Existenz von Bauern gefährdet Kaffee so billig wie selten

Kaffee ist der beliebteste Wachmacher in Deutschland. Der Rohstoffpreis war 2019 zeitweise so günstig wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Das bedroht Kaffeebauern etwa im mittelamerikanischen Guatemala in ihrer Existenz.

 
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Der Kaffeebauer Jose de Leon steht auf einer Plantage im guatemaltekischen Department San Marcos. Wegen des niedrigen Weltmarktpreises sehen die Erzeuger ihre Existenz gefährdet. Viele versuchen, in die USA auszuwandern. Foto: Nick Kaiser Foto: dpa

San Pablo - Ein gewaltiger Ceiba-Baum ziert den zentralen Platz des Städtchens San Pablo in Guatemala. Der Nationalbaum des mittelamerikanischen Landes ist in der Region in der Unterzahl - es dominieren die Kaffeepflanzen der unzähligen Plantagen in dem tropisch heißen und feuchten Gebiet.

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In Europa ist der Kaffee aus Guatemala gefragt. Nach Angaben der EU-Kommission wurden im vergangenen Jahr rund 43.000 Tonnen Kaffee aus Guatemala in die EU exportiert im Wert von 130 Millionen Euro.

Namen wie "Finca Berlín" erinnern daran, dass einige Plantagen von Deutschen gegründet wurden, bevor diese während des Zweiten Weltkriegs des Landes verwiesen und ihre Plantagen aufgeteilt wurden. Ein großer Teil der hier wachsenden Bohnen landet heute als Fairtrade-Bio-Kaffee in den deutschen Geschäften.

Das könnte sich allerdings ändern - wegen des niedrigen Weltmarktpreises sind die Kaffeebauern der Region in einer unhaltbaren Situation. "Der Kaffeeanbau ist heutzutage definitiv nicht mehr rentabel", sagt José de León, der mit einer fünf Hektar großen Plantage zu den größten der Kleinbauern von San Pablo gehört.

In Deutschland zählt der Wachmacher zu den beliebtesten Getränken. Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes trank jeder Deutsche im vergangenen Jahr durchschnittlich 164 Liter Kaffee.

Der Preis für Rohkaffee fiel im August nach Angaben der International Coffee Organization (ICO) im Vergleich zum Juli um knapp sieben Prozent. Mit 96,07 US-Cent pro Pfund lag der Durchschnittswert um mehr als acht Cent unter dem Wert vom August 2018. Im April war der Preis mit 94,42 Cent so tief wie seit Juli 2006 nicht mehr. Im April 2011 hatte er noch bei mehr als 2,30 Dollar gelegen. Ein Überangebot ist laut ICO der Hauptgrund - die Exportmengen steigen jedes Jahr. Die größten Ausfuhrländer sind Brasilien und Vietnam.

Seit vier Jahren schreibe in San Pablo so gut wie jeder Verluste, erzählt Don José, wie der 63-jährige Landwirt genannt wird. Viele gäben den Kaffeeanbau auf, nicht wenige wanderten wegen fehlender Alternativen aus.

"Kaffee ist der weltweit zweitwichtigste gehandelte Rohstoff, hinter Rohöl", sagt Katrin Knauf vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Dem Überangebot stehe kein nennenswerter Nachfrageschub gegenüber, vor allem nicht aus China. Ebenso sei nicht erkennbar, dass Kaffee in anderen Produkten wie Kosmetik verwendet werde.

Beim Blick in die deutschen Verkaufsregale fällt auf: Verbraucher kaufen Kaffee häufig im Angebot. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen stieg der Absatzanteil von Filterkaffee, der im Angebot erhältlich ist, im ersten Halbjahr auf 61 Prozent. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 59 Prozent. "Gerade der Filterkaffee ist eine Kategorie, bei der der Verbraucher auch die Eckpreise im Kopf hat", sagt Christiane Stuck, Getränke-Expertin bei Nielsen.

Am meisten wird hierzulande nach wie vor der klassische Filterkaffee gekauft. Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes lag der Marktanteil im vergangenen Jahr bei 57 Prozent. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich demnach das Segment ganze Bohne, der Anteil lag 2018 bei 29 Prozent.

Etwa 80 Prozent der rund 60.000 Bewohner von San Pablo leben Don José zufolge vom Kaffeeanbau. 87 Bauern haben sich zu einer Kooperative zusammengeschlossen, die dem nationalen Verband Fedecocagua angehört. Dieser vermarktet den Kaffee - Chef ist ein Schweizer.

Pro Zentner Kaffee müsse man 750 Quetzal (rund 86 Euro) einnehmen, um über die Runden zu kommen, rechnet Don José vor. "Wir verkaufen im Moment für 650." Nur weil der Verband etwas dazugebe, könnten viele überhaupt noch weitermachen.

Man halte sich an die von den USA und der Europäischen Union geforderten Bio-Standards, erklärt Leonel Carmelo, technischer Berater von Fedecocagua in San Pablo. Das werde aber nicht entsprechend vergütet. "Die Erzeuger fragen uns: Was bringt uns die Zufriedenheit, dass unsere Kunden ein chemiefreies Produkt konsumieren können, wenn wir Hunger leiden?"

Die Bauern könnten es sich nicht leisten, ihren Arbeitern den gesetzlichen Mindestlohn von umgerechnet gut zehn Euro am Tag zu zahlen, sagt Carmelo. Um ihre Fairtrade-Zertifikate nicht zu verlieren, bezahlten sie also nach Menge geernteter Kaffeekirschen statt pro Tag. Das Geld reiche auch nicht mehr, um so oft zu düngen, neu anzupflanzen oder Unkraut zu beseitigen wie zuvor. Darunter werde auf längere Sicht die Qualität leiden, und für die Arbeiter gebe es weniger Jobs. "Weil sie auch sonst in der Umgebung nichts finden, wandern sie aus - in die Städte, nach Mexiko oder dahin, wo alle hin wollen: in die USA", sagt Carmelo.

Die an Bauern gezahlten Preise reichten in vielen Fällen nicht aus, um die Produktionskosten zu decken, heißt es in einem ICO-Bericht vom Mai. Die Existenzgrundlagen von Kleinbauern seien dadurch ernsthaft beeinträchtigt. "Multinationale Kaffeekonzerne zahlen Kaffeebauern zum Teil nur ein Viertel des im Internationalen Kaffeeabkommen von 1983 festgelegten Preises", betont Fernando Morales-de la Cruz, Gründer der Initiative Café for Change. Die Europäische Union sei als größter Kaffee-Importeur der Welt der größte finanzielle Nutznießer des Elends in den Anbauregionen, meint er. Es bleiben harte Zeiten für Kaffee-Anbauer wie Don José.