Als sein Großvater 1936 zunächst mit der Herstellung von Bonbons und später auch von Ratluk begann, habe es in Belgrad 120 Zuckerbäcker gegeben, erzählt der 49-Jährige. Heute ist sein vierköpfiger Familienbetrieb der letzte traditionelle Ratluk-Confiseur in der Hauptstadt – „und vermutlich in ganz Serbien“.
Traditionelle Mokka-Hochburg Sarajevo
Für den Schwund seiner Zunft nennt der Zuckerbäcker außer der industriellen Konkurrenz mehrere Gründe. Zum einen hätten die sozialistischen Machthaber im früheren Jugoslawien selbstständige Handwerker eher misstrauisch beäugt und für „verdorbene Kapitalisten“ gehalten: „Viele Werkstätten und Maschinen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt oder zerstört, um die Leute in die Staatsfirmen zu zwingen“, sagt er. Zum anderen habe sich der Markt verändert und seien die traditionellen Wirtshäuser der sogenannten Kafanas auf dem Rückzug.
In den neuen Cafés würden in Serbien oft nur „neue“ Kaffeesorten wie Espresso, Cappuccino oder Nescafe ausgeschenkt statt des traditionell mit einem Würfel Ratluk kredenzten türkischen Kaffees, bedauert Bosiljcic. Ganz anders sei die Lage in Bosniens Mokka-Hochburg Sarajevo: „Dort wird meist noch immer frisch aufgebrühter Kaffee mit Ratluk serviert.“
Ein weiteres „Traditionsproblem“ sei für kleinere Familienbetriebe zudem die Nachfolgefrage: „Manche Zuckerbäcker haben auch aufgegeben, weil sie keinen Sohn hatten, der den Betrieb übernehmen konnte oder wollte.“ Dabei könnten Frauen genauso gut Ratluk kochen wie Männer, sagt der Vater drei Töchter – und lacht: „Mich plagen keine Nachfolgerprobleme. Wenn manche Kollegen eher auf ihren Verstand statt auf die Tradition gehört hätten, gebe es in Belgrad sicher heute noch zwei, drei Betriebe mehr, die Ratluk fertigen.“