Open-Air-Sommer Sarah Connor feiert mit 9000 Fans in Coburg

Höchste Zeit für fette Party: Sarah Connor feiert mit 9000 Fans auf dem Coburger Schlossplatz. Die Sängerin zeigt viel Gefühl und klare Kante. 

 
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Dass sie zwei Jahre zu spät zum Date gekommen ist, nehmen ihr die Fans nicht krumm. Sie kann ja nichts dafür – und einer wie Sarah Connor kann man eh nicht böse sein. Schon gar nicht hier und heute, an diesem traumhaften Augustabend im „Sommer unseres Lebens“. So tauft ihn Sarah und strahlt in 9000 Gesichter, aus denen es ungefiltert zurückstrahlt. „Coole Kulisse, und alle ohne Maske, so eng beisammen!“ Das kann man so und so sehen.

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Die Sängerin sieht’s positiv und ist sichtlich happy, endlich wieder auf Handkussnähe dran zu sein an ihnen jubelnden Fans, hier auf dem Coburger Schlossplatz, den sie schon einmal in eine Wohlfühl-area verwandelt hat. Ziemlich genau sechs Jahre ist das her – damals hatte sie gerade ihre „Muttersprache“ mit dem gleichnamigen Album musikalisch entdeckt und mit „Wie schön du bist“ die Top Ten gestürmt.

Beim Deutsch-Pop ist’s geblieben, zur Begeisterung der Fans – und der Profis: „Sie wird immer besser“, findet Wolfgang Heyder, der Veranstalter. Dass schon 49 der 53 Shows dieses Jahres hinter ihr liegen, lässt sich die Künstlerin nicht anmerken: Über zwei Stunden lang zeigt sie mit ihrer exzellenten sechsköpfigen Band und den sieben Sängerinnen Powerplay mit viel Gefühl, starker Stimme, bester Laune und spontan wirkender Performance. Mit ihren textsicheren großen und kleinen Fans vernetzt Sarah ihre „Herz Kraft Werke“ (so heißt das aktuelle Album), produziert jede Menge Kraftstoff für zarte Seelen   und feiert zugleich die „fette Party“, die sie in ihrem Lockdown-Frustsong „Bye Bye“ herbeigesungen hat.

Vernetzte Herz-Kraft-Werke

Eine Party mit Besinnungsmomenten, denn die 42-Jährige will nicht nur unterhalten und ihr Publikum „rausholen aus dem, was euch sonst beschäftigt“: Sie weiß, dass ihr Promistatus Verantwortung mit sich bringt, dass ihre Worte gehört werden, vielleicht sogar etwas bewirken. Und so transportieren ihre Songs humanistische Botschaften, Sarah singt an gegen „Bomben, Panzer und Despoten und AfD-Idioten“, mahnt zur Wachsamkeit („Aus Angst wird Wut und aus Wut wird Gewalt, sie rast auf uns zu in Menschengestalt“), wirbt für mehr Herzenswärme, Selbstvertrauen, Zivilcourage. „Empowerment“ heißt das heute, das gute alte Wort Mutmachen trifft’s aber auch.

Coburg erlebt das amtliche Kontrastprogramm zum Vorabend, an dem an selber Stelle Sido den Bad Boy mit den dicken Eiern gab. Drollige Vorstellung, dass der rüde Rapper die Regenbogenflagge schwenkend einfühlsam die Verunsicherung und das Coming-out eines schwulen Jungen besingen würde. Good Girl Sarah tut es, mit ihrem Hit „Vincent“ krönt sie (fürs Erste) ihre auch visuell eindrucksvoll inszenierte Show, die fein austariert ist zwischen Balladen zum Schwelgen und Power-Pop zum Grooven.

Die wilden alten Zeiten

Die alten Zeiten sind schließlich nicht vergessen, im (zeitlichen) Zentrum des Abends steht darum ein heißes Soul-Set, das „den ganzen Laden zum Wackeln“ bringen soll. Schloss Ehrenburg und Landestheater überstehen die Attacke, soweit erkennbar, ganz gut. Aber   dazwischen erfüllt sich auf dem gut gefüllten Schlossplatz Sarahs Wunsch zu Songs wie „Whatta Man“ oder „From Zero To Hero“, bei denen die Band Gas gibt und die stimmgewaltige Vokalcrew aus dem Background tritt.

Sie machen es dem Publikum im vorderen Bereich nicht gerade leicht, auf ihren Sitzplätzen zu verharren, schon beim ersten Song „Hör auf deinen Bauch“ nahm mancher den Appell „Steh auf, sing laut“ beim Wort. Aber es gibt ja auch die sanften Songs, die zum Innehalten einladen, mal hymnisch – wie die „Kleinstadtsinfonie“, eine Liebeserklärung an die Heimat, mal hauchzart wie „Das Leben ist schön“.

Ständchen für einen kleinen Fan

Sarah Connor zählt nicht zu jenen, die ihr Programm   routiniert runterspielen: Im Kontakt zu ihren Fans blüht sie plaudernd auf, Küsschen fliegen hin und her, und beim Blick auf die vielen Kinder wird der vierfachen Mutter warm ums Herz („da schießt mir gleich die Milch ein“). Der kleinen Frieda aus der ersten Reihe verhilft sie auf der Bühne zu einem Herzklopferlebnis: Das Happy-Birthday-Ständchen aus 9000 Kehlen wird sie wohl nie vergessen.

Dass nicht alle Kinder Grund zum unbeschwerten Feiern haben, blendet die Sängerin, die zu Hause Flüchtlinge aus der Ukraine beherbergt, nicht aus. „Wir müssen etwas tun!“, fordert sie – und weist den Weg zu den Peace- und No-War-Shirts am Merchandising-Stand, deren Erlös der Ukraine-Hilfe zugutekommt. Zum Abschied gibt sie ihren Fans einen Tipp mit auf den Weg: „Krieg dein Arsch endlich hoch! Zeit aufzustehen.“

Das könnte sogar Sido verstehen.