Neujahrsempfang in Wunsiedel Auftakt mit kleinen Schatten

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Im dritten Jahr seiner Amtszeit hielt Bürgermeister Nicolas Lahovnik seine erste Rede auf einem Neujahrsempfang der Festspielstadt Wunsiedel. Foto: /Florian Miedl

Endlich wieder ein Neujahrsempfang in Wunsiedel. Viele Bürger freuen sich nach zwei Jahren Pause auf das gesellschaftliche Ereignis und Bürgermeister Nicolas Lahovniks Rede. Am Ende ist manch ein Bürger ziemlich erschöpft, und das liegt vor allem an einer Zahl: 57 Minuten.

 
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Top, die Wette gilt: Wird Bürgermeister Nicolas Lahovnik beim Neujahrsempfang in Wunsiedel wieder alle Gäste auf der Treppe der Fichtelgebirgshalle mit einem festen Händedruck begrüßen wie sein Vorgänger Karl-Willi Beck? Und: Wird der Rathauschef so lange reden wie der kürzlich verstorbene Altbürgermeister? Dieser war bei solchen Anlässen stets zur Höchstform aufgelaufen.

Um es vorwegzunehmen: Lahovnik gab den zahlreichen Gästen in der Halle die Hand – zusammen mit seinen Stellvertreten Manfred Söllner, Carolin Kammerer und Alexander Fuchs. Corona spielt mittlerweile keine Rolle mehr (siehe Seite 8). Dabei hatte die Pandemie in den beiden ersten Amtsjahren von Lahovnik unter anderem auch die traditionellen Neujahrsempfänge verhindert. Jetzt war es so weit für die Premiere für den 2020 gewählten Rathauschef, dem die Freude auf diesen Abend sehr anzumerken war. Schließlich gilt diese Veranstaltung als ein Höhepunkt im gesellschaftlichen Leben der Festspielstadt. Hier treffen sich Bürger sowie Vertreter von Unternehmen, Einrichtungen, Kirchen, Vereinen und Organisationen. Weil es genügend Zeit für einen netten Plausch und anregendem Gedankenaustausch geben soll, versprach Lahovnik zu Beginn, dass er seine Rede wirklich kurz halten will. Vieles ist relativ: Gesprochen hat er schließlich exakt 57 Minuten – viel Rückschau, weniger Ausblick. Was in dieser Zeit zu hören und auf 14 Manuskript-Seiten gestanden war, fasst unsere Zeitung zu fünf Kernthemen der Rede zusammen.

1. Karl-Willi Becks Saat geht langsam auf

Wer die schwierige, wenn nicht desolate Finanzsituation in Wunsiedel anspricht, kommt meist auch auf Bürgermeister Nicolas Lahovniks Amtsvorgänger Karl-Willi Beck zu sprechen. Auch Lahovnik. Dieser verhehlt nicht, dass es wahrscheinlich noch Jahre dauern wird, bis Wunsiedel wieder einen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen kann. Bis dahin werde die Stadt auf großzügige staatliche Hilfe angewiesen sein. Allerdings, und das gehöre auch zur Wahrheit, reifen die von Beck gelegten Samen immer mehr heran. Beispiel Wunsiedler Weg. Nicht nur die Unternehmen, die die Stadträte gerne mit dem Begriff Konzern Wunsiedel bezeichnen, erwirtschaften mittlerweile gute Gewinne und führen entsprechend Gewerbesteuer ab. Auch neue siedeln sich an. Stellvertretend nannte Lahvonik das Sägewerk von Gelo Timber in Holenbrunn und das geplante neue Werk im Gewerbegebiet Plärrer, das die Firmengruppe Scherdel bauen will. „Wir haben die seinerzeit heftig geführte Debatte befriedet und und alle notwendigen Grundstückskäufe getätigt, sodass wir im Sommer hier Baurecht haben werden.“ Zur Erinnerung: Als die Pläne der Stadt Wunsiedel für ein interkommunales Gewerbegebiet zwischen Bernstein und Thiersheim bekannt wurden, gab es vor allem auf Wunsiedler Seite harsche Proteste.

Dass die Regierung Wunsiedel wieder mehr Stabilisierungshilfen gewährt, hat laut Lahovnik vor allem einen Grund: Den eisernen Willen zu sparen, wo immer es möglich ist. Allerdings seien noch zwei Voraussetzungen wichtig. So müsse den Entscheidern des Freistaats klar sein, dass das Geld in Wunsiedel gut angelegt sei, „weil hier das Geld nicht im kommunalpolitischen Gezänk versickert“. Dies ist die zweite Voraussetzung: Der Stadtrat zeige Geschlossenheit in den wichtigen Themen. Tatsächlich präsentiert sich das Gremium zuweilen so harmonisch wie ein Brautpaar auf Flitterwochen.

Trotz der vielen Rädchen, die in Wunsiedel offenbar immer besser in Sachen Finanzen ineinandergreifen, steht zu befürchten, dass durch äußere Einflüsse Sand ins Getriebe kommt. Lahovnik nannte die Kostensteigerungen im Landkreis, etwa beim Klinikum Fichtelgebirge, die in Summe zu hohen Umlagen führen werden. Das heißt, auch die Stadt Wunsiedel muss wahrscheinlich mit beträchtlichen Summen beitragen, damit der Landkreis seine Ausgaben stemmen kann.

2. Mächtig Ärger über Berlin: Ministerium antwortet einfach nicht

Wunsiedel und Energie. Zwei Wörter, die mittlerweile bundesweit in einem Atemzug genannt werden. Wie Lahovnik sagte, kam die Energiekrise für Wunsiedel zwei bis drei Jahre zu früh. Soll heißen, so lange wird es noch dauern, bis die Stadt tatsächlich weitgehend energieunabhängig ist und Bürger sowie Unternehmen mit klimaneutraler und kostengünstiger Energie versorgen kann. Richtiggehend ärgert sich der Bürgermeister über das Bundeswirtschaftsministerium. Wie berichtet, wandten sich Stadt und SWW wegen mehrerer an sich eher unscheinbarer Regelungen im Strompreisbremsen-Gesetz an das Ministerium. Dabei sprachen sie unter anderem einen Passus an, der den Betrieb der Wasserstoffproduktion im Energiepark ausbremst. „Wir haben nicht einmal eine Antwort erhalten. Aber eines ist auch klar: Das ist nicht das Ende des Wunsiedler Weges.“

3. Luisenburg muss zulegen: 130 000 Besucher sind wieder das Ziel

Lahovnik redete gar nicht lange um den heißen Brei herum, klipp und klar sagte er, dass die Luisenburg-Festspiele wahrscheinlich die schwierigste Phase seit der Gründung der Bundesrepublik durchleben. Er erinnerte an die Saison 2020, die wegen Corona ausfiel und 2021 aus demselben Grund mit 60 Prozent der Zuschauerkapazität auskommen musste. Im vergangenen Jahr brach der Ukraine-Krieg aus – inklusive steigenden Energiekosten und höheren Preisen in allen Lebensbereichen. Wer leistet sich da noch eine Eintrittskarte fürs Theater?

Die Luisenburg-Festspiele knackte zwar noch die 100 000-Besucher-Marke. Aber: „Wirtschaftlich betrachtet ist das kein Erfolg, auf dem sich die Festspiele ausruhen dürfen“, sagte der Bürgermeister. Um wirtschaftlich zu arbeiten und Einnahmen für Sanierungen, Reparaturen und Investitionen generieren zu können, müsse das Theater zurück zu Auslastungen der Vergangenheit. Das heißt im Klartext: „Größer oder gleich 130 000 Besucher“, so der Bürgermeister. Er zeigte sich zuversichtlich, dass dies mit dem Programm, das die künstlerische Leiterin Birgit Simmler mit dem Stadtrat gemeinsam zusammengestellt habe, wieder gelingen könne. Der Vorverkauf stimme zudem zuversichtlich. Knapp 50  000 Tickets seien mittlerweile verkauft worden.

4. Bürgermeister sieht Entwicklung in der Innenstadt positiv

Eine Lanze für die Wunsiedler Innenstadt brach der Bürgermeister in seiner Rede. Er teile nicht die häufig geäußerte Meinung, dass es im Zentrum, egal ob Gastronomie oder Einzelhandel, nur Schließungen gäbe. Mit den Lokalen „Molo Rouge“, „Buntmachers Bar“ oder „Fichtelkaffee“ seien „großartige neue Gastronomie-Angebote“ entstanden. Mit den „Genussdealern“ sei neues Leben in den ehemaligen Schlecker-Markt eingekehrt. In derselben Straße eröffnete Melanie Wießmeier, die bereits den besonderen Kinderladen betreibt, ein weiteres Geschäft. Lahovnik erinnerte daran, dass aktuell vier Häuser am Marktplatz saniert werden. Über das Wohl und Wehe der Innenstadt würden nicht zuletzt die Wunsiedel selbst entscheiden, meinte der Bürgermeister. Er sagte: „Wir – und niemand sonst – haben es in der Hand , ob unsere Innenstadt ausstirbt, oder ob diese Angebote erhalten bleiben oder sich sogar noch erweitern. Wir müssen hingehen und sie unterstützen. Sonst brauchen wir auch nicht zu jammern.“

5. Versprechen: Alle städtischen Einrichtungen bleiben erhalten

Es ist altbekannt, dass sich die Stadt Wunsiedel nach wie vor in einer finanziell schwierigen Phase befindet – trotz des großen Konsolidierungswillen des gesamten Stadtrates. Aber an städtischen Einrichtungen wie Jugendzentrum, Stadtbücherei und Musikschule lässt Lahovnik nicht rütteln: „Diese Einrichtungen bleiben. Mit mir wird es keine Diskussion über eine dieser Einrichtungen geben.“ Als eine „Win-win-win_Situation“ bezeichnete der Bürgermeister den Verkauf der Fichtelgebirgshalle an die Stadt. Die Stadt behalte ihre Veranstaltungslocation, der Landkreis könne seine beengte Raumsituation im Landratsamt lösen, und das Finanzamt habe Räume für die immer mehr werdenden Arbeitskräfte gefunden.

Wie eingangs erwähnt, ist ein Neujahrsempfang immer auch ein gesellschaftliches und manchmal auch ein kulturelles Ereignis für die Bürger einer Stadt. In Wunsiedel hat die Kultur von jeher eine Heimat. Davon zeugten beim Empfang unter anderem die Lehrerband der Städtischen Sing- und Musikschule mit Leiter Georg Obermeier an der Spitze und der herausragenden Musikschülerin Sophie Merkl am Flügel. Leider war bei Lahovniks Premiere manches zu viel. Die knapp einstündige Rede und die anschließende Ehrung engagierter Bürger (siehe Seite 10) kosteten enorm viel Konzentration, die vielen Gästen bei den Musikstücken fehlte. Angesichts der Freude, sich endlich wieder mal in diesem Rahmen auszutauschen, ist das nur allzu verständlich. Für die hervorragenden Künstler war es allerdings schade.

Die Mitglieder der Tanzsportgarde der Festspielstadt Wunsiedel haben die Gäste charmant bewirtet.

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