Unplanmäßiger Vorfall in Demophase
Ganz nach Plan verlief bei dem Jungfernflug aber nicht alles. Nach der erfolgreichen Startphase folgte eine technische Demonstrationsphase. In dieser zündete ein Hilfsantrieb in der Oberstufe zwar zunächst, stoppte dann aber, wie der Chef des Raketenbauers ArianeGroup, Martin Sion, erklärte. Warum, wisse man noch nicht.
Sion sagte zu dem Vorfall: «Das ist bedauerlich, aber das ist auch der Grund, weshalb wir eine technische Demonstration vornehmen, weil es Dinge gibt, die wir nicht am Boden testen können.» Mit der Testphase am Ende des Erstflugs habe man so viele Informationen wie möglich sammeln wollen. Man habe schauen wollen, wie sich die Oberstufe der Rakete in sogenannter Mikrogravitation verhält, einem Zustand, in dem die Gravitationskraft nicht oder extrem schwach wirkt.
«Es muss nicht alles bis zum Letzten klappen»
Ein Problem sieht die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Anna Christmann, in dem Vorfall ebenfalls nicht. «Ich finde, das zeichnet ja solche Technologien wie Raumfahrt auch aus, dass man genau solche Dinge auch ausprobieren muss», sagte Christmann. «Und man sieht, es muss nicht immer alles bis zum Letzten klappen, aber daraus lernt man und daraus wird die Ariane 6 in den nächsten Malen sicher noch besser werden.» Insgesamt findet sie: «Der Startablauf lief eigentlich wie geschmiert.»
Oberstufe bleibt nach Vorfall im All
Vorgesehen war, dass die Rakete bei ihrem Jungfernflug 17 Nutzlasten ins All bringt. Nach gut sieben Minuten wurde die Oberstufe abgetrennt. Das wiederzündbare Vinci-Triebwerk wurde zweifach gezündet. In drei Phasen setzte die Rakete technische Passagiere in den Weltraum.
Am Ende sollte die Oberstufe auf dem Weg zurück zur Erde eigentlich verglühen. Weil der Hilfsantrieb stoppte, zündete das Vinci-Triebwerk der Oberstufe nicht erneut, um die zwei letzten Nutzlasten auszusenden. Sie werden nun in der Oberstufe bleiben, die im All verbleibt.
Esa lobt Ariane 6 für ihre Flexibilität
Die Ariane 6 musste zehn Jahre lang auf ihren Erststart warten. Sie ist das Nachfolgemodell der Ariane 5, die von 1996 bis Sommer 2023 im Einsatz war. Die Rakete soll Satelliten für kommerzielle und öffentliche Auftraggeber ins All befördern und ist deutlich günstiger als ihre Vorgängerin.
Je nach Mission kann die flexible und modulare Rakete mit zwei oder vier Boostern ausgestattet werden und unterschiedliche Nutzlasten in einem kleineren oder einem längeren Oberteil unterbringen. Bis zu 11,5 Tonnen Gesamtfracht kann sie bei geostationären Satelliten transportieren und 21,6 Tonnen in niedrigeren Umlaufbahnen.
Einer der zentralsten Fortschritte dürfte aber sein, dass die Ariane 6 Satelliten in unterschiedliche Orbits ausliefern kann. Somit kann sie auch Konstellationen ins All bringen.
Möglich ist das Dank des wiederzündbaren Vinci-Triebwerks der im Bremer Werk des Raketenbauers ArianeGroup montierten Oberstufe. Laut Walther Pelzer, Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR hat Deutschland damit die wichtigste Innovation verantwortet.
Experte hält Rakete nicht für besonders modern
Wie modern die Rakete ist, daran scheiden sich die Geister. Esa-Chef Aschbacher ist überzeugt, dass die Rakete den aktuellen Herausforderungen entspricht. Raumfahrtexperte Martin Tajmar von der TU Dresden antwortet hingegen auf die Frage, ob die Rakete auf der Höhe der Zeit sei: «Das kann man vergessen.»
Tajmars Blick geht dabei in die USA und zu SpaceX: «2015 ist das erste Mal die Falcon-9-Rakete erfolgreich wieder gelandet und hat quasi das Zeitalter der wiederverwendbaren Raumfahrt gegründet, wo natürlich alle anderen jetzt dann komplett alt ausschauen.»
Immerhin: Laut Esa-Raumtransportdirektor Toni Tolker-Nielsen soll die Rakete, die die Ariane 6 ablöst, auch wiederverwendbar sein. Derzeit plant die Esa, die Ariane 6 bis mindestens Mitte der 2030er Jahre zu nutzen. Tajmar meint, dann sei man aber wieder 20 Jahre hinterher. Nur: Die langwierigen Entscheidungsprozesse bei der Esa könne man auch nicht mit der Arbeitsweise von SpaceX vergleichen.
Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner meint zudem: «Ariane 6 schafft zwar einen autonomen Zugang als Schwerlastrakete. Europa hat aber viel weniger Starts als etwa in den USA. Deshalb ist eine mögliche Wiederverwendbarkeit der Rakete nur bei einer totalen Veränderung der Industrie sinnvoll.»
Deutschland wichtig für Entwicklung der Rakete
Gut ein Dutzend Länder waren am Bau der Ariane 6 beteiligt. Die Oberstufe wurde in Bremen montiert, die Tanks der Oberstufe und Teile des Triebwerks kommen aus Augsburg beziehungsweise Ottobrunn. Im baden-württembergischen Lampoldshausen wurde das Vinci-Triebwerk getestet. Nach Frankreich ist Deutschland unter den Esa-Ländern der wichtigste Geldgeber und hat etwa 20 Prozent der rund vier Milliarden Euro hohen Kosten der Rakete geschultert.