Neues im Theater Hof „Halte einfach den Mund“

Gegen das Hohle: Aylin Kaip (links) und Jasmin Zamani. Foto: hawe

Wer meint, im Smalltalk immer geistreich zu sein, sollte in „Abgrund“ im Theater Hof gehen. Es soll eine Kur gegen Plattitüden werden.

 
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Sechs schicke, sehr urbane Menschen sitzen am Tisch und ergehen sich in ihren Egos. Bla, bla. Und wenn ein Baby auf tragische Weise stirbt, folgt das dritte Bla. Es bleibt banal. Und wird horrormäßig. „Wir demaskieren uns und stellen unsere Rituale beim Smalltalk aus“, erklärt Regisseurin Jasmin Zamani. Sie inszeniert „Abgrund“ von Maja Zade. Am Samstagabend steht die Premiere im Theater Hof an. Die kann lustig ausfallen, manchmal zuckt man vielleicht als Zuschauer zusammen: erwischt! Keiner ist vor Plattitüden gefeit.

„Solche Menschen gibt es tatsächlich“, sagt Aylin Kaip, die die Kostüme und das Bühnenbild entwickelt hat. Wer trennt sich? Hat Wasser ein Bewusstsein? Sagt man Flüchtlinge oder Geflüchtete? Immer anreißen, schnell wieder weg, bevor es eskaliert oder vielleicht konstruktiv wird. „Es sind Menschen, die sich besser als andere finden“, sagt Zamani. „Manchmal sind sie reflektiert. Aber das ist ein Schatten, der davonhuscht“, meint Kaip. „Abziehbildchen“ seien die Figuren. Das Spiel kann man lang spielen, aber Jasmin Zamani hat das Stück eingekürzt. Sie wollte mehr Tempo, mehr Bissigkeit, und wenn das Ganze ins Absurde, extrem Überspitzte abstürzt – umso besser. Für Regisseurin Zamani ist „Abgrund“ kein aggressiver Frontalangriff auf das Bildungsbürgertum, eher eine Parodie mit einer gewissen Neigung zur Realität.

Die beiden Frauen selbst halten sich, sagen sie, gerne zurück beim Smalltalk. „Ich schalte irgendwann ab“, sagt Kaip. Das sei bei den Figuren im Stück kaum anders. Nur, dass die trotzdem weiterplappern und sich gelehrt und informiert in Szene setzen, aber letztlich nur Nachrichten und Talkshowgerede absondern, statt eine eigene Meinung loszuwerden. Das kann man vermeiden. „Halte einfach den Mund“, empfiehlt Jasmin Zamani. Manchmal sei es einfach besser, für jemanden einfach da zu sein, statt vorgefertigte Allgemeinplätze loszuwerden.

Das Stück könnte ins Banale ausfasern, wenn das Geplapper in die Endlosschleife geht. Geht es aber nicht. Maja Zade hat dem etwas Schockierendes entgegengesetzt. Ein Baby stirbt, und ein Kind ist schuld daran. Ein szenischer Dreh, der nur eines zeigt: Die Leute sind im Rhabarber-Rhabarber-Alltag hohl, und sie bleiben es unter Umständen, die Empathie fordern.

Und sie sind blind. Aylin Kaip hat ein riesiges Fenster ins Zentrum gerückt – jenes Fenster, das der Abgrund ist. Kaip hätte einfach sechs Leute an einen Tisch setzen können. Das war ihr zu fad. „Ich mag es metaphorisch“, sagt sie. So hängt das Unheil den ganzen Abend über allen – keiner merkt es.

Die Premiere des Stückes „Abgrund“ von Maja Zade ist am Samstag, 12. November, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Theaters Hof zu sehen. Zuvor, um 18.45 Uhr, unterhalten sich Zade und Dramaturg Philipp Brammer in einem Vorgespräch im Orchestersaal über das Stück. Die nächsten Aufführungen finden am Freitag, 18. November, und Samstag, 26. November, jeweils um 19.30 Uhr statt.

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