Landkreis Kulmbach Bauarbeiter können Kilometer zur Baustelle abrechnen

Der Lohnzettel im Kreis Kulmbach sieht diesmal in einem entscheidenden Punkt anders aus: Zum ersten Mal bekommen die Bauarbeiter im Februar eine Abrechnung, auf der die Kilometer eine Rolle spielen.

 
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Erstmals spielen die Kilometer eine Rolle, die Bauarbeiter auf ihrem Weg zu den Baustellen zurücklegen. „Das ist eine Premiere: Bislang hat ein Großteil der Bauarbeiter Zeit und Nerven investiert, um zu den Baustellen zu kommen. Und das alles zum Null-Tarif. Denn die meisten haben ihre Zeit für die Fahrten zur Baustelle dem Chef einfach geschenkt“, sagt Uwe Behrendt. Für den Bezirksvorsitzenden der IG Bau Oberfranken ist die Entschädigung der Wegezeit „ein wichtiger Schritt nach vorn, um die Arbeit auf dem Bau vom Lohn her attraktiver und gleichzeitig auch gerechter zu machen“.

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Immerhin sind die Strecken, die Bauarbeiter auf ihrem Weg zu den Baustellen zurücklegen, enorm. Die Bau-Gewerkschaft weiß, wovon sie spricht: Sie hat die Fahrstrecken beim Pestel-Institut (Hannover) untersuchen lassen. Demnach sind rund 1040 Bauarbeiter – und damit neun von zehn Beschäftigten der Baubranche – im Landkreis Kulmbach an 200 Arbeitstagen unterwegs, um zu Gebäuden, Straßen und Brücken zu kommen, die sie bauen und sanieren sollen. Für die einfache Fahrt legen sie dabei im Schnitt 56 Kilometer zurück. Die Wissenschaftler vom Pestel-Institut kommen dabei auf rund 23,2 Millionen „Baustellen-Kilometer“ im Jahr. „Rein rechnerisch fahren die Bauarbeiter aus Kulmbach damit rund 580 Mal um die Erde. Klar, mal liegt die Baustelle um die Ecke, oft ist sie aber auch weit entfernt“, so Behrendt. Bei der Untersuchung sind, so das Pestel-Institut, für die Mobilität von Baubeschäftigten relevante Faktoren wie die Siedlungsdichte berücksichtigt.

Unter den Teppich gekehrt

„Das Ergebnis macht deutlich, dass die, die auf dem Bau arbeiten, viel Extra-Zeit am Steuer vom Pkw oder im Baubulli verlieren. Dabei ist die Wegezeit nichts anderes als für den Bau-Job investierte Lebenszeit“, sagt Carsten Burckhardt. Er ist im Bundesvorstand für die Bauwirtschaft zuständig und spricht von „enorm Kilometer-aktiven Bau-Jobs“. Die Fahrten zu den Baustellen seien „echte Zeitfresser“. Trotzdem sei es ein „hartes Stück Arbeit“ gewesen, die Entschädigung der Wegezeit am Tariftisch durchzusetzen. „Die Arbeitgeber haben sich jahrelang dagegen gesträubt“, so Burckhardt.

Die Zeiten, in denen Fahrstrecken von Bauarbeitern einfach unter den Teppich gekehrt wurden, seien endgültig vorbei: Für die Strecken zwischen Betrieb und Baustelle bekommen Bauarbeiter, die Tag für Tag von zu Hause aus anfahren, jetzt – je nach Kilometern – zwischen sechs und acht Euro pro Tag. Wer nicht mit dem Baubulli fährt, sondern das eigene Auto nimmt, bekommt weiterhin zusätzlich Kilometergeld. Auch für Fahrten mit Bussen und Bahnen gibt es eine Erstattung“, erläutert Burckhardt. Wer auf Montage sei und nicht jeden Tag nach Hause fahren könne, bekomme – abhängig von der Strecke – zwischen 18 und 78 Euro pro Woche.