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Musikgeschichte aus dem Fichtelgebirge Ein Waschkorb voller Musik

Hannes Bessermann
Tragen den Waschkorb mit Freude (von links): Heinz Späthling Verleger und Initiator, Autor Günther Seidel, die Lektoren Karl-Heinz Düvel und Birgit Freudemann und Autor Klaus Dietz. Foto: Hannes Bessermann

Ein Buch beleuchtet die regionale Musikgeschichte seit 1894. Nicht weniger interessant als das Buch selbst ist dessen Werden. Die beginnt mit losen Blättern in einem Korb.

 
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Weißenstadt - Manchmal braucht es einfach ein bisschen Zeit, bis aus einer Idee etwas Konkretes entstehen kann. Zehn Jahre waren es im Falle eines Buches, das die Druckkultur Späthling jetzt kurz vor Weihnachten auf den Markt gebracht hat. In „Ein Waschkorb voller Musik“ haben die Autoren Günther Seidel und Klaus Dietz Fakten, Porträts und Anekdoten über mehr als ein Jahrhundert Musikkultur in der Fichtelgebirgsregion Weißenstadt und Röslau zusammengetragen.

Zwischen Tanztee und Bugatti

Dass das mehr als 400-seitige Werk endlich fertiggestellt werden konnte, freut sicher niemanden mehr als Verleger Heinz Späthling. Der nämlich hatte vor zehn Jahren von Günther Seidel sechs prall gefüllte Aktenordner, eine unsortierte Loseblattsammlung, nicht eindeutig zuordenbare Fotos und Zeitungsausschnitte ins Büro gestellt bekommen – in einem Waschkorb. Seidel, der in mehreren Volksmusik-, Beat- und Jazzgruppen aktiv war, hatte das Material Anfang der 2000er zusammengetragen, um es in den heimatkundlichen Weißenstädter Heften zu veröffentlichen. Doch schnell merkte er: Der Inhalt erfordert ein anderes Format.

Zurück in Späthlings Büro: Nach einer Sichtung des Materials entschied der für sich, es sei ein Ding der Unmöglichkeit, das alles in eine lesbare Form zu bringen. „Also ließ ich Günther Seidel den Waschkorb mit der Bitte um überarbeitete und strukturierte Rückgabe des Materials in digitalisierter Form wieder abholen“, sagt Späthling. Doch Fehlanzeige. Bewegung in die Sache kam erst 2017 im Zuge der ersten Wunsiedler Buchmesse. Erneut bat er – stoisch die Umsetzung verfolgend – Seidel um den inhaltsschweren Papierhaufen. „Ich glaubte immer noch an die Musikgeschichte aus den 1970er- und 1980er-Jahren, angesiedelt zwischen der Höchstädter Bugatti-Bar, dem Kirchenlamitzer Tanztee und diversen Diskotheken im Sechsämterland“, sagt Späthling. Glücklicherweise fand der Verleger in Birgit Freudemann und Karl-Heinz Düvel, den Lektoren der Vordorfer Schreibwerkstatt, so konstruktive wie kritische Helfer. Die steckten in das Buchprojekt mehr als drei Jahre mühevoller Arbeit.

Kompendium der Musikkultur

Gerade als das Redaktionsteam meinte, die Arbeit erledigt zu haben, tauchte Klaus Dietz auf der Bildfläche auf. Der bekannte Weißenstädter Heimatforscher, selbst in verschiedenen Gesangsvereinen aktiv, ergänzte Fehlendes, stellte anderes richtig und verhalf so den bereits seit den 1990er-Jahren gesammelten Unterlagen zur korrekten Wiedergabe. „Es ist uns ein ganz besonderes Anliegen, Vergangenes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern vor allem unsere Jugend anzuregen, am früheren kulturellen Leben wieder anzuknüpfen“, sagt Klaus Dietz.

Entstanden ist eine Art Kompendium der Musikkultur im Fichtelgebirge von 1894 bis 2000. Es spannt den Bogen von Volks- und Kirchenmusik, Chören, Gesangvereinen und Kapellen über Musikerfamilien, Kantoren und Lehrer bis hin zu Jazz- und Beat-Bands. Zeitungsartikel, Programmhefte, Musikschul- und Musikerporträts und Musikerlisten werden ergänzt durch Informationen über Kirchenkonzerte und Gastspiele, musizierende Pfarrer, Gastwirte und Lehrer. Etwa 450 Abbildungen und zahlreiche Anekdoten lockern die geschichtlichen Darstellungen auf. Natürlich setzen die Autoren die regionale Musikgeschichte in den Kontext des vergangenen Jahrhunderts. „Mir kam es hauptsächlich darauf an, das musikalische Geschehen im Blick zu haben“, sagt Günther Seidel. Deshalb könnten dokumentarische Bezüge und Zeugnisse nicht immer eindeutig wiedergegeben werden. Was aber den Lesegenuss in keiner Weise schmälert.

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