Flensburg/Kopenhagen - Es ist ruhig an diesem trüben Vormittag an der deutsch-dänischen Grenze nahe Flensburg. Nur wenige Menschen sind an der Flensburger Förde und im angrenzenden Kollunder Wald unterwegs.
Am Wildschweinzaun an der deutsch-dänischen Grenze scheiden sich die Geister. Nach dem Nachweis der Afrikanischen Schweinepest in Polen mehren sich die Sorgen. Sind sie berechtigt?
Flensburg/Kopenhagen - Es ist ruhig an diesem trüben Vormittag an der deutsch-dänischen Grenze nahe Flensburg. Nur wenige Menschen sind an der Flensburger Förde und im angrenzenden Kollunder Wald unterwegs.
Ein älterer Spaziergänger aus dem nahen dänischen Krusau berichtet, häufiger in der Gegend unterwegs zu sein. "Heute wollte ich das hier anschauen", sagt er und weist hinter sich. Hier, wenige Meter neben dem von Spaziergängern, Radfahrern und Joggern genutzten Wanderweg, stehen Arbeiter im Wald. Sie setzen Zaunpfähle in den Waldboden - einige der letzten für Dänemarks umstrittenen Grenzzaun.
Die Dänen bauen den Zaun von der Nord- bis zur Ostsee, er soll ein 70 Kilometer langes und 1,50 Meter hohes Bollwerk zum Schutz der heimischen Schweinezucht vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) werden. Am Montag (2. Dezember) werden am Grenzübergang Sofiedal in der Nähe von Tinglev die letzten Elemente gesetzt - rund zehn Monate nachdem die ersten Pfähle am 28. Januar unter großem Medieninteresse gesetzt wurden.
Für viele in der Region ist der Zaun ein Ärgernis. "Das passt mir gar nicht", sagt der Spaziergänger und ist damit nicht allein. Flensburgs Stadtsprecher Clemens Teschendorf sagt: "Wir wollen den Zaun am liebsten wieder entfernt sehen." Für einen wirksamen Schutz gegen die Schweinepest hält er ihn - wie viele andere - ohnehin nicht.
Zum Unverständnis für den sichtbaren Zaun an der ansonsten nahezu unsichtbaren Grenze haben sich in Deutschland mittlerweile aber auch ernsthafte Sorgen vor der Afrikanischen Schweinepest gesellt. In einer polnischen Region nahe der deutschen Grenze wurde der Erreger kürzlich bei toten Wildschweinen nachgewiesen. Mittlerweile gibt es dort etwa zwei Dutzend ASP-Fälle - in Deutschland bisher noch keinen.
In allen deutschen Bundesländern gelte erhöhte Wachsamkeit, insbesondere aber in den an Polen grenzenden, sagt eine Sprecherin des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums. Auch der Deutsche Jagdverband (DJV) rief zu höchster Wachsamkeit auf. "Es ist extrem wichtig, dass Landwirte, Forstwirte, Jäger und Spaziergänger verdächtige Kadaver sowie Tiere mit Blut an Haut oder Schnauze sofort melden", betonte DJV-Sprecher Torsten Reinwald kürzlich. "Wir wissen nicht, wo das Virus in Deutschland zuschlagen wird", sagt er. "Es ist aber keine Frage des Ob, sondern nur noch eine des Wann."
Ausgerechnet in Dänemark war man bei der Überprüfung zuletzt inkonsequent: Auf der Insel Ærø knapp 50 Kilometer östlich von Flensburg wurden Ende Oktober innerhalb weniger Tage sieben tote Wildschweine angespült - normalerweise sind es nur ein oder zwei pro Jahr. Die Behörden vermuteten, dass sie aus Deutschland oder Polen stammten. Auf Afrikanische Schweinepest wurden sie aber nicht getestet. Ein Fund der Schweinepest auf dänischem Boden würde einen sofortigen Exportstopp für dänische Schweineprodukte in Nicht-EU-Länder bedeuten - und die Ausfuhren haben einen Wert von rund elf Milliarden dänischen Kronen (rund 1,5 Milliarden Euro) pro Jahr.
Warum aber ein Zaun, wenn schon angeschwemmte Wildschweine in Dänemark nicht getestet werden? "Das ist vollkommen unverständlich. Man fängt damit an, einen Wildschweinzaun zu bauen, der keinen Effekt gegen Wildschweine hat, sondern schädlich für die Natur ist", sagte die Leiterin der Naturschutzorganisation Danmarks Naturfredningsforening, Maria Reumert Gjerding, nach Angaben der dänischen Nachrichtenagentur Ritzua nach den Ærø-Funden. "Wenn Wildschweine dann nach Dänemark kommen, werden sie nicht getestet, weil man nicht wissen will, was sie möglicherweise bei sich tragen. Das ist relativ absurd."
Ähnlich sieht es die Aktivistengruppe "Wildschweinzaun der Liebe", die den Zaun mit Häkelblumen und anderem schmückt. Die Logik hinter dem Verzicht auf Tests sei nicht nachvollziehbar, schrieb die Gruppe auf Instagram. "Sorry Dänemark, aber dann reißt bitte auch diesen furchtbaren Zaun ab!"
Paradoxerweise profitiert die dänische Schweinezucht derzeit von der Afrikanischen Schweinepest: Weil diese auch in China ausgebrochen ist, steigen die Preise für Schweinefleisch - und damit Nachfrage und Einnahmen bei den dänischen Produzenten. Gleichzeitig warnte das Online-Medium "Finans" nach den Funden in Polen, eine Übertragung nach Dänemark würde einen Milliarden-Kronen-Verlust verursachen. "Der ultimative Alptraum der dänischen Landwirtschaft nähert sich jetzt mit alarmierendem Tempo", hieß es nahezu apokalyptisch.
Das Virus stellt nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes für Menschen und andere Tiere keine Gefahr dar. Für die meisten Schweine ist der Krankheitsverlauf aber tödlich. Und der Erreger hält sich lange: in Salami 30, in Parmaschinken sogar 399 Tage. In eingefrorenem Fleisch könne er gar bis zu sechs Jahre bestehen, so der Verband.
Das für Deutschland zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald betrachtet die Gefahr einer Einschleppung der Seuche weiter als hoch. Experten sind sich dabei einig: Nicht die Wildschweine sind das Hauptproblem, sondern der Mensch. Über weggeworfene Brote mit Wurst aus dem Fleisch infizierter Tiere sowie den Schlamm in Radkästen von Autos oder in Schuhprofilen kann das Virus in zuvor nicht betroffene Gegenden eingeschleppt werden.
Nach FLI-Angaben würde sich die Afrikanische Schweinepest pro Jahr nur 15 bis 20 Kilometer weiterbewegen, wenn sie nur von Wildschwein zu Wildschwein übertragen würde. Der DJV sagt klar: "Verantwortlich für die schnelle Verbreitung der Tierkrankheit über Hunderte von Kilometern ist der Mensch."