Die Straftaten an und in Kirchen haben im vergangenen Jahr zugenommen. So wurden laut Landeskriminalamt 896 Straftaten gemeldet. Dies waren rund sechs Prozent mehr als 2022, als 844 registriert wurden.
Angezündete Bibeln, beschädigte Christus-Figuren, geklaute Wertgegenstände: Kirchen in Deutschland werden zunehmend Ziel von Randalierern und Dieben. Die polizeiliche Aufklärungsquote ist niedrig.
Die Straftaten an und in Kirchen haben im vergangenen Jahr zugenommen. So wurden laut Landeskriminalamt 896 Straftaten gemeldet. Dies waren rund sechs Prozent mehr als 2022, als 844 registriert wurden.
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Eine deutliche Zunahme gab es dabei bei den Gewaltdelikten, die sich von 39 auf 61 erhöhten – eine Steigerung um rund 56 Prozent. Die am häufigsten registrierten Straftaten sind demnach Diebstähle, fast die Hälfte aller Delikte.
So meldete die Polizei im Januar 2023, dass Unbekannte in drei Kirchen im Ortenaukreis eingebrochen seien. Die Diebe erbeuteten in einer der Kirchen Wertgegenstände in Höhe von 250 Euro aus dem Kirchennebenraum. Anwohner hatten in einem Fall zwei Männer beobachtet, die auf Nachfrage gesagt hätten, eine Toilette zu suchen, und sich dann rasch wieder aus dem Gebäude entfernt hatten.
Die Kirchen selbst nehmen nach eigener Aussage keine deutliche Zunahme an Straftaten in den vergangenen Jahren wahr. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart spricht von „gelegentlichen Einzelfällen“ mit Blick auf Diebstähle und Vandalismus. „Wir haben aber keinen erhöhten Sicherheitsbedarf beziehungsweise Bedarf an Vergitterungen oder Alarmanlagen feststellen können“, sagt eine Bistumssprecherin.
Zu einem Fall in Nordbaden berichtete die Polizei im Juni 2023, Unbekannte hätten in einer Kirche in Dielheim (Rhein-Neckar-Kreis) so sehr randaliert, dass dabei ein Schaden von 3000 Euro entstanden sei. Es seien das Glas eines teuren Apostelleuchters zerschlagen, eine Vielzahl an Kerzen zerbrochen oder umhergeworfen, der Inhalt eines Verbandskastens auf dem Boden verstreut, ein Weihwasserbecken entleert und selbstgemalte Bilder der Erstkommunion mit Wasser durchtränkt worden.
Im Juli 2023 zündete zudem ein 63 Jahre alter Mann in Isny im Allgäu (Landkreis Ravensburg) zwei Bibeln auf dem Altar einer Kirche an. Laut Polizei hielten die Einsatzkräfte der Feuerwehr den Mann fest, bis die Polizei eintraf. Gefahr, dass sich das Feuer auf die Kirche und deren Mobiliar ausbreitete, bestand demnach nicht. Das Motiv des Mannes war demnach zunächst unklar.
Hohen Schaden richtete ein Mann im April 2023 in einer Kirche in Stockach (Landkreis Konstanz) an: Er sägte den Fuß einer an einem Kreuz hängenden, etwa zwei Meter großen Christus-Figur aus Holz ab. Außerdem kokelte er das Altarbuch und eine Altarbibel in der evangelischen Kirche an und stahl mehrere Nummernschilder der Liedanzeigetafel. Der Täter flüchtete, als der Messner die Kirche betrat. Laut Polizei entstand ein Schaden von schätzungsweise rund 20.000 Euro.
Die Suche nach den Tätern gestaltet sich für die Ermittler generell schwierig: Nicht einmal jede dritte registrierte Straftat aus dem vergangenen Jahr wurde laut Polizeilicher Kriminalstatistik aufgeklärt. Bei den Diebstählen ist es nur rund jede sechste Tat.
Grundsätzlich liegen die Zahlen zu registrierten Straftaten allerdings immer noch unter denen vor der Corona-Pandemie. Im letzten Jahr vor der Pandemie, 2019, wurden 954 Delikte gemeldet, ebenfalls rund sechs Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Und auch im Zehnjahreszeitraum zeigt sich, dass früher teilweise mehr als 1000 Verbrechensfälle an und in Kirchen registriert wurden.
Es ist nicht neu, dass Gotteshäuser verunziert, vollgeschmiert und verunreinigt werden. An der Flügeltür der Stuttgarter Stiftskirche hatte vor einigen Jahren ein Unbekannter eine üble Hetzparole gesprayt: „Deutschland, du mieses Stück Scheiße.“
Auch wenn in diesem Fall nicht die Kirche als solche oder der Glaube Ziel der Attacke gewesen waren, weiß der Täter doch, dass er mit einer solchen infamen Aktion maximale öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Denn Gotteshäuser gelten als sakrosankt und unantastbar.
Nach katholischem Kirchenrecht sind Kirchen „heilige Orte, die für den Gottesdienst oder das Begräbnis der Gläubigen bestimmt sind durch Weihung oder Segnung, wie sie die liturgischen Bücher dazu vorschreiben“ (Codex Iuris Canonici, Canon 1205).
Wenn ein solcher geweihter Ort durch Brandschatzung, Vandalismus, mutwillige Zerstörung von Gegenständen oder Verunreinigung entweiht wird, ist es mit Aufräumarbeiten und Putzen vielfach nicht getan.
Die Heiligkeit des Ortes ist beeinträchtigt, wenn sich dort „schwer verletzende, mit Ärgernis für die Gläubigen verbundene Handlungen“ ereignet haben, die der „Heiligkeit des Ortes entgegen sind“, heißt es im kirchlichen Gesetzbuch „Codes Iuris Canonici“.
Eine Entweihung und Schändung liegt dann vor, wenn ein geweihter Kirchenraum größtenteils zerstört worden ist. Dann ist nicht nur eine Renovierung, sondern auch eine neue Weihe nötig. Auch wenn im Gotteshaus ein Mord begangen, Unzucht getrieben wurde oder mutwillig Gegenstände wie Kerzenständer, Reliquien oder Kultbilder zerstört wurden, sieht das Kirchenrecht eine „Rekonziliation“ (von lateinisch „reconciliatio“ – Wiederherstellung, Versöhnung) vor.
Damit ist folgendes gemeint: Der Frevel muss durch eine „Wiederheiligung“ wettgemacht werden. Dies geschieht durch eine neue Weihe und einen Bußritus, in der das verunzierte Gebäude durch einen Gottesdienst unter Vorsitz des Ortsbischofs quasi wieder in die Weltkirche aufgenommen wird. Das Verfahren ähnelt dem der Wiederaufnahme eines reuigen Sünders nach der Aufhebung der Exkommunikation.
Im Kirchenrecht heißt es hierzu in Canon 1211: „Heilige Orte werden geschändet durch dort geschehene, schwer verletzende, mit Ärgernis für die Gläubigen verbundene Handlungen, die nach dem Urteil des Ortsordinarius so schwer und der Heiligkeit des Ortes entgegen sind, dass es nicht mehr erlaubt ist, an ihnen Gottesdienst zu halten, bis die Schändung durch einen Bußritus nach Maßgabe der liturgischen Bücher behoben ist.“
Bei Graffiti und anderen Schmierereien an Türen oder Außenwänden reicht in der Regel ein Anstrich aus. Fäkalien-Übergriffe sind schon heikler. In schweren Fällen wie dem Diebstahl von geweihten Hostien aus dem Tabernakel und der Verwüstung des Altarraumes muss ein Bußritus her.
Strafrechtlich ist die Sachlage hingegen klar: Es handelt sich wie im Fall der Hetzparole an der Stuttgarter Stiftskirche um Sachbeschädigung. Im Strafgesetzbuch (StGB, Paragraf 303) heißt es: „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Auch wer das „Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert“ macht sich strafbar. Das gilt auch für den Versuch einer Schändung.