Nachruf Ein Leben voller Fantasie und harter Musik

Von Roland Rischawy

Frankenpost-Korrektur- Chef Olli Bär ist tot. Er war ein Ausnahme-Talent als Autor und Musiker, als Humorist, Cartoonist und Gitarrenbauer.

 
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Zauberei auf der selbst gebauten Gitarre: Olli Bär im Juni 2017 beim Auftritt mit der Frankenpost-Band „Druckreif“ bei „Rock im Hof“. Foto: Archiv Frankenpost

Hof - Er war ein Paradiesvogel im positiven Sinne – im Leben wie auf der Bühne. Er war eine jener Ausnahme-Erscheinungen und Allround-Begabungen, wie man sie nur noch selten findet in unserer Gesellschaft. Als Oliver Bär, unser aller Olli, in unser Leben trat, als er im März 1990 seinen Dienst als Korrektor der Frankenpost antrat und fortan unsere Artikel unter die Lupe nahm, da konnten wir schon an seinem Aussehen ablesen: Das ist keiner von der Stange, der ist ein Individuum und ein Freigeist durch und durch. Seine lange Mähne, sein Wikinger-Bart mit Zöpfchen, seine lässigen Klamotten mit ausgefallenen Hosen und Stiefeln im Heavy-Metal-Stil, seine T-Shirts mit Jesus- und Fantasy-Aufdrucken waren sein Markenzeichen.

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Wer näher mit ihm zu tun hatte, dem wurde schnell klar, dass man es mit einer Art Genie zu tun hatte, das in keine Schublade passte. Obwohl sein Lebensweg im Grunde genommen überaus geradlinig verlief. Aufgewachsen in einer angesehenen Hofer Familie, legte Olli Bär am Schiller-Gymnasium sein Abitur ab. Es folgten der Grundwehrdienst und einige Studien-Semester in den Fächern Elektrotechnik und Physik in Erlangen und Bayreuth. Nebenher und nach dem Abbruch des Studiums setzte er sein schreiberisches und sein musikalisches Talent für den Broterwerb ein. Er betrieb als begnadeter Hardrock- und Heavy-Metal-Gitarrist ein eigenes Musikstudio und schrieb Werbetexte unter anderem für den Hofer Lokalsender Extra-Radio, bevor er kurz nach dem Fall der Mauer als Frankenpost-Korrektor anheuerte. In seinem Personalbogen ist die Antwort notiert, die er bei der Einstellung auf die Frage der damaligen Personalleiterin gab, welche Spezialitäten er denn habe: „Viele – aber alle für Sie wahrscheinlich weniger interessant.“

„Mister Wikipedia“

Sein Ehrgeiz, sein überdurchschnittliches Wissen und sein schöpferisches Talent ließen ihn immer wieder auch ausbrechen aus der gewohnten Bahn. 2004 legte er eine Pause ein als Korrektor; er gründete eine Ich-AG und schrieb Werbetexte für große Unternehmen, bevor er 2008 wieder als freier Mitarbeiter der Zeitung begann und 2015 schließlich als Leiter der Korrektur eingestellt wurde. Hier brachte der eingefleischte Junggeselle, der nie vor 12 Uhr mittags aufstand, gegen 14.30 Uhr an einem legendären Imbiss-Stand in Hof zu frühstücken pflegte und dann seinen Dienst antrat, die mit einem reinen Frauen-Team besetzte Korrektur-Abteilung der Zeitung beim Betreten des Zimmers stets mit einem Witz in Stimmung. Seine Kolleginnen und die gesamte Redaktion schätzten seinen überbordenden Humor und sein großes historisches und philosophisches Wissen. Er war für sie „Mister Wikipedia“.

Nach seinem Arbeitstag am Abend begann für Olli Bär eine ausgiebige Arbeitsnacht zu Hause. Bis in die frühen Morgenstunden schrieb er Fantasy-Romane – einer davon, „Rot und Grün“, wurde als Serie auch in der Frankenpost abgedruckt – und Detektiv-Geschichten, die er auch als Bücher vermarktete. Er erfand für die Zeitung die Cartoon-Serie „Pröffel & Gnotz“, in der er das lokale Geschehen und die internationale Politik karikierte. Tausendfach fanden sich seine Gurkennasen-Hühner auch als Werbeträger auf Bierfilzen und Einkaufswagen. Und er erwies sich des Nachts auch handwerklich als Ausbund an Kreativität: Hatte er sich als leidenschaftlicher Gitarrist, als Frontmann von Heavy-Metal-Gruppen wie „Flight of Phoenix“ „No Ma’aM“ und „Lost Face“, zunächst hochwertige Gitarren gekauft, so begann er eines Tages, seine Gitarren selbst zu bauen. Etwa 50 Gitarren hängen in seiner Wohnung an den Wänden oder liegen in Koffern, darunter auch eine außergewöhnliche Frankenpost-Gitarre. In der Zeitungsband „Druckreif“, die im Jahr 2006 gegründet wurde, pflegte Olli Bär seine Rolle als instrumentale Ausnahme-Erscheinung: Wenn er seine verzerrten Soli spielte, wenn er durch ein ausgefeiltes Fingerpicking-Spiel seine 32tel-Tonkaskaden durch die Boxen jagte, kamen selbst Blasmusik-Fans ins Staunen. Olli Bär, das Genie, hatte als Gitarrist die besondere Gabe, dass er zu Hause kurz eine Wagner-Symphonie anhörte und danach zehn Minuten lang die wichtigsten Passagen detailgetreu auf den Saiten nachspielte. Im Jahr 2005 sorgte er weltweit für Aufsehen, als er für das Guinness-Buch der Rekorde den Weltrekord im Dauergitarrespielen aufstellte: Am 3. September legte er im Wiesla-Rockclub in Hof ein Zwölf-Stunden-Marathon-Solo auf der E-Gitarre hin. Damit es nicht zu langweilig wurde, wie er sagte, spielte er in der letzten Runde nebenher noch gegen einen Besucher eine Partie Schach. Vor dem Rekordversuch hatte er Journalisten in einem Interview empfohlen: „Nennen Sie mich einfach den Tolstoj der sechs Saiten – oder so!“

Als Annie Sziegoleit, die Vorsitzende des Hofer Kunstvereins, Olli Bär vor einer Woche zu Hause besuchte, um mit ihm seine Beteiligung mit „Pröffel & Gnotz“-Cartoons an der geplanten Jubiläums-Ausstellung des Vereins zu besprechen, da präsentierte er ihr stolz seine neueste selbst gebaute Gitarre in der Farbe „Loriots Leberwurst-Grau“ und mit einem Schlagbrett aus Kupfer. Schon gezeichnet von seinem Leiden und nach einer schweren Operation in Bayreuth sagte er zu ihr: „Hoffentlich kann ich das noch erleben, wenn am Kupfer die Patina ansetzt.“

In der Nacht zum Donnerstag ist Olli Bär nach langer Krankheit in seiner Wohnung für immer friedlich eingeschlafen. Die Frankenpost-Mannschaft und die Zeitungsband „Druckreif“ werden diesen außergewöhnlichen, warmherzigen und humorvollen Kollegen vermissen.