Parteien in Hochfranken Zwischen Ernüchterung und verhaltener Freude

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Anker der regionalen CSU: Hans-Peter Friedrich. Foto: /Thomas Neumann (3)

Der Wahlkreis Hochfranken schickt wieder zwei Abgeordnete nach Berlin. Für die CSU ist damit das Minimum erreicht, mit Söder wäre es aber vielleicht anders gelaufen. Die SPD feiert in Bund und Region – auch wenn nicht klar ist, ob sie in Berlin überhaupt regieren kann. Und während die Grünen ein wenig froh sind, leckt die AfD ihre Wunden.

 
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Wahlen sind Fakten. Die Deutung ihrer Ergebnisse hat etwas mit Hoffnung, Optimismus, Gedankenwelt und politischem Know-how zu tun. Beispiel: Das Ergebnis der CSU. Hans-Peter Friedrich hat es wieder und wenig überraschend ins Parlament geschafft – obwohl seine CSU auch ohne die große Schwester CDU ein schlechtes Ergebnis eingefahren hat. Nach Berlin zu zeigen, war dem Direktkandidaten zu billig. Hausgemachte Fehler sieht er – und ist nicht allein. Jochen Ulshöfer, aufstrebender Stadtrat in Hof, ist dagegen gar nicht so enttäuscht, trotz sechs Prozentpunkten weniger als vor vier Jahren. „Besser als erwartet“ , sagt er. Er gibt die Wahl an sich auch nicht verloren. „Viele Enttäuschte sind daheim geblieben. Es wäre aber eine bürgerliche Mehrheit möglich gewesen“, sagt er. Das Potenzial sei Realität. Und enttäuscht seien viele Wähler von der Schwester CDU und deren Kanzlerkandidaten gewesen. Was Ulshöfer fehlte: „Man hat es verpasst, den Kandidaten zu positionieren.“ Die SPD sei mit sozialen Themen auf die Bühne getreten, die Grünen mit Umweltpolitik. „Die Union hätte mit innerer Sicherheit, einem klassischen Thema arbeiten können“, meint Ulshöfer. Nur – man hat es eben verpasst, keiner habe so recht gewusst, wofür die Union steht. Und so habe die CDU die CSU nach unten gezogen.

Ähnlich sieht es auch Kristan von Waldenfels, als 20-jähriger Bürgermeister von Lichtenberg der Philipp Amthor des Frankenwaldes. „Der Grund für das Ergebnis der CSU ist bei der CDU zu suchen“, sagt er. Hätte man alles besser machen können. Zum Beispiel mit einem anderen Kandidaten für das Kanzleramt – namentlich Markus Söder.

Alexander König, CSU-Landtagsabgeordneter, zweifelt gar nicht bei der Söder-Frage. „Nach allen Umfragen, die ich kenne, hätten wir mit ihm ein klares Ergebnis“, sagt er, selbstredend eines, das besser ausgefallen wäre. Ansonsten sei das Abschneiden der Christsozialen nicht überraschen. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir zulegen.“ Was nun tun mit dem Ergebnis? „Das“, sagt König, „hängt jetzt alles vom Talent der Spitzenkandidaten ab.“

Pascal Bächer, einer der beiden Vorsitzenden der Hofer Landkreis-SPD, sieht Talent auch beim Direktkandidaten Jörg Nürnberger, der über die Liste den Sprung nach Berlin geschafft hat. Er und das Team hätten darauf hingearbeitet und es am Ende geschafft. „Vor ein paar Wochen habe ich die SPD bei 26, 27 Prozent gesehen. Hätten Sie mich vor drei Monaten gefragt – puh, da dachte ich noch, wir müssen kräftig aufholen.“ Nun also doch. Mordsmäßig gefreut hat er sich über Nürnbergers Abschneiden. Wenngleich er weniger Erststimmen als die SPD Zweitstimmen im Wahlkreis bekommen hat. „Das ist eine Lesart“, meint Bächer. „Es könnten aber auch Friedrich-Wähler mit der Zweitstimme Olaf Scholz gewählt haben.“

Welche Koalition nun kommt, da ist sich Bächer annähernd sicher, dass es die Ampel wird. Er akzeptiere zwar, dass die Union mitverhandelt, aber wenn sie tatsächlich die Regierung anstrebe, entspräche das nicht dem Wählerwillen. Wie es auch ausgehen mag, Pascal Bächer ist froh, dass die gemäßigten Parteien in der Summe die Sieger seien. „Wir hatten drei demokratische Kandidaten in den Triells und nicht Erdoğan, Trump und Bolsonaro.“

Gleich „happy“ ist Jennifer Bernreuther, die andere Hälfte der Kreis-Spitze. „Sieht nach Ampel aus“, sagt sie, man dürfe sich jetzt mal auf die Schulter klopfen. Dass die Sozialdemokraten den Schwung nach oben genommen haben, liege an Olaf Scholz und dem Programm der SPD. War es nicht auch ein schwacher Armin Laschet? „Nun gut, ja. Laschet war nicht unbedingt ein Kompetenzträger.“

Ein bisschen Freude herrscht schon bei den Grünen in der Region. Schließlich hat die Partei nicht nur auf Bundesebene kräftig zugelegt, sondern auch im Stimmkreis Hof-Wunsiedel, wenn auch nicht annähernd so viel. „Wir müssen uns auch mal auf die Schulter klopfen“, sagt Mirjam Kühne am Montagmorgen. Sie ist gemeinsam mit dem Grüne-Direktkandidaten Ralf Reusch Sprecherin des Hofer Kreisverbandes. Reusch hatte 6,4 Prozent der Stimmen geholt, die Grünen 7,7 Prozent bei den Zweitstimmen. „Man muss eben auch sehen, dass die Grünen es in der ländlichen Region nicht so leicht haben“, sagt Kühne. Bedauerlich findet Mirjam Kühne zum einen, dass die Freude über die deutlichen Zugewinne im Lichte des zwischenzeitlichen Höhenflugs in den Umfragen nicht so groß ist. Zum anderen empfindet sie es als Sexismus, dass Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, obwohl sie in allen Fakten-Checks in den Triells vorne gelegen hat, als weniger kompetent als ihre Mitbewerber wahrgenommen wurde. „Annalena hat Jubel verdient“, sagt Kühne. In Sachen Regierungsbildung hat sie einen eindeutigen Wunsch: „Bundespolitisch ist uns die Ampel näher als Jamaika.“

Derart festlegen möchte sich Nanne Wienands, Grünen-Stadträtin in Schwarzenbach an der Saale und auch im Kreisverband aktiv, noch nicht. „Da stehen wir bundesweit gesehen vor einer großen Aufgabe“, sagt Wienands. „Es muss sich jetzt weisen, wie sich unsere Inhalte verwirklichen lassen.“ Es gehe darum, ob Deutschland klimaneutral werden könne. „Dafür müssen wir die Industrie in die Verantwortung nehmen.“ Ist Christian Lindner hier eine Gefahr für die grüne Politik? „Ich sehe Christian Lindner nicht als Gefahr. Er wird sein Fähnchen in den Wind hängen, weil er einfach mitregieren will“, sagt Wienands. Sie hoffe jedenfalls, dass Olaf Scholz Kanzler wird. Regional könnten die Grünen zufrieden sein. Ralf Reusch sei als Direktkandidat quasi aus dem Nichts in den Wahlkampf gegangen und habe das Ergebnis von der letzten Bundestagswahl verbessert.

Oliver Koller, stellvertretender Vorsitzender der AfD Hochfranken, zeigt sich enttäuscht vom Abschneiden seiner Partei auf Bundesebene. „Die parteiinternen Grabenkämpfe als auch das AfD-Bashing haben uns sehr geschadet. Auf Bundes- und Landesebene muss das Ganze nun umfangreich analysiert werden“, sagt Koller, der Jörg Nürnberger zum Einzug in den Bundestag gratuliert. Bedauerlich sei, dass Gerd Kögler für die AfD nicht den Einzug ins Bundesparlament geschafft hat. „Dies hat womöglich auch mit der Kandidatur der Freien Wähler zu tun.“

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