20 und 25 Prozent der Leistung betragen werde. Vor allem wegen des großen Aufwands der Umstellung sei der Freistaat, aber auch der Landkreistag von der in Berlin getroffenen Neuregelung wenig begeistert gewesen.