Dicke Luft im Kindergarten Streit zwischen Pfarrer und Elternbeirat

Die Kirchengemeinde Erkersreuth rückt von einer Notgruppe für 22 Vorschulkinder ab. Pfarrer Jürgen Henkel sieht die Schuld bei den Eltern. Der Elternbeirat weist dies vehement zurück.

 
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Neben der Kirche in Selb-Plößberg wollte die Kirchengemeinde Erkersreuth eine Notgruppe für Vorschulkinder einrichten. Das stieß bei einigen Eltern auf wenig Gegenliebe. Foto: /Florian Miedl

Erkersreuth/Selb-Plößberg - Es knirscht zwischen Pfarrer Jürgen Henkel und dem Elternbeirat des Kindergartens „Zum guten Hirten“ in Erkersreuth. Denn die Kirchengemeinde Erkersreuth/Selb-Plößberg will die ab September geplante Notgruppe für Vorschulkinder, die im Nebengebäude der Kirche Selb-Plößberg vorgesehen war, nicht einrichten. Hintergrund sei der massive Widerstand einiger Eltern gegen den Standort. Diesen Schuh will sich der Elternbeirat aber nicht anziehen und wirft Pfarrer Henkel im Gegenzug vor, er sei nicht gesprächsbereit.

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Wie es in einer Mitteilung des Pfarramts heißt, hatte sich im Sommer gezeigt, dass der Bedarf an Kita-Plätzen ab September 2022 deutlich größer ist als die Zahl der Plätze. Die Kita-Leitung und die Gemeinde hätten daraufhin ein Konzept ausgearbeitet, um mit einer ausgelagerten Notgruppe von 22 Vorschulkindern rund 20 zusätzliche Plätze im Kindergarten und der Krippe „Zum Guten Hirten“ in Erkersreuth zu schaffen.

Der Vorschlag der Kirchengemeinde, die Notgruppe im Kinderhort Erkersreuth einzurichten, sei vom Landratsamt im Oktober 2021 abgelehnt worden. Daher hätten Pfarramt und Kitaleitung ein Konzept für eine Notgruppe im früheren Übergangskindergarten Selb-Plößberg vorgelegt. Dort hatte die Gemeinde 2017 zwei Gemeinderäume neben der Kirche speziell für die Kita-Nutzung hergerichtet. Diese bis August 2020 genutzten Räume wären sofort bezugsfertig.

Seitens einzelner Eltern habe es allerdings massiven Widerstand gegen den Standort Selb-Plößberg gegeben, schreibt der Erkersreuther Pfarrer. Als Alternativen hätten diese Eltern über den Elternbeirat einen Kindergarten-Container in Erkersreuth oder die Nutzung des Turnsaals des Erkersreuther Kindergartens für die Notgruppe gefordert.

Nur Selb-Plößberg

Für die Kirchengemeinde komme aber nur die Option Selb-Plößberg infrage. „Wir werden uns keinen Kita-Container in den Kirchenpark stellen lassen, wenn wir in Selb-Plößberg frisch für Kita-Nutzung eingerichtete Räume zur Verfügung haben“, so Pfarrer Henkel. „Unser Angebot einer Notgruppe für die Vorschulkinder in Selb-Plößberg zielte darauf, möglichst vielen Kindern im Kindergartenjahr 2022/2023 die Aufnahme in unserer Einrichtung zu ermöglichen. Dass wir als Träger dabei grundsätzlich auf Praktikabilität, Finanzierbarkeit und die Nutzung vorhandener eigener Räume zu achten haben, versteht sich von selbst.“

Aufgrund des Widerstands einzelner Eltern habe man jüngst alle von der Notgruppe betroffenen Eltern der Vorschulkinder 2022/2023 zu einer schriftlichen Meinungsbildung aufgerufen. Dabei habe sich eine klare Mehrheit (neun von 15 abgegebenen Stimmen) gegen die Notgruppe in Selb-Plößberg ausgesprochen. „Da sich die Eltern der Vorschulkinder hier mehrheitlich verweigern, haben wir als Träger entschieden, auf dieses Angebot einer Notgruppe zu verzichten.“ Als Konsequenz werde der Kindergarten nur so viele Kinder aufnehmen können, wie noch Plätze zur Verfügung stehen. Im Kindergarten könnten damit beispielsweise überhaupt keine Kinder zum September 2022 neu aufgenommen werden, auch in der Krippe nur sehr wenige.

Kritik am Elternbeirat

Kritik üben Pfarrer und Kirchenvorstand in ihrer Mitteilung am Elternbeirat. „Der Elternbeirat hat nicht die Interessen aller betroffenen Eltern und der vielen für 2022/2023 angemeldeten Kinder vertreten, sondern sich zum Sprachrohr einiger Eltern gemacht, die diese von uns vorgeschlagene und einzig praktikable Lösung verhindern wollten.“

Der Elternbeirat sieht die Situation völlig anders: „Wir weisen den Vorwurf von Pfarrer Henkel vehement zurück, allein mit einzelnen Eltern die Verantwortung zu tragen, dass die vorgeschlagene Notgruppe in Selb-Plößberg nicht zustande kommt.“ Sowohl der Elternbeirat – Melanie Netzsch, Julia Melzner, Jens Nötzold, Tanja Uhing, Katharina Piazzese, Bianca Hollering und Matthias Häußer – als auch die Elternschaft seien am Elternabend zu Beginn des Kindergartenjahres 2021/22 über das Vorhaben einer separierten Vorschulgruppe informiert worden. Damals habe es keinerlei Einwände der Eltern gegeben. Vielmehr habe der Elternbeirat das Vorhaben durchweg positiv gesehen. Allerdings habe sich diese Stimmungslage bei den betroffenen Familien geändert, „als die Eltern der Vorschulgruppe erfuhren, dass ihre Kinder nicht in Erkersreuth im Umfeld des Kindergartens betreut werden sollten, sondern in Selb-Plößberg – in den Räumlichkeiten, die bereits während des Neubaus des Erkersreuther Kindergartens als Übergangslösung gedient hatten“. Der Elternbeirat ergänzt in seiner Stellungnahme, dass diese Übergangslösung bei vielen Eltern vor allem aufgrund Platzmangels in der damaligen Kindergartengruppe und Problemen mit den sanitären Anlagen negativ behaftet sei.

Keinerlei Begründung

Der Elternbeirat kritisiert, dass die Eltern nur indirekt informiert worden seien und keinerlei Begründung dafür geliefert worden sei, warum die Vorschulgruppe nach Selb-Plößberg umziehen solle. „Nachdem sich mehr als zehn der 20 von der Vorschulgruppe betroffenen Eltern beim Elternbeirat gemeldet hatten, entschieden wir, deren Bedenken sachlich zusammenzufassen und an die Kindergartenleitung und Pfarrer Henkel als Träger der Einrichtung weiterzuleiten – wohlwissend, dass es auch um die zusätzlichen Krippenplätze unter anderem für Geschwisterkinder ging. Es ist also nicht wahr, dass der Elternbeirat nur die Sichtweise einer Interessensgruppe berücksichtigt hätte.“

Vielmehr seien die Bedenken der Eltern massiv und zum Teil sehr fundiert gewesen, „sodass wir zumindest einen Dialog über die Bedenken der Eltern starten wollten, ob nicht eventuell eine Lösung in Erkersreuth vor Ort gefunden werden könnte“. So hätten die Eltern befürchtet, dass die Kinder erneut emotionalem Stress ausgesetzt würden, wenn die Kindergartengruppen auseinandergerissen und damit den direkten Umgang mit Freunden, Geschwisterkindern und Bezugspersonen verlieren würden. Besorgt seien die Eltern auch darüber, dass die angespannte Personallage sich noch verschärfen könnte, wenn zwei Erzieherinnen in Selb-Plößberg gebunden wären. „Leider wurden sowohl die Bedenken der Eltern als auch die Vorschläge einer Alternativ-Unterbringung in Erkersreuth als nichtig oder nicht möglich abgetan. Die Begründungen empfanden sowohl die betroffenen Eltern als auch der Elternbeirat als unzureichend.“

Vorschlag abgelehnt

Man habe auch den Vorschlag gemacht, auf freiwilliger Basis eine normale Kindergartengruppe in Selb-Plößberg mit Kindern einzurichten, deren Eltern zum Beispiel in Selb-Plößberg wohnen. Dieser Vorschlag sei abgelehnt worden, da das dortige Umfeld nur für ältere Kinder ausreichend sei. Auch habe man eine Begehung in Selb-Plößberg vorgeschlagen, um etwaige Missverständnisse und Vorurteile auszuräumen. Eine solche Besichtigung sei aber nicht mehr zustande gekommen. „Weiterführende Gesprächsangebote wurden durch Pfarrer Henkel verneint“, schreibt der Elternbeirat.

Zwar sei kurz vor Weihnachten das Angebot zustande gekommen, dass die von der Vorschulgruppe betroffenen Eltern Fragen stellen durften, was acht Elternpaare in Anspruch genommen hätten. Statt Antworten habe es nur die Aufforderung zu einer Abstimmung über die Vorschulgruppe in Selb-Plößberg gegeben – explizit verbunden mit der Zusage oder der Absage. Und der Elternbeirat stellt klar: „Wir möchten darauf hinweisen, dass die Entscheidung zur Notgruppe allein dem Träger obliegt. Der Elternbeirat hat zu keinem Zeitpunkt den Eltern geraten, gegen eine Notgruppe zu stimmen und hat die Notgruppe an sich nie abgelehnt. Im Interesse der betroffenen Kinder und der Familien muss der Elternbeirat aber seiner Sorgfaltspflicht nachkommen, die Bedenken und Sorgen der betroffenen Familien ernstzunehmen.“

Der Elternbeirat schreibt, er sei der festen Überzeugung, dass es mit gegenseitigem Respekt und Gesprächen sicherlich eine Lösung gegeben hätte, mit der alle Beteiligten hätten leben können. „Wir bedauern zutiefst, dass diese Chance vergeben wurde und dass unsere Vermittlungsarbeit als Kritik und Stimmungsmache missverstanden wurden.“ ago