Wann kam der Krieg in die Welt? Wann war das erste Gemetzel in der Geschichte des Homo sapiens – des weisen Menschen –, in dem sich Menschen gegenseitig abschlachteten, meuchelten, mordeten?
Mord und Totschlag gibt es, seit es Menschen gibt. Doch wann datiert der erste „echte“ Krieg in Europa? Pfeilspitzen-Funde, die im Tal von Tollense in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt wurden, deuten ein großes Gemetzel vor 3000 Jahren hin.
Wann kam der Krieg in die Welt? Wann war das erste Gemetzel in der Geschichte des Homo sapiens – des weisen Menschen –, in dem sich Menschen gegenseitig abschlachteten, meuchelten, mordeten?
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Mord und Totschlag gibt es schon seit es Menschen gibt. Davon zeugen fossile Relikte gewaltsam getöteter Neandertaler oder die Gletschermumie „Ötzi“. Doch das waren Kämpfe zwischen Individuen und noch keine echten Kriege – also länger anhaltende und organisierte Konflikte in größerem Maßstab.
Wenn es zutrifft, was der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz in seinem 1832 posthum erschienenen Hauptwerk „Vom Kriege“ schrieb, dass „Krieg eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist, dann muss es schon in den frühen Gruppen Regelungen gegeben haben, die verbindliche und auf Gewalt und Macht beruhende Entscheidungen beschlossen.
Der Schweizer Ethnologe Jürg Helbling definiert Krieg als „geplante und organisierte bewaffnete Auseinandersetzung zwischen autonomen Gruppen“. Damit sind auch Konflikte aus jenen Zeiten impliziert, als es noch keine organisierten Staaten gab. Also schon in der Jungsteinzeit, lange bevor dort komplexe, hierarchische Gesellschaften entstanden.
Der Grund, warum ausgerechnet vor rund 10.000 Jahren die ersten Werkzeuge zum Töten verwendet wurden, liegt nahe: Vor rund 11.000 Jahren veränderte die Neolithische Revolution zunächst in Afrika und im Nahen Osten die Gesellschaft grundlegend.
Rund drei Jahrtausende später erreichte diese Veränderung der Jäger- und Sammlergesellschaft auch Mitteleuropa. Die Menschen wurden sesshaft und betrieben auf dem Land Ackerbau und Viehhaltung. Sie begannen, Vorräte und Besitz anzuhäufen. Dinge, auf die Konkurrenten neidvoll ein Auge warfen.
Als erste nachgewiesene Schlacht in Europa gilt das Gemetzel im Tal des Flusses Tollense um das Jahr 1250 v. Chr. nahe dem Ort Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern. Dort fanden Spatenforscher insgesamt 12 000 Knochen von 144 Menschen. In Schädeln klafften Löcher wohl von Keulen, in einem der Köpfe steckte noch eine Pfeilspitze.
Die Tollense war in der frühen Bronzezeit eine wichtige Handelsroute. Den Angreifern ging es um ihre Kontrolle oder sie griffen Händler an, raubten sie aus und töteten sie anschließend.
Durch die Analyse von Pfeilspitzen aus der Bronzezeit haben Experten neue Erkenntnisse zum Ablauf der ältesten bekannten Schlacht auf europäischem Boden vor mehr als 3000 Jahren gewonnen.
Die bei Ausgrabungen gefundenen Pfeilspitzen deuteten auf die Anwesenheit von Kämpfern aus einer mehrere hundert Kilometer entfernten Region zwischen Bayern und Tschechien hin, hat die Universität im niedersächsischen Göttingen mitgeteilt. Die Studie ist im Fachjournal „Antiquity“ erschienen.
Das Schlachtfeld an der Tollense bei Neubrandenburg sei damit der „bislang frühesten Beleg für überregionale Kriegsführung in Mitteleuropa“, erklärt Studieninitiator Thomas Terberger von der Universität Göttingen. Die Ergebnisse stützten die These, dass sich an dem Fluss Kämpfer aus dem südlichen Mitteleuropa mit einheimischen Kräften eine Schlacht geliefert hätten.
Vergleiche mit rund 4700 Pfeilspitzen aus ganz Mitteleuropa zeigen: „Einige Pfeilspitzentypen, besonders solche mit Widerhaken, stammen hauptsächlich aus einem Gebiet zwischen dem heutigen Bayern und Mähren in Tschechien“, schreibt Erstautor Leif Inselmann. „Demnach kommt ein Teil der Kämpfer eindeutig aus dem südlichen Mitteleuropa.“
Diese Pfeilspitzentypen kämen nicht in den Gräbern der Region vor, so Inselmann. Dies deute darauf hin, dass „die Pfeilspitzen nicht nur von einheimischen Kämpfern aus dem Süden importiert und selbst verwendet wurden“. „Die neuen Ergebnisse stützen die frühere Annahme, dass im Tollensetal einheimische Kräfte und Kämpfer aus dem Süden aufeinandertrafen.“
Das Schlachtfeld an der Tollense war 2008 eher zufällig entdeckt worden. Forscher fanden dort bislang Gebeine von rund 150 Toten und zahlreiche Waffenreste. Viele der Toten starben nachweislich durch Waffeneinwirkung. Es wird davon ausgegangen, dass dort ein Kampfgeschehen mit hunderten Kämpfenden tobte, möglicherweise an einer Handelsroute. Es ist der bisher älteste Nachweis eines Kriegs in Europa.
Die Entdeckung des Schlachtfelds gilt als überraschend, weil Mitteleuropa im Gegensatz zu Mittelmeerraum während der Bronzezeit traditionell eher als abgelegen und rückständig eingestuft wird. Dort gab es etwa in Ägypten und auf Kreta schon entwickelte Hochkulturen. Für ihre Studie verglichen die Forscher aus Göttingen bronzene Pfeilspitzen mit tausenden Vergleichsexemplaren aus Mitteleuropa (mit AFP-Agenturmaterial).