Stonehenge im Fichtelgebirge In Wunsiedel entsteht „Wunhenge“

In Wunsiedel soll eine perfekte Kopie von Stonehenge entstehen. Im Hintergrund wäre dann das Fichtelgebirgs-Panorama zu sehen. Foto: picture alliance/dpa/CSM via ZUMA Wire/Espa Photo Agency

Bis 2023 soll auf dem Gelände der Hundlinge am Katharinenberg bei Wunsiedel das Weltkulturerbe im Maßstab 1:1 entstehen. Die Stadt erwartet jährlich um die 100 000 Besucher.

 
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Wunsiedel - Ein Weltkulturerbe besitzt Wunsiedel schon, wenn auch ein immaterielles: das Brunnenfest. Bis in knapp drei Jahren entsteht zudem die perfekte Kopie eines wahrhaft materiellen Kulturerbes vor den Toren der Stadt: Das Unternehmen Kago und Hammerschmidt baut eine Kopie des sagenumwobenen Stonehenge. Die 65 kreisförmig angeordneten und bis zu 6,7 Meter hohen Felsen bilden auf dem Gelände des Mittelaltervereins Hundlinge am Nordhang des Katharinenberges das neue „Wunhenge“ – so der Name.

Eigentlich schon abgehakt

Schon zweimal hatten die Kago und Hammerschmidt-Geschäftsführer Kai Hammerschmidt und Klaus Gohl einen Anlauf genommen, um das Riesen-Projekt zu verwirklichen. Zweimal war es politisch nicht durchsetzbar, auch weil es offenbar Fehler in der Kommunikation gab. Eigentlich hatten die Unternehmer „Wunhenge“ für sich abgehakt. Doch dann sinnierten vor einiger Zeit der Wunsiedler Bürgermeister Nicolas Lahovnik und Landrat Peter Berek über weitere Attraktionen für die Region nach. Die Natur? Zweifellos eine der schönsten in Deutschland. Doch auch der Schwarzwald, der Harz oder das Rothaargebirge sind nicht gerade hässliche Fleckchen. Die Kultur? Mit der Luisenburg an der Spitze sicherlich ein mächtiges Plus im Fichtelgebirge. Fehlte letztlich das i-Tüpfelchen. Und dies kann nach Meinung der beiden Politiker „Wunhenge“ werden. „Uns fehlen schlicht die Gäste in Wunsiedel, wir brauchen das ganze Jahr über mehr Traffic“, bringt es Lahovnik auf den Punkt.

Zustimmung in nicht-öffentlicher Sitzung

Sein Ziel ist es, die Festspielstadt wieder für Touristen so attraktiv zu machen, dass endlich ein Investor Ja sagt und ein Hotel baut. Dass eine Stadt mit der Bedeutung Wunsiedels seit Jahren kein richtiges Hotel mehr besitzt, gehört zu den seltsamen Phänomenen, die kaum ein Laie versteht. Mit „Wunhenge“ könnte der Befreiungsschlag für den heimischen Tourismus gelingen. Dieser Ansicht ist auch der Wunsiedler Stadtrat, der am Donnerstagabend in nichtöffentlicher Sitzung mit großer Mehrheit dem Projekt grundsätzlich zustimmte.

„Wir bauen keine mickey-mouse-artige Anlage und auch nicht den x-ten Freizeitpark“, sagt Kai Hammerschmidt, der nicht verhehlt, dass er sich über den Anstoß von Seiten der Politik mächtig freut. Klar war er sofort Feuer und Flamme, hat er doch das fertige Konzept mit allen Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Schublade. Rund fünf Millionen Euro wird die Investition kosten. „Potenzielle Investoren sind willkommen und können uns gerne ansprechen. Wir werden aber auch all jene kontaktieren, die sich früher an dem Projekt beteiligen wollten.

Eröffnung 2023

Sollte alles wie geplant klappen – das grundsätzliche grüne Licht des Stadtrats gibt es bereits – werden im kommenden Jahr alle Anträge und Behördengespräche laufen, 2022 sind die Handwerker an der Reihe und 2023 könnte die Anlage eröffnet werden. Hammerschmidts Konzept liegt ein sanfter Tourismus mit überwiegend bildungshungrigen Urlaubern und Tagesausflüglern zugrunde. „Man geht davon aus, dass die Kopie eines Weltkulturerbes etwa ein Zehntel der Besucher des Originals generiert“, sagt der Unternehmer, der von Tourismus-Experten eine ganze Reihe von Studien erstellen ließ. Stonehenge im Süden Englands locke pro Jahr um die 1,2 Millionen Touristen. Hammerschmidt kalkuliert konservativ und kommt so auf 100 000 zusätzliche Besucher für die Festspielstadt.

„Das wär dann ein gewichtiges Argument für einen Hotel-Investor“, sagen Bürgermeister Lahovnik, sein Stellvertreter Manfred Söllner und Tourismus-Referentin im Stadtrat Manuela Menkhoff von den Aktiven Bürgern im Gespräch mit der Frankenpost.

Perfekte Kopie

„Wunhenge“, die perfekte Kopie von Stonehenge, ist in Hammerschmidts Plan der Dreh- und Angelpunkt, doch eben längst nicht alles. Auch die Mittelalterfreunde von den Hundlingen, die auf dem Katharinenberg mehrere originalgetreue Katapulte und anderes historische Kriegsgerät gebaut und aufgestellt haben, sind eingebunden. „Natürlich werden sie weiterhin das Fest Collis Clamat mit gut 10 000 Besuchern veranstalten und auf dem Gelände aktiv sein.“ Auch das Europäische Fortbildungszentrum Stein und die Steinfachschule spielen eine bedeutende Rolle. „Ich habe mit den Verantwortlichen gesprochen, und sie waren von Wunhenge angetan.“ Unter anderem hofft Hammerschmidt, dass eines Tages die Gesteinssammlung, die in der Schule eher im Verborgenen schlummert, „endlich für die Öffentlichkeit zugänglich wird“. Unter anderem im Kreistag, in dem er für die SPD sitzt, hat er diesen Wunsch vorgebracht. „Es ist die umfangreichste derartige Sammlung weltweit.“ Zusammen mit dem Greifvogelpark und dem Lernort Natur auf dem Katharinenberg entstünde ein regelrechtes Cluster an Attraktionen für die Besucher, die unter anderem aus der nahen Jugendherberge stammen werden.

Seminarraum und Gastronomie

Mit „Wunhenge“ allein ist es nicht getan. Hammerschmidts Konzept beinhaltet zusätzliche Infrastruktur. Unweit des Parkplatzes entsteht das 30 mal 15 Meter große Eingangsgebäude mit einem Seminarraum und Gastronomie. Dazu kommen ein Sanitärhaus und ein Eventgebäude. Hier stellt sich der Unternehmer eine interaktive Ausstellung vor, in der die Besucher alles über die Theorien der Entstehungsgeschichte des „echten“ Stonehenge erfahren. „Das wird sehr interaktiv sein, mit Touchscreens und VR-Brillen.“ Eine Bühne für Musikveranstaltungen will er an das Haus anbauen. Zudem könnte unweit davon eine kleine Tribüne entstehen. Wichtig als Wohlfühlort für Familien ist ein Spielplatz. Der soll einer der großen in der Region werden und daher auch Einheimische locken, die ein Bier in Weltkultur-Kulisse mit Prachtblick aufs Fichtelgebirge genießen wollen.

Dimensionen begreifen

Hammerschmidt hat zusammen mit Marketing-Profis aus ganz Deutschland eruiert, für welche Zielgruppen „Wunhenge“ interessant sein könnte. Da sind in erster Linie all jene, die von der Stonehenge-Mystik fasziniert sind und die den noch immer nicht enträtselten Steinkreis mit 35 Metern Durchmesser einmal aus der Nähe auf sich wirken lassen wollen. Das Original kann von Touristen nur aus etwa 20 Meter Entfernung betrachtet werden. „Bei uns darf jeder zwischen den Steinen herumlaufen und wird erst so die Dimensionen des Weltkulturerbes begreifen“, sagt Hammerschmidt, der das Glück hatte, die Original-Felsen aus der Nähe auf sich wirken lassen zu dürfen.

Auch für Foto-Shootings, Firmen-Seminare, Produkt-Präsentationen, Klassen- und Betriebsausflüge und, und und ist „Wunhenge“ laut Hammerschmidt geeignet. Bürgermeister Lahovnik schwebt unter anderem die Aufführung des Orff-Klassikers „Carmina Burana“ inmitten des Steinkreises vor. Mit der künstlerischen Leiterin der Luisenburg, Birgit Simmler, hat er in der Causa „Wunhenge“ bereits Kontakt aufgenommen. „Da ist Vieles denkbar.“

Hoffen auf Hotel-Investor

Für Hammerschmidt war beim dritten, diesmal nicht von ihm selbst initiierten, Anlauf wichtig, alle möglichen Kritikpunkte schon vorab zu klären. Dazu hat einst der Flächenverbrauch gehört. „Da wir auf das Hundlinge-Areal gehen und uns mit dem Verein ergänzen, gibt es diesen nicht und auch sonst keine Beeinträchtigungen.“

Nun hoffen alle Beteiligten, dass das Projekt möglichst schnell und gut verwirklicht wird. Dann dürfte es nach Ansicht von Nicolas Lahovnik, Manuela Menkhoff und Manfred Söllner nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ein weiterer Investor „Ja“ zu Wunsiedel sagt und ein Hotel baut.

Im Dritten Anlauf

Vielleicht sind wirklich aller guten Dinge drei. Für den Unternehmer Kai Hammerschmidt ist es der dritte Anlauf, sein Projekt „Wunhenge“ in Wunsiedel zu realisieren. Da diesmal nicht er selbst, sondern die Politik auf ihn zugekommen ist, glaubt er, dass „Wunhenge“ diesmal Erfolg beschieden ist.

2003 hat Hammerschmidts Idee eines Monumentalparks für das Fichtelgebirge für jede Menge Aufregung gesorgt. Der Unternehmer plante, die Welterbestätten in verschiedenen Orten des Fichtelgebirges nachzubauen. Touristen sollten innerhalb weniger Tage die bedeutendsten menschengeschaffenen Monumentalwerke bestaunen können. Sechs Jahre später trat Hammerschmidt erstmals mit dem Projekt „Wunhenge“ auf den Plan. Damals wollte er Stonehenge in der Tannenreuth bauen. Doch Jäger und Naturschützer sorgten sich hier um das Rebhuhn-Vorkommen. Da er das Vorhaben nicht auf einen anderen, einen 1B-Standort, verwirklichen wollte, beendete er es. Zuvor hatte der Wunsiedler Stadtrat mit einer 12:11-Mehrheit für das Projekt „Wunhenge“ gestimmt. Vor allem der seinerzeitige Bürgermeister Karl-Willi Beck zeigte sich als glühender Verfechter von „Wunhenge“. Dafür ist ihm Kai Hammerschmidt noch heute dankbar. „Der Charly erhält eine Dauerfreikarte von mir.“

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