Sonneneruptionen Die Sonne als Sicherheitsrisiko

Markus Brauer/

Auf der Oberfläche der Sonne brodelt es wieder ganz gewaltig. Das könnten auch wir Menschen auf der Erde zu spüren bekommen. Wissenschaftler haben zuletzt mehrfach starke Eruptionen auf der Sonne und Sonnenstürme gemessen. Können Sonnenstürme zu einer ernsthaften Gefahr für die Menschheit werden?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Illustration eines Sonnensturms: Ereignisse an der Sonne können die Bedingungen im erdnahen Raum und auf der Erde massiv verändern. Foto: Nasa

Seit Dezember 2019 nimmt die Aktivität der Sonne wieder zu. Etwa alle elf Jahre, in einem sogenannten Sonnenzyklus, gibt es Phasen mit schwacher und mit starker Aktivität. Aktuell nähert sich die Sonne einem Maximum. Die Folgen einer starken Sonneneruption könnten auch die Erde treffen. Solche Eruptionen könnten unter anderem Kommunikationswellen, Stromnetze und Navigationssignale stören und stellten auch ein Risiko für Raumschiffe und Astronauten dar, heißt es. 

Nach der Werbung weiterlesen

Einer der drei stärksten je gemessenen Sonnenstürme

Ein von vielen historischen Quellen erwähnter Sonnensturm im Februar 1872 war einer neuen Analyse zufolge deutlich heftiger als bisher angenommen. Darauf lasse die Auswertung hunderter Berichte schließen, schreibt ein Forschungsteam im „Astrophysical Journal“.

Solche für die moderne technische Gesellschaft gefährlichen Ereignisse könnten demnach häufiger vorkommen als bislang vermutet.

 

Verteilung der Polarlicht-Sichtungen im Februar 1872. Foto: © Hayakawa et al. (2023)

Bis fast zum Äquator waren im Februar 1872 Polarlichter sichtbar, in Europa und Asien fielen Telegrafie-Verbindungen aus. Der Sonnensturm zähle zu den drei stärksten bislang erfassten, erklärt das Team um Hisashi Hayakawa vom Rutherford Appleton Laboratory im britischen Didcot. Die beiden anderen sind das „Carrington-Ereignis“ vom September 1859 und der „New York Railroad Storm“ vom Mai 1921.

Beide Male kam es ebenfalls zu Ausfällen von Telegrafie-Verbindungen sowie zu Bränden durch elektrischen Funkenschlag. 1921 fiel die gesamte Signal- und Schaltanlage der New York Central Railroad aus – daher auch der Name.

„Wir wissen nun, dass es innerhalb von nur 60 Jahren gleich drei extreme Sonnenstürme gab“, erklärt Hayakawa. „Die Bedrohung durch solche Ereignisse für unsere moderne Gesellschaft ist also nicht zu unterschätzen.“

Koronaler Massenauswurf

Die Sonne bildet den Mittelpunkt unseres Sonnensystems. Der aus Gasen bestehende ultraheiße Stern liefert Licht und Wärme, ohne die kein Leben auf der Erde möglich wäre. Foto: Nasa/Goddard Space Flight Center
Ständig speit die Sonne Strahlung und geladene Teilchen in den Weltraum aus – den sogenannten Sonnenwind. Wenn dieser Strahlenstrom für kurze Zeit und in einem begrenzten Gebiet sich massiv verstärkt, spricht man von einer Sonneneruption. Foto: Nasa/SDO/AIA/HMI/Goddard Space Flight Center

Beim Sonnensturm spricht man auch von einem koronalen Massenauswurf (CME: Coronal mass ejection), bei dem Plasma ausgestoßen wird. Werden die Auswirkungen in großer Entfernung zur Sonne untersucht, so spricht man auch von interplanetarem koronalem Massenauswurf (ICME: Interplenatary coronal mass ejection).

Was verursacht einen Sonnensturm?

Auslöser von Sonnenstürmen sind schlagartige Änderungen im Magnetfeld unseres Zentralgestirns. Da die Sonne sich am Äquator deutlich schneller dreht als an ihren Polen, verdrillt sich ihr Magnetfeld in einem elfjährigen Rhythmus. Es bilden sich eine Art magnetischer Schläuche, die an die Oberfläche durchbrechen können und dort kühle Zonen – die dunklen Sonnenflecken – erzeugen.

Treffen außerhalb der Sonne Magnetfeld-Schläuche aufeinander, kann es zu einer Art Kurzschluss kommen: Die Feldlinien ordnen sich schlagartig neu und setzen dabei große Mengen an Energie frei. Die Folge: ein sogenannter koronaler Massenauswurf. Dabei wird elektrisch geladene Materie aus der heißen Sonnenatmosphäre – der Korona – mit hoher Geschwindigkeit ins All hinausgeschleudert.

Von Sonnenstürmen zu Polarlichtern

Das bei einer Sonneneruption herausgeschleuderte Plasma besteht aus elektrisch geladenen Atomen und Molekülen (Ionen) . . . Foto: Nasa 
. . . und negativ geladenen Elementarteilchen (Elektronen). Foto: Nasa Goddard Space Flight Center

Trifft ein solcher Massenauswurf auf das Magnetfeld der Erde, führt das einerseits zu wunderschönen Polarlichtern, könnte andererseits aber auch verheerende Folgen für unsere inzwischen weit höher entwickelte technische Zivilisation haben.

So kann die empfindliche Elektronik von Satelliten gestört oder auch beschädigt werden. Stark schwankende Magnetfelder beeinflussen zudem elektrische Leitungsnetze und können zu Überlastungen von Transformatoren führen und großflächige Stromausfälle auslösen.

Berichte belegen Folgen des Ereignisses von 1872

Strahlung und die Teilchen, die bei einer Sonneneruption entstehen, rasen durchs Weltall und können auch die Erde treffen. Foto: Nasa
Unser Planet ist durch seine Atmosphäre und sein Magnetfeld vor Sonnenstürmen weitgehend geschützt. In großen Höhen und in den Polargebieten, wo die Feldlinien des Magnetfeldes stärker gegen die Erdoberfläche geneigt sind, ist dieser Schutz allerdings schwächer. Foto: Nasa 

Forschungen seit Bereits 2018 hatte Hayakawa vermutet, der Sonnensturm im Februar 1872 könnte von ähnlichem Kaliber wie „Carrington-Ereignis“ und „New York Railroad Storm“ gewesen sein. Die Datenlage zu diesem Ereignis war dünn und seine Überlegungen fanden zunächst wenig Widerhall in der Fachwelt.

Doch Hayakawa war hartnäckig: Er knüpfte Verbindungen zu Forschenden in aller Welt und begann mit ihrer Hilfe, alte Aufzeichnungen und Archive nach Informationen zu diesem Ereignis zu durchforsten. Mit Erfolg.

Über 700 Berichte belegen der Auswertung zufolge, dass im Februar 1872 Polarlichter bis fast zum Äquator hin sichtbar waren. Telegrafie-Verbindungen waren nicht nur im Norden, sondern auch zwischen Indien und dem Jemen sowie zwischen Ägypten und Sudan gestört. Mithilfe von in Archiven schlummernden Messungen des irdischen Magnetfelds ließen sich dessen Änderungen während des Sonnensturms rekonstruieren.

1859, 1872,1921

Je nach der Stärke der Sonnenstürme können Satelliten in der Erdumlaufbahn gestört werden. Foto: Nasa 
Das kann zum Ausfall von Kommunikations- oder Navigationssystemen führen. Foto: Nasa 

Das alles zeige, dass im Februar 1872 ein extrem starker Sonnsturm stattfand, so Hayakawa. „Er war von gleicher Stärke wie jene von 1859 und 1921.“ Den Forschern gelang es sogar, die Quelle des Sonnensturms aufzuspüren: Aufzeichnungen von Astronomen in Belgien und Italien zeigen eine Gruppe dunkler Flecken in der Mitte der Sonnenscheibe.

Und das war eine Überraschung, denn die Fleckengruppe war nicht allzu groß. „Selbst extreme Sonnenstürme können also bereits durch Fleckengruppen mittlerer Größe ausgelöst werden“, schließen die Forscher.

Sonne derzeit sehr aktiv

Die Teilchen können die Sensoren der Satelliten blenden. Zum anderen können sie Schäden in elektronischen Bauteilen des Bordcomputers verursachen, so dass die Software kollabiert. Foto: Nasa
Auch die Solarzellen, die Satelliten mit Strom versorgen, können durch die hohe elektromagnetische Strahlung geschädigt werden und einen Teil ihrer Leistung einbüßen. Foto: Nasa 
Dem GPS machen Sonnenstürme ebenfalls zu schaffen. Besonders in höheren Breiten bewirken Sonnenstürme, dass die Erdatmosphäre in 100 bis 150 Kilometern Höhe stärker als sonst aufgeladen wird. Foto: Nasa 

Die Zahl der Sonnenflecken ist nach Daten der US-Atmosphärenbehörde NOAA derzeit so hoch wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Bis ans Mittelmeer waren unlängst Polarlichter zu sehen. Und das nächste Maximum der Sonnenaktivität mit besonders vielen Flecken und Ausbrüchen ist derzeit noch nicht erreicht.

Da die Häufigkeit der Sonnenflecken mit der Sonnenaktivität zusammenhängt, entstehen dann auch viele Sonnenstürme. Und die können je nach Richtung auch für die Erde brisant werden. In den nächsten Jahren wird es wahrscheinlich zu mehr Sonnenstürmen kommen.

Die moderne Gesellschaft hängt immer stärker von der technischen Infrastruktur ab – von Stromversorgung, von Kommunikationsnetzen, Satelliten-Navigation. Diese Infrastruktur ist anfällig für Störungen durch Sonnenstürme und könnte tagelang ausfallen. „Können wir unser Leben ohne diese Infrastruktur aufrechterhalten?“, fragt Hayakawa. „Es wäre jedenfalls eine extreme Herausforderung.“

Info: Was ist ein Sonnensturm?

  • Strahlung Von dem gigantischen Gasball im Weltall geht permanent Strahlung aus. Die mit den Sonnflecken verbundenen starken Magnetfelder können große Wolken heißen Gases aus den Außenschichten der Sonne ins All schleudern. Diese Gaswolken sind elektrisch geladen und stören daher das terrestrische Magnetfeld, wenn sie die Erde kreuzen.
  • Chromosphäre Ist eine solche Strahlung innerhalb der Gasschicht der Sonne – der sogenannten Chromosphäre – besonders stark, kann sie auf der Erde erheblichen Schaden anrichten. Wenn diese sogenannten Sonnenwinde zudem kurzzeitig besonders intensiv sind und die Eruption – auch koronaler Masseauswurf genannt – lokal deutlich stärker ist, spricht man von einem Sonnensturm.
  • Sonnenzyklus Die Sonnenflecken treten in einem etwa elfjährigen Zyklus vermehrt auf. Aktuell befindet sich die Sonne im Solarzyklus 25 und nach Daten der NOAA hat die Zahl der Sonnenflecken bereits das Maximum des vorhergehenden übertroffen. „Allerdings muss auch betont werden, dass Zyklus 24 ein extrem schwacher Zyklus war“, erklärt Sami Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). Die Zahl der Sonnenflecken liege über alle Solarzyklen hinweg gesehen derzeit in einem mittleren Bereich.
  • Magnetfeld Eine höhere Zahl von Sonnenflecken ist laut Solanki ein Zeichen dafür, dass das Magnetfeld der Sonne stärker und sie selbst aktiver ist. Es gebe dann mehr Massenauswürfe, bei denen ein Teil der Atmosphäre der Sonne einfach rausgeschleudert werde in den interplanetaren Raum, so der Forscher.
  • Entstehung Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärt die Entstehung von Sonnenflecken so: Permanent wirbelt heiße Materie aus dem Inneren der Sonne an die Oberfläche. Dieser Vorgang kann durch lokale Verstärkungen des Magnetfelds der Sonne behindert werden. Die Folge: Es entstehen etwas kältere Stellen auf der Sonnenoberfläche, die als Sonnenflecken sichtbar werden.
  • Stärke Ein Sonnenfleck besteht aus einem sehr starken Magnetfeld. Das ist mehrere Tausendmal so stark wie das Magnetfeld der Erde“, erläutert Solanki. „Das heißt, es kommt dort sehr viel weniger Energie an die Oberfläche und es kann auch viel weniger abgestrahlt werden. Und deshalb erscheinen die Flecken dunkel.“
  • Eruption Je mehr Sonnenflecken Experten entdecken, desto wahrscheinlicher sind Sonneneruptionen. Der europäischen Raumfahrtbehörde Esa zufolge können dabei hochenergetische Teilchen in einer Dimension von mehreren Zehnmilliarden Tonnen ins All geschleudert werden. Sie können innerhalb von Stunden auch zur rund 150 Millionen Kilometer entfernten Erde gelangen. Der Schutzschild der Erde, die Magnetosphäre, „wird dabei wie eine Seifenblase auseinandergezogen und kann sozusagen reißen“. Die Teilchen können dann in das Magnetfeld eintreten.
  • Folgen Dies könne zu „wunderschönen Sachen wie Polarlichtern“» führen, aber auch zu Satellitenschäden, betont Solanki. Auch der Zusammenbruch eines Stromnetzes sei möglich. „Das ist schon passiert, meistens in etwas höheren Breiten. Aber wir haben die letzten 150 Jahre keinen so richtig großen Sonnensturm gehabt. Es kann also noch schlimmer kommen.“