Selb unter Tage Alles im Fluss am Goetheplatz

Eine alter, eingebrochener Kanat verzögert die Baustelle vor dem Selber Bahnhof. Jetzt sind die gröbsten Arbeiten erledigt. Der Straßenbau kann weitergehen, sobald wichtige Betonteile eintreffen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Schon seit Ende vergangenen Jahres hätte der Verkehr über den neugestalteten Goetheplatz in Selb fließen sollen. Eine uralte Wasserleitung aber machte alle Zeit- und Kostenpläne zunichte. Für manchen Beobachter schien es seitdem, als stünde die Baustelle vor dem Bahnhof still. „Doch wir haben mit Hochdruck durchgehend gearbeitet“, stellt der Selber Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch klar. „Die wesentlichen Aufgaben, die das Wasser betreffen, sind erledigt.“

Nach der Werbung weiterlesen

Das erklärte Ziel des Oberbürgermeisters: Den Straßenbau vor dem Bahnhofsgebäude baldmöglichst abzuschließen. „Wir wollen so schnell wie möglich Verkehr auf die Straße bringen“, sagt Ulrich Pötzsch. Wann das sein wird, die Frage kann der Selber Rathauschef beim besten Willen nicht beantworten. „Es gibt noch viele offene Fragen“, macht er bei einem Ortstermin auf der Baustelle klar.

Neue Leitung im Berstlining-Verfahren

Wie berichtet, waren Mitte Juni vergangenen Jahres Arbeiter beim Straßenbau in der Bahnhofstraße auf einen seit Langem in Vergessenheit geratenen Stollen gestoßen. Der Kanat, so erklärt Pötzsch, transportierte in einem Betonrohr Quellwasser aus einer Brunnenstube unter dem Bahnhofsgebäude Richtung Innenstadt. Da die Betonleitung an vielen Stellen nicht mehr intakt war, wurde der Untergrund ausgespült. „Das haben wir allerdings erst während des Straßenbaus entdeckt“, sagt Pötzsch. Mithilfe eines Ingenieurbüros und einer Bergbaufirma, Schachtbau Nordhausen, machte sich die Stadt Selb an eine temporäre Sanierung, Fachleute sprechen von einer Aufwältigung, des Stollens rund elf Meter unter der Erdoberfläche.

„Das Material“, erklärt Maximilian Seidel, Tiefbauingenieur vom Bauamt der Stadt Selb, „musste händisch abgetragen werden.“ Danach wurden die Wände des begehbaren Kanat-Teils mit Spritzbeton ausgekleidet. „Diesen Teil haben wir nur für den kurzzeitigen Zugang ausgebaut. Er wird später wieder verfüllt“, sagt Seidel. Das betrifft etwa 35 Meter des Stollens ab der Quelle unter dem Bahnhofsgebäude. Danach taten sich weitere Herausforderungen auf. Der Stollen war nicht mehr begehbar, außerdem stießen die Arbeiter auf einen tief in der Erde gelegenen Absetzkasten – dessen Funktion darin bestand, das Quellwasser von Sedimenten zu befreien. „Um den Wasserkasten auszubauen, mussten wir wieder eine acht Meter tiefe Grube öffnen“, sagt Ulrich Pötzsch. Dadurch allerdings waren die Fachleute in der Lage, im Berstlining-Verfahren eine neue Leitung in das alte Betonrohr Richtung Bahnhof einzuziehen. „Im unteren Bereich fließt das Wasser in der alten, aber wesentlich intakteren Gussleitung weiter“, sagt Maximilian Seidel.

Wasser fließt weiter

Und das Wasser soll auch in Zukunft fließen. Immerhin ist die Quelle der Öffentlichkeit gewidmet, also muss die Stadt dafür Sorge tragen, dass das Wasser weiterhin seinen Weg zu den Abnehmern findet – auch wenn derzeit nur einer bekannt ist: das Hotel Schmidt in der Bahnhofstraße. „Früher lagen hier viele Gehöfte, deren Brunnen von der Quelle gespeist wurden, wie wohl auch Brunnen in der Marienstraße“, erklärt der Oberbürgermeister.

Während das Quellwasser vom Bahnhof in Richtung Marienplatz fließt, stehen Autofahrer noch eine Weile vor einer Baustelle. Wie lange die andauern wird, ist die große Frage. Denn bis der Verkehr wieder fließen kann, sind noch einige Arbeiten im Erdreich nötig. Unter der Bahnhofstraße wurden nämlich einige Hohlräume lokalisiert, die erst verpresst werden müssen, um einen festen Untergrund für den Straßenbau zu bekommen. „Wir erwarten das Ergebnis der Sondierungen in den nächsten Tagen“, sagt Pötzsch. „Sobald der Stollen entschärft ist, bauen wir die Straße weiter.“ Zudem muss die Stadt Kontrollschächte anlegen, um in Zukunft Zugang zur Quellwasserleitung zu haben. „Die Schachtbauwerke aus Beton sind bestellt, wir wissen nur nicht, wann wir sie bekommen“, sagt Ulrich Pötzsch.

Verteuerung nicht absehbar

Ein großes Dankeschön spricht der Selber Oberbürgermeister allen beteiligten Firmen aus, die, abgesehen von den Weihnachtsfeiertagen, durchgehend am Goetheplatz gearbeitet hätten. Auch der Stadtrat habe sich, da schnelle Entscheidungen notwendig waren, sehr flexibel gezeigt.

Wie sehr die unter Tage aufgetretenen Überraschungen den Goetheplatz nun verteuern, kann der Oberbürgermeister derzeit noch nicht beziffern. „Wir wissen ja nicht, was noch auf uns zukommt“, sagt Pötzsch. „Aber es werden mehr als die ursprünglich kalkulierten Baukosten von 1,1 Million Euro werden.“ Wobei darin auch Baufelderweiterungen wie Fahrbahn und Gehweg in der Friedrich-Ebert-Straße oder der Gehweg in der Geschwister-Scholl-Straße noch nicht einkalkuliert waren.