Sterbende Wälder Was kommt nach der Fichte?

Kerstin Viering
Fichten leiden besonders unter Dürre und Hitze. Foto: dpa/Arne Dedert

Der Klimawandel macht den Brotbaum der Forstwirtschaft vielerorts zum Auslaufmodell. Forscher suchen nach Baumarten, die besser mit Trockenheit und Stress zurechtkommen. Manchmal hilft es aber auch, abgestorbene Fichtenbestände einfach sich selbst zu überlassen.

 
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Hitze, Trockenheit, Waldbrände: Auch dieser Sommer liefert in Deutschland Bilder, wie man sie früher eher aus dem Mittelmeerraum kannte. Vielen Bäumen ist anzusehen, dass sie diese Bedingungen nicht sonderlich gut vertragen. Vor allem die Fichte hat in etlichen Regionen massiv unter der Kombination aus Wassermangel, Hitze und Borkenkäferattacken gelitten. Viele Experten bezweifeln inzwischen, dass dieser Brotbaum der mitteleuropäischen Forstwirtschaft noch eine große Zukunft hat. Das hat mit seinen Ansprüchen zu tun. „Von Natur aus wachsen Fichten in Deutschland vor allem in höheren Lagen des Mittel- und Hochgebirges, wo es feuchter und kühler ist“, sagt Andreas Bolte vom Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde. Doch weil die Bäume wirtschaftlich so interessant sind und ein vielseitig einsetzbares Holz liefern, haben Forstwirte noch in den 1960er und 1970er Jahren auch viele andere Landschaften großflächig mit Fichten-Reinbeständen bepflanzt – nicht ahnend, dass einmal ein Problem namens Klimawandel auf die Menschheit zukommen würde.

Dass das keine gute Idee war, wird immer deutlicher. Denn heute stehen die vor Jahrzehnten gepflanzten Bäume gleich vor mehreren Herausforderungen, für die sie schlecht gerüstet sind. So können Fichten einzelne Wurzeln zwar durchaus auch bis in größere Tiefen schicken, die meisten aber bleiben nahe an der Oberfläche. Deshalb fallen die Bäume nicht nur besonders leicht den immer häufiger auftretenden Stürmen zum Opfer. Sie können auch kein Wasser aus tieferen Bodenschichten nutzen, so dass in heißen Dürresommern viele vertrocknen.

Die Bäume bilden zu wenig Harz

Dazu kommt, dass Bäume unter Trockenstress anfälliger für Krankheiten und Insekten sind. Besonders augenfällig wird das bei den Borkenkäfern, die unter der Rinde oder im Holz der Stämme ihre Brutgänge anlegen. Dagegen wehren sich die Fichten mit ihrem zähflüssigen Harz, in dem sie die Eindringlinge einschließen. Wenn es nicht zu viele Käfer sind, können sie die Invasion so stoppen. Doch die Chancen dafür haben sich in den letzten Jahren verschlechtert. „Das liegt daran, dass Fichten in heißen, trockenen Sommern an der Harzbildung sparen“, sagt Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE).

Was aber tun, wenn Hitze, Trockenheit und Borkenkäfer ganze Landschaften entwaldet haben? Ibisch plädiert dafür, die abgestorbenen Bäume zunächst stehenzulassen, damit sie den Boden beschatten und so ein kühleres und feuchteres Mikroklima für kommende Pflanzengenerationen schaffen können. Auch ist es in seinen Augen keine gute Idee, den Boden zu pflügen und neue Bäume zu pflanzen. Damit verdichte man den Boden nur, wodurch er noch weniger Wasser speichern kann.

„Wenn man dagegen die Flächen schont und eine natürliche Regeneration erlaubt, kommen zunächst Pionierarten wie Holunder und Ebereschen hoch“, sagt der Forscher. Und diese könnten dann durch ihr verrottendes Laub mehr Humus und damit die Lebensgrundlage für weitere Baumarten schaffen. Ibisch kennt etwa Flächen im Saarland, wo unter toten Fichten bereits artenreiche Laubmischwälder entstehen.

Manche Fichten ertragen Dürre besser

Andere plädieren dagegen dafür, durchaus neue Bäume zu pflanzen – allerdings solche, die für den Klimawandel besser gerüstet sind als ihre Vorgänger. Sollten sich in besonders trockenen Regionen nicht Überlebenskünstler finden lassen, die mit Wassermangel besser zurechtkommen? Dieser Idee sind Andreas Bolte und sein Team im Projektverbund „Fichte-Trockenheit“ nachgegangen. Im Gewächshaus haben sie Fichten aus acht Gebieten in Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien in Töpfe gepflanzt und nach und nach austrocknen lassen. Tatsächlich lieferten die Fichten aus den feuchteren Hochlagen in Bayern dabei die schlechteste Performance. Vom trockenen Standort Nochten in Sachsen dagegen kamen die Bäumchen mit der höchsten Überlebensrate und den meisten Harzkanälen.

Allerdings sagt das noch nichts über das Schicksal der Altbäume. So sind die Dürrespezialisten in Nochten im Jahr 2018 komplett den Borkenkäfern zum Opfer gefallen. „Ich bin deshalb im Moment skeptisch, ob es viel hilft, Fichten aus trockeneren Regionen woanders anzupflanzen“, sagt Andreas Bolte. Besser sei es, in den abgestorbenen Fichtenbeständen andere, trockenheitstolerantere Baumarten in die aufkommende Naturverjüngung mit einzubringen.

Auch Buchen leiden unter Trockenheit

„Einen Vorteil werden Wälder haben, die sich selbst ein günstiges Mikroklima schaffen können“, sagt Pierre Ibisch. Auf diesem Gebiet ist etwa die Buche stark, die im Schatten ihres dichten Kronendachs kühle und feuchte Verhältnisse schafft. Von Buchen dominierte Mischwälder könnten zumindest in tieferen Lagen der Mittelgebirge ein Modell mit Zukunft sein. Auf Kalkstandorten mit geringem Feinboden wie in Unterfranken oder dem Hainich in Thüringen aber leidet auch die Buche zunehmend unter Trockenheit.

Dort sieht Andreas Bolte eher Chancen für Winterlinde, Hainbuche und heimische Eichenarten. Als Nadelbäume kämen die heimische Weißtanne oder Douglasie und Küstentanne aus Nordamerika infrage. In Deutschland schnell und in großem Stil Exoten wie Libanonzeder, Atlaszeder oder Nordmanntanne anzubauen, würde Andreas Bolte dagegen ohne vorherige großflächige Versuche nicht empfehlen: „Wir wissen einfach nicht genau, wie die sich in unseren Wäldern verhalten würden.“ Und auch einen Import von Mittelmeerarten wie der Steineiche hält er nicht für sinnvoll. Schließlich nütze es nichts, wenn diese zwar für eine wärmere und trockenere Zukunft gewappnet seien, dafür aber schon beim nächsten Frost zugrunde gingen.

Fichten in Deutschland

Bedeutung
 Jahrzehntelang galt die Fichte in Deutschland als Brotbaum der Forstwirtschaft. Welche Bedeutung sie bisher hatte, zeigen die Daten der letzten Bundeswaldinventur aus dem Jahr 2012. Damals war bundesweit etwa ein Viertel der Waldfläche mit Fichten bestanden, und diese lieferten rund die Hälfte des genutzten Holzes.

Inventur
Die Datenerhebung für die nächste Bundeswaldinventur soll bis Ende 2022 abgeschlossen sein. Experten schätzen, dass der Anteil der Fichte am genutzten Holz eher noch zugenommen hat. Denn auch abgestorbene oder geschädigten Fichten lassen sich noch nutzen.

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