Selb „Fremdes Volk“: Reichlich Charme und hohe Spielfreude

Silke Meier

Wie viel Unterhaltungswert das Selb der 1920er-Jahre, das Rainer König in seinem neuesten Roman beschreibt, hat, zeigen jüngst Szenen am Jungbrunnen.

 
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Allesamt „schäine Boum“ hat Autor Rainer König ausgewählt, um unter dem Kastanienrund am Jungbrunnen Szenen aus seinem neuesten Kriminalroman „Fremdes Volk“ anzuspielen. Carsten Hentschel, Stefan Pitterling, Abdul Ammada, Volker Seitz und, die einzige Dame, Noelia Breen, bringen reichlich Charme und hohe Spielfreude in die Selber Kleinkunstszene.

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Die Akteure wachsen mit dem Stück und ihren Aufgaben. Für die Gesangseinlage von Volker Seitz, die Seligpreisungen, klatscht das Publikum kräftig. Freilich, auf der Bank unter dem Baum sammeln sich im Laufe des Abends die Requisiten, die Garderobe der wandlungsfähigen Protagonisten und – wie es sich für eine amouröse Gaunerkomödie aus den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ziemt – auch die Getränke.

Affinität für das berüchtigte Edion

Nicht verhehlen kann König seine gründliche Recherche und seine Affinität für das berüchtigte Edion, ein verruchtes Etablissement nahe der Grenze. Das fremde Volk aus der Neuauflage der Heimat-Krimi-Serie gastiert auf dem Goldberg. Auch der Haidteich ist Schauplatz einer zunehmend verlotternden Gesellschaft. „Fremdes Volk“ spielt in einer Zeit, als der Glanz der Roaring Twenties zu verblassen begann. Herrlich spielt Noelia Breen die Wahrsagerin im Theater der Zugvögel, gemeinsam mit dem schwarzen Wilhelm, Abdul Ammada. Redakteur Rüter vom Selber Tagblatt (Stefan Pitterling) nimmt die Wanderbühne genauestens unter die Lupe. Der Klerus erhebt Einwände gegen Aufführungen im katholischen Jugendheim. Der Staatsanwalt ermittelt. Die Diagnose eines Arztes überrascht und der Redakteur bleibt dran. Von der Ferne blitzt zudem der braune Spuk der Nationalsozialisten auf. Professor von der Heide, Künstler, schmierig und arrogant, ist Protagonist einer Partei, die am politisch rechten Rand erstarkt. Autor Rainer König, der als Erzähler auftritt und liest, tut gut daran, gemeinsam mit Tochter Birgit den damaligen Zeitgeist einzufangen.

Lebenslust und Verstrickungen

Im Krimi schwingen Lebenslust und allzu Menschliches, aber auch Verstrickungen und Zwänge und fern am Horizont, noch schwach aber schon da, das Aufkommen der Nationalsozialisten. „Fremdes Volk“ ist ein exzellent gewählter Titel für einen spannenden, originellen, historischen und heimattreuen Roman.