Geht vielleicht Kundschaft verloren?
Könnte durch den Verzicht auf gedruckte Prospekte nicht Kundschaft verloren gehen? Rewe-Group-Vorstand Peter Maly bleibt optimistisch. "Ich glaube eine gewisse Grundbefürchtung ist schon da, das ist auch richtig so", sagte Maly. "Aber wir erreichen natürlich auch gerade ältere Kundschaft durch Tageszeitungen oder durch das Radio. Ich würde die digitale Befähigung der älteren Bevölkerung auch nicht unterschätzen".
Kundinnen und Kunden sollen künftig über eine App, per WhatsApp oder im Newsletter erreicht werden. "Durch die Verknappung an den Hausfluren, wo ja auch immer mehr verboten wird, Werbung einzuschmeißen, konnten wir sowieso schon viele nicht mehr erreichen", sagt Maly. Andere Supermarktketten setzen derweil noch auf eine Mischform aus Papier und digital. Kaufland nutzt neben digitaler Werbung noch immer Prospekte. Es sei ein "wichtiger Kanal", um Kundinnen und Kunden zu erreichen, sagte eine Sprecherin.
Auch der Discounter Aldi setzt auf ein Zusammenspiel aus App, Website und Magazin. "Formatanpassungen sind für uns ein gangbarer Weg, um auf die steigenden Papierpreise zu reagieren", sagt ein Sprecher von Aldi Nord. "Wir gehen - auch aus Nachhaltigkeitsgründen - sehr bedacht mit den Seitenumfängen und der Auflage unseres Magazins um." Der Prospekt sei dennoch weiterhin ein reichweitenstarkes und populäres Medium.
"Es ist wie eine Sonntagslektüre"
"Eine mutige Entscheidung", nennt Martin Fassnacht von der Wirtschaftsschule WHU in Düsseldorf das Einstellen der Prospekte. "Sie müssen bedenken, Deutschland ist ein relativ altes Land, global gesehen, und viele Menschen wollen momentan Geld sparen", erzählt der Wirtschaftswissenschaftler. Besonders die ältere Generation greife noch auf die physische Variante der Angebotspräsentation zurück. "Es ist wie eine Sonntagslektüre - Sie nehmen die Prospekte in die Hand und vergleichen die Preise. Sie legen sie alle nebeneinander." Das beeinflusse ihre Kaufentscheidung.
Fassnacht glaubt, dass Rewe durch die Einstellung des Papierkatalogs Kunden verlieren könnte. "Das wird nicht sofort ausgeglichen werden können. Mittel- und langfristig vielleicht, aber nicht sofort", sagt er. Sollte der Übergang von der Papier- zur digitalen Werbung nicht gelingen und die modernen Werbewege die Kundinnen und Kunden nicht überzeugen, könnten tragende Aktionen und Kaufanlass-Tage wie Ostern oder Silvester verloren gehen.
Dass beim Lebensmitteleinzelhandel ein großer Nachholbedarf bei der Digitalisierung besteht, sei keine neue Erkenntnis, sagt E-Commerce Experte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Es hapere eher an der Umsetzung. Digitale Werbung könne effizient und einfach sein. Doch die Unternehmen müssen dazu eben auch die Daten der Kundinnen und Kunden einsammeln. "Die Älteren werden auch digitaler", sagt Heinemann. Allein aus Klima- und Kostengründen sei diese Umstellung erforderlich. Doch auch Heinemann bleibt skeptisch: "Wenn das klappt, kommt das beinahe einer Revolution gleich."