Eine Möglichkeit, sich in Empathie zu üben, sei der Versuch, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen, so die Forscher. In drei Studien haben sie insgesamt 408 Teilnehmer, 213 israelische Frauen und 195 israelische Männer im Alter von 20 bis 47 Jahren, nach dem Zufallsprinzip angewiesen, entweder die Perspektive ihres Partners einzunehmen oder nicht. Die Teilnehmer befanden sich durchweg in monogamen, gemischtgeschlechtlichen Beziehungen von mindestens vier Monaten Dauer.
Wer sich überlegt, wie verletzt der Partner sein könnte, schreckt eher zurück
Im Rahmen der Experimente bewerteten die Teilnehmer attraktive Fremde, begegneten ihnen oder dachten an sie, während die Psychologen ihre Interessenbekundungen an diesen Fremden sowie ihr Engagement für und ihr Verlangen nach ihren derzeitigen Partnern aufzeichneten. Die Psychologen fanden heraus, dass die Übernahme der Perspektive des Partners die Bindung und das Verlangen nach dem Partner erhöht hatte, während gleichzeitig das sexuelle und romantische Interesse an anderen potenziellen Partnern eher abnahm.
Wer sich also mehr damit auseinandersetzt, wie verletzend ein Betrug für den eigenen Partner sein könnte, der schreckt eher doch davor zurück. „Die Perspektivenübernahme mindert an sich den Wunsch, fremdzugehen“, sagt Harry Reis. Letztlich bedeute Fremdgehen, „dass man seine eigenen Ziele über das Wohl des Partners und der Beziehung stellt, und wenn man die Dinge aus der Perspektive der anderen Person betrachtet, erhält man einen ausgewogeneren Blick auf diese Situationen“.
Wer betrogen wurde, den stört häufig weniger, dass der Partner vielleicht mit einer anderen Person Sex hatte, sondern dass der gemeinsame Treueschwur gebrochen wurde – der Verrat trifft uns oft sehr viel tiefer. Laut der Psychologin Birnbaum können die Ergebnisse der Studie den Menschen dabei helfen, zu verstehen, wie sie kurzfristigen Versuchungen widerstehen können und so den Partner überhaupt gar nicht erst verletzen. „Aktives Nachdenken darüber, wie Liebespartner von diesen Situationen betroffen sein könnten, dient als Strategie, die Menschen dazu ermutigt, ihre Reaktionen auf attraktive alternative Partner zu kontrollieren und ihre Attraktivität zu vermindern.“
Zudem habe es einen weiteren Effekt: Neben der Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Untreue motiviert die Perspektivübernahme des Partners Menschen dazu, Mitgefühl für die Gefühle ihrer Partner zu haben. „Das ist eine der Fähigkeiten, die den Menschen helfen können, das ‚Wir‘ in einer Beziehung zu sehen – und nicht nur das ‚Ich und Du‘“, sagt Reis.
Forschung zu Sexualität und Fremdgehen
Forschung
Die gesamte Studie findet sich unter https://www.researchgate.net/publication/365969013_Put_Me_in_Your_Shoes_Does_Perspective-Taking_Inoculate_Against_the_Appeal_of_Alternative_Partners.
Person
Die Professorin Gurit Birnbaum untersucht seit Jahren, warum Sex für Menschen ein Problem darstellen kann, wie Sex in etwas Größeres als das Alltägliche verwandelt werden könnte und warum Menschen Sex oft so wahnsinnig kompliziert machen. (nay)