Schwarzenbach/Saale Berührende Lieder mit entsetzlichem Hintergrund

Eindringlich sind Lieder und Texte beim Schwarzenbacher Gedenkgottesdienst für die Opfer des Nationalsozialismus.

 
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Der Plauener Liedermacher Jens Bühring im Gedenkgottesdienst in der Schwarzenbacher Sankt-Gumbertus-Kirche. Foto: Pr.

Der 27. Januar ist seit vielen Jahren der vom ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog initiierte Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. In Schwarzenbach an der Saale organisiert alljährlich der Verein gegen das Vergessen mit der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde, der VVN-BdA, der Initiative gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit und der Geschwister-Scholl-Mittelschule einen Gedenkgottesdienst. Heuer ist es 80 Jahre her, dass das große Vernichtungskonzentrationslager Auschwitz von der Roten Armee befreit wurde. Tausende Überlebende mussten mit dem Chaos des Weiterlebens zurecht kommen.

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Der Gottesdienst in der gut gefüllten Sankt-Gumbertus-Kirche begann mit dem Glockenläuten und zwei Minuten Stille. Roland Marx las den Text „Wir beginnen mit Schweigen“: Schweigen gegenüber dem Leid, von dem man erfährt, gegenüber den Verbrechen, die offenkundig werden. Das Schweigen der Bevölkerung während der Nazizeit und danach ist immer noch sprichwörtlich. Zu vielen der Gräueltaten fehlen uns heute immer noch die Worte.

Niemand war sicher

Pfarrerin Annett Treuner begrüßte die Gottesdienstbesucher; alle Texte und Beiträge befassten sich mit den Opfergruppen, die betroffen waren von den Gräueltaten der Nazis: Mütter und Kinder, Schüler, Lehrer, Schwule und Lesben, Roma und Sinti, Menschen mit Behinderung und Kriegsverletzungen, Alte und Junge. Niemand war sicher.

Der Plauener Liedermacher Jens Bühring erklärte eindringlich die Herkunft und die Gründe der Entstehung der Lieder, die er vortrug. Das bekannteste Lied aus den Konzentrationslagern, das Lied „Wir sind die Moorsoldaten“, klingt anklagend, resignierend und doch voller Hoffnung. Zum Teil wurden die Lieder unter dem Druck der Nazischergen komponiert. „Wiegala, Wiegala“ von Ilse Weber hat einen ganz anderen Hintergrund: Sie sang das Lied, als sie sich bereits mit Kindern in der Gaskammer befand – die Geschichte dazu kann sich kaum mehr jemand vorstellen: Ilse Weber traf vor der Gaskammer einen Freund ihres Sohnes, der dem Sonderkommando angehörte; diese Männer mussten die Gaskammern räumen und die Leichen verbrennen. Er konnte ihr noch sagen, wie der Tod am schnellsten eintritt.

Drei Konfirmanden trugen die Fürbitten vor: „Vieles auf der Welt macht uns traurig oder erfüllt uns mit Angst.“ So begann jede Bitte. „Wir bitten für alle, die von Krieg und Verfolgung bedroht werden oder auf der Flucht sind. Wir bitten für die vielen Kinder, Frauen und Männer, die ohne jede Sicherheit leben müssen und vor Willkürentscheidungen der Mächtigen nicht geschützt sind. Lass diejenigen, die sich für die Menschenrechte anderer einsetzen, immer wieder Wege finden, den Bedrängten zu helfen. Wir bitten dich für die Mächtigen dieser Welt, dass nicht Macht- und Profitgier ihre Entscheidungen bestimmen.“ Dieter Jung segnete die Gottesdienstbesucher zum Abschied.

Orgelmusik

Nach dem gemeinsamen Lied „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt“ ertönte von der Orgel Musik des jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy; erst leise, dann immer kraftvoller füllte die Musik den Kirchenraum. Erstmals war Christine Findeis-Dorn an der Orgel in der Sankt-Gumbertus-Kirche zu hören.