Gruppen aufstocken unzulässig
Betroffen seien zwei von vier Tagesstätten-Gruppen der Mittelschulstufe sowie beide Gruppen der Berufsschulstufe, erklärt Stefanie Beck. Aktuell fehlten drei Gruppenleitungen – eine vierte könne erst im Februar beginnen – außerdem zwei Pflegekräfte sowie zwei Schulbegleitungen. Ebenso wie im Förderzentrum am Vormittag brauche es nachmittags rund drei Kräfte pro Gruppe.
Alle Kinder und Jugendlichen auf die vorhandenen Gruppen aufzuteilen, sei leider unmöglich, erklären die Expertinnen. Denn weil es in der Lebenshilfe besonders viel Betreuung brauche, gebe es feste Personalschlüssel. „Sonst können wir die Aufsichtspflicht nicht gewährleisten“, verdeutlicht Hilpert. Rechtlich sei es also nicht zulässig, die Gruppen einfach aufzustocken, wie manche Eltern es sich wünschten, die sich jetzt im Stich gelassen fühlten.
Harte Konkurrenz am Arbeitsmarkt
Zwar zahle die Lebenshilfe ihre Beschäftigten nach Tarif, doch die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei groß: Kitas brauchen ebenfalls Erzieher, Altenheime und Krankenhäuser Pflegepersonal. So entstünden Teufelskreise, macht Hilpert klar. Eine soeben gewonnene Mitarbeiterin musste absagen, weil ihr selbst ein Kita-Platz fehlte.
Neben den behinderten Kindern und Jugendlichen sind auch die Angehörigen stark von den Streichungen betroffen. Denn wie sollen Eltern weiter ihre Berufe ausüben, wenn um 12.15 Uhr Schluss ist mit Betreuung? Eine Herausforderung – noch dazu auf unbestimmte Zeit, bedauert Hilpert.
„Keine Minute allein lassen“
„Das ist eine Katastrophe“, erklärt Mutter Stefanie Wagner-Ott, deren Tochter Laura keinen Nachmittagsplatz mehr hat. Seit Schulbeginn muss die Altenpflegerin, die in einem Waldershofer Seniorenheim eine Wohngruppe leitet, die Betreuung ihrer schwerbehinderten 13 Jahre alten Tochter mit Pflegestufe vier jeden Tag aufs Neue organisieren. „Laura kann man keine Minute allein lassen“, sagt die Mutter. Manchmal reist sogar die Oma aus Hof an oder die Kollgenen lassen Wagner-Ott mittags schon gehen. „Geht aber beides nur ausnahmsweise“, sagt die Altenpflegerin.
Familienentlastender Dienst muss ran
Also engagiert sie öfter die Tagesmutter des familienentlastenden Dienstes, die pflegenden Angehörigen eigentlich Erholungsstunden ermöglichen soll. Doch das Stundenkontingent, das Familien mit behinderten Kinder zusteht, ist beschränkt. „Aus eigener Tasche kann ich das nicht bezahlen“, sagt Wagner-Ott. Sorgen bereitet ihr auch, dass ihre sehbehinderte Tochter, die nicht spricht, geringere Fortschritte macht, seit die Bezugspersonen und der Tagesablauf wechseln. „Laura ist verunsichert, sobald feste Abläufe, Struktur und Rituale fehlen. Das macht alles noch viel schwerer.“
Notgruppe für einen Tag
Und nun? Zumindest biete die Lebenshilfe jetzt an einem Nachmittag pro Woche eine Notgruppe für Schüler berufstätiger Eltern an, erklärt Hilpert. Zudem werbe man weiter intensiv um Personal. Sobald sich genug qualifizierte Mitarbeiter mit der Bereitschaft zur Weiterentwicklung fänden, liefen die Tagesstätten-Angebote weiter.
Abstriche bei der Qualifikation der Betreuer zu machen, lehnt Hilpert allerdings ab. „Die pädagogischen Standards zu senken, ist der falsche Weg. Unser Anspruch ist, in der Lebenshilfe gute Arbeit zu leisten.“