Parken in Selb Die Crux mit den Mini-Gehsteigen

Baurecht vs. Straßenverkehrsordnung in Selb. Es ist eine Crux mit den Schrammborden: Sie sind zu schmal, um darauf laufen und engen die Straße ein. Parken wird dann zum Glücksspiel.

 
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Hier messen zwei Polizeibeamte den Mini-Gehsteig in der Lilienthalstraße in Selb nach. Foto: Goldner

Stefan Zatschka fährt von der Arbeit nach Hause. Wie immer parkt er seinen Kleintransporter am Gehsteig vor der Haustüre, sodass andere Fahrzeuge wie Rettungswagen und Müllabfuhr die schmale Straße am Vorwerk passieren können. Kurze Zeit später kommt ein Polizist und verpasst ihm sowie vielen anderen Anwohnern der Lilienthal- und Siemensstraße einen Strafzettel. Dafür haben die Selber kein Verständnis und wenden sich mit diesem Anliegen an die Stadtverwaltung (wir berichteten).

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Ausgangspunkt:

Die betroffenen Straßen haben beidseitig Gehsteige. Einer ist 1,5 Meter breit, der andere 45 Zentimeter – und somit unbenutzbar. Um auf der Straße parken zu können, muss diese trotz abgestellten Fahrzeugs noch mindestens 3,05 Meter breit sein. In der Lilienthal- und Siemensstraße ist diese Breite bei größeren Autos nicht gegeben.

Rechtliche Situation:

Die Stadtverwaltung reagiert nun auf den Streitpunkt Gehsteigparken. In der Stadtratssitzung am Mittwoch klärt Nicole Abraham vom Haupt- und Rechtsamt der Stadt Selb die komplexe rechtliche Situation zum Thema Gehweg: „Die Straßenverkehrsordnung (StVO) und das Baurecht haben komplett unterschiedliche Definitionen eines Gehwegs.“ Sie führt das Thema weiter aus: „Im Baurecht gibt es klare Vorgaben, wann es ein Gehweg ist. Hier spielen Mindestbreiten eine große Rolle.“ Diese interessieren die StVO nicht: „Wenn am Gehweg keine Einzeichnung vorhanden ist, ist dort das Parken verboten. Man muss auf der Straße parken.“ Fazit: Wenn ein Polizist das Gehsteigparken ahnden will, ist es für ihn irrelevant, wie groß oder klein der Gehweg ist.

Stadtverwaltung reagiert:

Die Stadt Selb versteht das Problem der Bürger und will ihnen bei der Parksituation weiterhelfen. Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch: „Eine ähnliche Situation gab es im Fichten- und Tannenweg auf der Siedlung. Dort wurden die Mini-Gehwege (auch Schrammbord genannt) entfernt, sodass mehr Platz auf der Fahrbahn ist.“ Sprich: Neben den geparkten Autos verbleibt dort eine größere Straßen-Restbreite als die oben genannten 3,05 Meter. Somit können dort auch größere Fahrzeuge parken. „Unser Ziel ist es, eine solche bauliche Maßnahme auch in der Lilienthal- und Siemensstraße durchzuführen“, sagt Pötzsch. „Wir werden versuchen, das im Rahmen unseres Asphaltdecken-Programms zeitnah umzusetzen.“ Es wird laut Pötzsch allerdings auch Straßen geben, die man nicht verändern kann. Außer: „Der Fußgänger verzichtet auf die Sicherheit des Gehwegs und läuft auf der Straße.“ Schilder oder Parkausweise sind laut Pötzsch keine Lösung.

Problem betrifft ganzes Stadtgebiet:

Der vom Strafzettel betroffene Stefan Zatschka weist darauf hin, dass in Selb nicht nur die genannte Lilienthal- und Siemensstraße betroffen sind. „Die mangelnde Breite betrifft mehrere Straßen auf dem Vorwerk, auf der Kappel und auf der Siedlung. Da parkt keiner auf der Straße.“ Dem Oberbürgermeister ist die missliche Situation bekannt, er meint aber auch: „Wir können unsere Struktur nicht vom einen Tag auf den anderen verändern.“

Warum die Stadt nicht eher reagiert hat, erklärt Ulrich Pötzsch direkt danach: „Die Zeiten haben sich geändert. Früher gab es in jedem Haushalt nur ein Auto. Erst später kam ein zweites für den Partner oder die Partnerin dazu. Dann hat das Kind den Führerschein bestanden und brauchte für die Ausbildung oder das Studium ebenfalls ein eigenes Auto. Mittlerweile gibt es pro Haushalt mindestens drei Autos, wenn Kinder da sind, teilweise sogar vier.“ Es ist also nicht verwunderlich, dass es immer weniger Parkplätze gibt und es zur Normalität geworden ist, dass die Leute mit ihren Autos auf der Straße parken.

Wo parken?

Dass in den Wohngebieten in naher Zukunft neuer Parkraum entsteht, ist laut Pötzsch unwahrscheinlich: „Mit der Menge an Fahrzeugen und dem Wunsch, heimatnah zu parken, wird es uns vor allem in den Wohngebieten nicht möglich sein, neuen Parkraum zu schaffen.“ Deswegen bleibt den Anwohnern nichts weiter übrig, als weiterhin am Straßenrand zu parken. „Gerade im Geschosswohnungsbau haben die Leute keine andere Möglichkeit, als ihre Autos auf die Straße zu stellen“, ergänzt das Stadtoberhaupt.

Das sieht Stadträtin Susann Fischer (Grüne) anders. Sie empfiehlt den Anwohnern am Vorwerk, am Eisstadion-Parkplatz oder vor der Arzt-Praxis von Dr. Susanne Friese, in der Einsteinstraße zu parken. Stefan Zatschka fragt die Grünen-Politikerin daraufhin, ob sie denn schon einmal am Vorwerk gewesen ist. Denn dann wüsste sie, dass die Parkplätze vor der Arzt-Praxis fast ständig belegt sind.

Bis das Schrammbord entfernt wird, bleibt das Dilemma der Bürger also bestehen: Entweder man parkt sein Auto auf den Gehweg und riskiert einen Strafzettel, oder man parkt nach Recht und Gesetz: das schmale Auto auf der Straße und das breitere weiter weg – wo die 3,05 Meter eingehalten werden können.

Dass die Polizisten bei ihren Park-Kontrollen über die betroffenen Straßen hinweg sehen, ist laut Pötzsch ausgeschlossen. „Man kann der Polizei nicht verbieten zu kontrollieren.“ Trotzdem könne man als Bürger weiter versuchen, gegen den Strafzettel Einspruch zu erheben. Ob es am Ende wirklich etwas bringt, bleibt dahingestellt.