Neue Impfung Stiko: Alle Säuglinge gegen RS-Virus impfen

Regine Warth

Gegen die gefürchteten Atemwegserkrankungen, die durch RS-Viren ausgelöst werden, gibt es seit Monaten Impfstoffe, die Neugeborene gut vor schweren Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten schützen. Auch Impfungen für Senioren werden diskutiert.

 
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Im Herbst 2022 waren viele Kinderkliniken wegen Atemwegsinfekten bei Kleinkindern und Säuglingen überlastet. Foto: dpa/Christoph Soeder

Bis zur nächsten Erkältungssaison dauert es noch. Dennoch könnte sich in diesem Herbst einiges ändern: Erstmals hat die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts Empfehlungen ausgesprochen, wie sich zumindest eines der hartnäckigsten Viren in Schach halten lässt: Das Respiratorische-Synzytial-Virus (RSV). So können ab sofort alle Neugeborene, Frühchen sowie chronisch kranke Kinder gegen das Virus mit dem Wirkstoff Beyfortus/Nirsevimab immunisiert werden. Was es mit dem Impfstoff auf sich hat, wie lange der Schutz vorhält und was Eltern beachten müssen, zeigt diese Übersicht:

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Warum ist das RS-Virus so gefährlich?

RSV löst Atemwegserkrankungen aus, die für die meisten Menschen harmlos verlaufen. Für Babys aber kann es gefährlich werden – besonders für Säuglinge bis zum sechsten Lebensmonat und Kinder aus Risikogruppen. Dazu zählen Frühchen sowie Kinder mit Herzfehlern oder anderen Vorerkrankungen. Kinderärzte wie Friedrich Reichert, Ärztlicher Leiter der Pädiatrischen Interdisziplinären Notaufnahme (PINA) am Klinikum Stuttgart bestätigen: „Das RS-Virus ist in Deutschland der häufigste Grund für einen Säugling, ins Krankenhaus zu müssen.“ Gleichzeitig führen die durch das Virus ausgelösten Erkrankungswellen die Kinderkliniken im Land im Winter an die Belastungsgrenze: „OPs werden verschoben, weil die Kliniken voll sind, der Regel- und Routinebetrieb ist jedes Jahr stark gestört“, sagt Reichert. Oft müssen Kinder mangels freier Betten in entferntere Kliniken verlegt werden.

Löst die neue Impfung das Problem?

Kinderärzte sind sich einig: „Das Risiko, wegen RSV ins Krankenhaus zu müssen, reduziert sich laut Zulassungsstudien bei geimpften Kindern um 80 Prozent“, sagt Reichert. Für die Kinderheilkunde in Deutschland, die seit Jahren mit Pflegekräftemangel und Unterfinanzierung zu kämpfen hat, wäre diese Impfung eine sehr große Hilfe. Der Impfstoff Beyfortus ist dafür auch besser geeignet als der ältere Wirkstoff Synagis/Palivizumab. Dieser wurde während der RSV-Saison ausschließlich Kindern, die einer Risikogruppe angehören, gespritzt – und zwar alle vier Wochen. „Beyfortus hat eine deutlich längere Halbwertszeit und muss daher nur einmalig gegeben werden“, sagt Julia Tabatabai, Mitglied der Ständigen Impfkommission. Zudem ist die Schutzwirkung besser und die Impfung günstiger: Während Synagis rund 1000 Euro pro Injektion kostet, sind es bei Beyfortus/Nirsevimab 300 Euro.

Was ist das für ein Impfstoff?

Es handelt sich bei Beyfortus um eine sogenannte passive Impfung. Das bedeutet, die Säuglinge erhalten eine gewisse Menge an Antikörpern gespritzt, die sofort eine Schutzwirkung gegen die RS-Viren aufbauen. Und das recht lang, sagt Thomas Pietschmann, Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Virologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. So hält der Schutz sechs Monate vor – also für die Dauer der Infektwelle. „In Studien waren die Kinder nach Ablauf von sechs Monaten noch zu 75 Prozent geschützt.“

Gibt es Länder, die den Impfstoff nutzen?

Neben den USA haben mit Spanien und Frankreich auch zwei europäische Länder kurz nach der Zulassung im Herbst ein Impfprogramm gestartet. „Die Daten aus diesen Ländern zeigen, dass die Wirksamkeit, die bisher nur in Studien getestet worden ist, tatsächlich eingetreten ist“, sagt Johannes Liese, Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie der Kinderklinik am Uniklinikum Würzburg. So vermeldet Spanien, dass in Galizien, wo der Impfstoff quasi unter Studienbedingungen erprobt wurde, die Klinikaufenthalte der Säuglinge um bis zu 80 Prozent zurückgegangen sind.

Wann erfolgt bei Säuglingen die Impfung?

„Alle Neugeborenen und alle Säuglinge sollten vor ihrer ersten RSV-Saison eine Impfung mit dem monoklonalen Antikörper Beyfortus erhalten“, sagt Julia Tabatabai. Die Saison dauert üblicherweise von Oktober bis März. „Das bedeutet, dass alle Säuglinge, die zwischen April und September geboren worden sind, eine einmalige Impfung mit Beyfortus in den Wochen von September bis November erhalten sollen“, sagt die Ärztin vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikum Heidelberg. Kinder, die während einer RSV-Saison geboren werden, sollten rasch nach der Geburt immunisiert werden, etwa bei der U2-Untersuchung, die zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag stattfindet.

Wie sicher ist der Impfstoff?

Die Impfung mit Beyfortus gilt als sicher. Üblich sind Nebenwirkungen wie Rötungen, Schmerzen und Schwellungen an der Einstichstelle. Eine starke allergische Reaktion wurde nur in Einzelfällen beobachtet.

Welche Impfstoffe gibt es noch, um vor schweren Verläufen zu schützen?

Es gibt neben den monoklonalen Antikörpern für Säuglinge auch zwei aktive Impfstoffe für Erwachsene, die mittlerweile zugelassen worden sind. Insbesondere Seniorenkönnen ebenfalls schwer erkranken. Davor sollen die Vakzine Arexvy von GSK sowie Abrysvo von Pfizer schützen. Allerdings gibt es dazu noch keine Stiko-Empfehlung. Abrysvo kann zudem auch für eine maternale Impfung eingesetzt werden: „Ähnlich wie bei Keuchhusten und Influenza dient die werdende Mutter als Vehikel für die Schutzwirkung“, sagt Johannes Liese. Nach der Impfung bildet sie Antikörper, die sich auf das ungeborene Kind übertragen, sodass es dann mit einem gewissen Nestschutz zur Welt kommt. Bisher kann die Stiko die maternale Impfung aufgrund von Sicherheitsbedenken noch nicht empfehlen.