„Ich wollte, es würde Nacht oder die Preußen kämen.“
Die Schlacht von Waterloo war einer der Wendepunkte in der europäischen Geschichte. Doch menschliche Überreste sind auf dem Schlachtfeld bisher kaum gefunden worden. Bei Ausgrabungen haben Archäologen jetzt weitere Zeugnisse von Napoleons letzter Schlacht entdeckt.
„Ich wollte, es würde Nacht oder die Preußen kämen.“
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Diesen legendären Satz sprach Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington (1769-1852), der als oberster General in der Schlacht von Waterloo die britische Armee befehligte. Er soll ihn in höchster Not gesagt haben, als Kaiser Napoleons Truppen die Abwehrlinien der Briten zu durchbrechen drohte.
Zusammen mit den preußischen Truppen unter Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819) besiegte Wellington den französischen Kaiser am 18. Juni 1815. Die letzte Schlacht Napoleon Bonapartes fand rund 15 Kilometer von Brüssel in der Nähe des Dorfes Waterloo statt, das damals zum Königreich der Vereinigten Niederlande gehörte und heute in Belgien liegt.
Waterloo war einer der Wendepunkte in der europäischen Geschichte. Die Niederlage beendete Napoleons Herrschaft der Hundert Tage und führte mit dessen endgültiger Abdankung am 22. Juni 1815 zum Ende des Französischen Kaiserreichs. Mindestens 20 000 Soldaten starben, Zehntausende weitere wurden in dem Gemetzel schwer verwundet.
Das Erstaunliche ist, dass bis heute nur wenige Tote auf dem ehemaligen Schlachtfeld geborgen worden. Obwohl Zeitzeugen von Massengräbern und zahlreichen Gruben mit den Überresten von Toten auf dem Todesacker von Waterloo berichten, haben Archäologen bis heute erst zwei vollständige Skelette von Soldaten und eine Handvoll Gliedmaßen gefunden.
Seit 2015 führt das Projekt „Waterloo Uncovered“ jährlich Grabungskampagnen in diesem Gebiet durch.
Doch im Sommer hatten Archäologen um Tony Pollard of the University of Glasgow am Gehöft Mont-Saint-Jean durchgeführt, das der britischen Armee unter Wellington damals als Feldlazarett diente.
Dabei kamen weitere grausige Zeugnisse von Napoleons letztem Kampf zu Tage. In einem Graben nahe von Mont-Saint-Jean stießen sie auf zahlreiche Überreste von amputierten Gliedmaßen: Durch eine Barriere aus Munitionskisten getrennt lagen die Gebeine von sieben toten Armeepferden sowie eines Ochsen begraben.
Den Spatenforscher zufolge diente die Grube nach der Schlacht als Massengrab für tote Armeepferde sowie als Bestattungsort für die im Feldlazarett gestorbenen Soldaten und ihrer abgetrennten Gliedmaße. „Ich kenne keine andere Fundstätte, die diese Kombination von Elementen aufweist. Das ist wirklich einzigartig, sowohl für die napoleonische Archäologie als auch darüber hinaus“, erklärt Pollard.
Nördlich der Barriere aus neben- und aufeinander gestapelten Munitionskisten liegen die Skelette des Ochsen sowie von sieben Pferden, die wohl in der Schlacht verendeten. Südlich davon stießen die Archäologen auf die Ansammlung der bei Amputationen abgetrennten Körperteile. Auch das 2022 entdeckte zweite komplette Skelett lag in diesem Grabenteil.
„Diese Anordnung, mit den tierischen Relikten auf einer Seite und allen menschlichen Überresten auf der anderen, legt nahe, dass die Männer dem toten Soldaten ein Mindestmaß an Würde und Respekt gewähren wollten. Trotz der grauenhaften Szenerie, mit der sie beim Ausräumen des Feldlazaretts konfrontiert waren“, erläutert Pollard.
Im Jahr 2022 fanden der belgische Historiker Bernard Wilkin und sein deutscher Kollege Robin Schäfer heraus, dass etwa 20 Jahre nach der Schlacht begonnen worden war, die Gebeine wieder auszugraben, um sie an die boomende Zuckerindustrie Belgiens zu verkaufen.
Der britische Schlachtfeldarchäologe Tony Pollard hatte zuvor noch vermutet, dass die Gebeine für die Gewinnung von Dünger aus Knochenmehl entnommen worden wären. Tatsächlich war es aber die Zuckerfabrikation, in der die begehrte Knochenkohle als Filtermaterial zum Entfärben des Zuckers benötigt wurde.