„Sticky Fingers“ präsentiert Erdbeben auf dem Weidersberg

Sie werden am Freitag, 5. August, auf dem Weidersberg in Brand ordentlich abräumen: Die Mannen von Sick Of It All aus New York City (von links): Lou Koller, Armand Majidi, Pete Koller und Craig Setari. Die Macher des „Sticky Fingers“-Festivals konnten die New-York-Hardcore-Band für die diesjährige Auflage wieder buchen. Foto: PR/Mad Tourbooking

Einige der über viele Jahre im Fichtelgebirge laufenden Rock-Festivals haben die Pandemie nicht überlebt. Das „Sticky Fingers“ als eine Institution macht weiter. Im Jahrgang 2022 stehen Anfang August auch weltweit gefeierte Szene-Bands auf der Bühne in Brand.

 
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Wenn sich Lou Koller auf der Bühne austobt, mag man kaum denken, dass dieser Typ bereits unglaubliche 56 Jahre auf dem Buckel hat. Gemeinsam mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder Pete – eine Art Gitarre spielender Flummiball – hat Lou Koller nicht nur 1986 im New Yorker Stadtteil Queens die Band „Sick Of It All“ ins Leben gerufen, sondern gleich ein ganzes Genre auf eine neue Qualitätsstufe gehoben: New York Hardcore. Die am Freitag, 5. August, auftretende Band hat es durch ausgiebiges Touren über die Jahrzehnte zum Legenden-Status in ihrer Szene gebracht. Wer die Truppe schon einmal hat agieren sehen, weiß: Genre-unabhängig werden in Sachen Rockmusik nur ganz wenige solcher intensiven Live-Erlebnisse geboten. Man muss also kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass „Sick Of It All“ als eine der Hauptbands auch beim „Sticky Fingers“-Open-Air im Naherholungsgebiet Weidersberg in Brand ordentlich abräumen werden.

Heftiger Headliner

Der Samstagsheadliner des Jahres 2022 heißt Kataklysm – und der ist selbst für „Sticky Fingers“-Verhältnisse, als Festival bekanntlich auf die härtere Gangart ausgerichtet, ziemlich heftig. Die Franko-Kanadier spielen modernen Death Metal, der dennoch Paten wie Morbid Angel und Cannibal Corpse nicht leugnet. Der Stil des aus Montreal und Quebec stammenden Quartetts: sehr schnell, sehr präzise und sehr aggressiv.

Ursprünglich sollte die California-Punk-Legende Dead Kennedys auf dem Weidersberg spielen – doch dann kam Corona dazwischen. „Das Umbuchen ging leider nicht“, erklärt Veranstalter Tobias Berz: „Natürlich wollten wir das alte Line-up komplett übernehmen, wir hatten da ja auch richtig viel Arbeit reingesteckt. Und eine Legende wie die Dead Kennedys... das lässt man sich nicht einfach so entgehen. Leider erreichte uns irgendwann die Nachricht vom Management, dass man die Tour leicht verschieben müsse. Und wir sind genau in den Zeitraum reingefallen, in denen sie noch nicht in Europa sind. Wir hatten daher keine andere Wahl.“

16 Bands an zwei Tagen

Das Billing fürs mehrfach verschobene „Sticky Fingers“ kann sich natürlich trotzdem und nicht nur wegen der beiden ausgezeichneten Headliner sehen – und hören – lassen. Am Freitag werden sieben Bands auftreten, darunter die Hamburger Ska-Punk-Combo Rantanplan, die tschechische Grindcore-Institution Gutalax und die deutschen Polit-Punks von ZSK. Am Samstag spielen neun Bands, unter anderem die irisch-kanadischen Irish-Folk-Punks The Mahones und die Orange-County-Hardcore-Legende Ignite – übrigens seit kurzem mit neuem Sänger, Eli Santana, der dem 1992 gegründeten Projekt neue Frische verleiht .

Selbstverständlich haben die Macher des „Sticky Fingers“-Festivals auch mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen. Tobias Berz: „Natürlich ist bei uns alles ehrenamtlich organisiert und die Probleme sind nicht vergleichbar wie bei Unternehmen – allein schon wegen der Personalkosten. Dennoch haben auch wir laufende Kosten, denen keinerlei Einnahmen gegenüberstehen. Viel schwieriger ist es aber, das Ganze trotzdem irgendwie am Laufen zu halten. So ein großes Team wie unseres – da ist es nicht gerade förderlich, wenn man über zwei Jahre nichts machen kann.“ Dennoch hat der Zusammenhalt unter den Teammitgliedern des bereits seit 1988 existierenden Festivals nicht gelitten. Beigetragen hat dazu sicherlich auch, das bereits zwei kleinere Veranstaltungen durchgeführt wurden und man sich ab und an zusammengesetzt hat. „Der Neustart war schon schwierig, man muss sich da erst einmal wieder aufrappeln“, erklärt Berz: „Aber das ,Stickys‘ heuer nicht zu veranstalten, stand eigentlich nicht zur Diskussion. Wir haben Bock. Wir haben richtig Bock!“

Explodierende Kosten

Und wie hat die Inflation reingehauen? „Es ist Wahnsinn, wie viele Sachen teurer geworden sind. Wir reden hier aber nicht über die normale Inflation. Wir reden hier auch über viele Mietsachen, die man eben für ein Festival braucht... da gibt es teilweise Preisaufschläge bis zu 100 Prozent“, so Berz: „Daher mussten wir den Eintrittspreis heuer auch erhöhen. Ob es genug war, wird sich zeigen. Die Kosten sind hier und da wirklich regelrecht explodiert. Das hängt auch damit zusammen, dass es heuer einfach ein Überangebot an Veranstaltungen gibt – der Markt in vielen Bereichen aber regelrecht leergefegt ist. Da werden dann teilweise echt utopische Preise aufgerufen.“ Trotz der Erhöhung des Eintritts zählt das „Sticky Fingers“ im weiten Umkreis zu den am moderatesten bepreisten Festivals. Das ist neben den freiwilligen Helfern auch den Sponsoren geschuldet, die das Event seit Jahren unterstützen.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis des „Stickys“ ist umso verwunderlicher, da es der Livemusik-Szene derzeit keineswegs gut geht. „Leider sind wirklich ein paar großartige regionale Festivals bei uns weggebrochen. Ich denke nur an das Ranger Rock, das Genital-Festival oder auch Park & Rock in Marktredwitz. Das hat aber nicht unbedingt immer etwas mit der Pandemie zu tun. Wir werden sehen, wie es weitergeht“, sagt Tobias Berz, der nicht nur Veranstalter ist,sondern auch Gitarre in der regional bestens bekannten Band „Rockbeton & The Mörtels“ spielt. Tobias Berz sorgt sich bereits, wer von den Veranstaltern in der Region überleben wird: „Es ist keinesfalls so, dass die Besucher den Festivals die Bude einrennen. Ganz im Gegenteil. Ob groß oder klein, alle haben massiv zu kämpfen. Aber, hey: Rock ’n’ Roll Will Never Die.“

Das Zitat „Rock’n’Roll wird niemals sterben“ stammt bekanntlich aus der Feder von Neil Young – und der ist 76 Jahre jung und denkt auch kein bisschen ans Aufhören.

Sticky Fingers“-Festival am 5./6. August auf dem Weidersberg in Brand. Weitere Infos, auch zum Kartenvorverkauf unter: www.sticky-fingers-festival.de

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