Immerhin: Wie auch der DFB in seinem Löw-Bekenntnis lobend erwähnte, ist Deutschland in Topf 1 gesetzt. Die richtig starken Gegner wie Spanien, England und Frankreich drohen deshalb nicht. Ein weiteres Debakel in einem Pflichtspiel wie beim 0:6 zuletzt in Spanien wird dadurch unwahrscheinlicher.
FAN-INTERESSE
Doch der enge Zeitplan erhöht das Risiko für den DFB und Löw. Es bestehe "die feste Überzeugung", dass Löw und sein Trainerteam "trotz einer für alle herausfordernden Situation erfolgreiche Spiele und Ergebnisse liefern werden", teilte der DFB nach einer Telefonschalte des Präsidiums mit. Und wenn nicht? Noch einen Rückschlag wie das frühe Aus bei der WM 2018 kann sich Löw, kann sich der DFB nicht leisten. Es geht auch um die Gunst des Publikums. Die geringen TV-Einschaltquoten zuletzt dürften als Warnsignal gelten - auch für den für die Nationalteams verantwortlichen DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Zwar bleiben Löw nun mehrere Monate, um in aller Ruhe im Breisgau die ersehnte Aufbruchstimmung vorzubereiten. Der in sich gekehrte Bundestrainer fiel bislang jedoch nicht als großer Motivator auf.
Vor der EM folgen noch zwei weitere Testspiele in der unmittelbaren Turniervorbereitung. Geht der erneute Neustart unter dem Ewig-Bundestrainer schief, würde das bei den Fans die Lust auf die EM-Vorrundenspiele daheim gegen Frankreich, Portugal und Ungarn im Juni 2021 in München schmälern. Löw muss liefern.
KADER
Seine Hoffnungen ruhen nun umso stärker auf den Säulen seines Teams. Seine wenigen verbliebenen Weltmeister wie Manuel Neuer oder Toni Kroos sollen die Mannschaft tragen. Joshua Kimmich als weiterer zentraler Baustein in Löws Kadergerüst wird nach seiner Meniskus-OP noch einige Wochen ausfallen. Weitere wichtige Spieler wie Leon Goretzka bewegen sich angesichts des XXL-Kalenders der Topclubs schon jetzt an der Belastungsgrenze. Im Angriff sind die ebenfalls mehrfach belasteten Timo Werner, Serge Gnabry und Leroy Sané gesetzt.
Dass Löw trotz allem derzeit formstarken Ex-Nationalspielern wie etwa Max Kruse eine Chance gibt, scheint genauso ausgeschlossen wie eine Rückkehr von Boateng, Hummels oder Müller. Auch das gehört seit Jahren zum Weg von Joachim Löw, der nie allein nach dem Leistungsprinzip, sondern gerade mit Blick auf die Turniere auch nach dem aus seiner Sicht besten Kadergefüge nominiert hat. Der DFB weiß das, und er unterstützt mit seiner Rückendeckung bewusst auch diese Eigenschaft des Bundestrainers.
"Der Bundestrainer wird alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um mit der Mannschaft eine begeisternde EM 2021 zu spielen", hieß es. Der WM-Titel 2014 hat dem hoch verdienten Löw recht gegeben. Aber dieser Erfolg ist über sechs Jahre her. Löw müsse seinen Spielern die unbedingte Leidenschaft vermitteln, forderte sein einstiger Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm zuletzt in der "Sport Bild". Der Bundestrainer bekommt nun eine weitere Chance.
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