Bewundernswert arbeitet der Musiker das Melos gleich nachdrücklich in der Ober-, Mittel-, Unterstimme aus. So viel Heftigkeit wie herbe Poesie regt sich in ihm; gleichwohl sieht man beides fast nur seinen Händen an: Die zucken oder segeln von den Tasten auf, verharren wartend über ihnen oder senken sich sondierend auf sie herab. Technisch gelingt ihm ohnehin fast alles - wenngleich ihm nach der Pause, bei Rhapsodien und Fantasien von Johannes Brahms, in seiner Leidenschaftlichkeit ein Quantum Klarheit verloren geht.
Beim "Molto passionato" aus Opus 79, auch wenn er's in die Dunkelfarben einer fatalen Ritterballade taucht, weiß er dennoch theatralisches Brimborium und Sentimentalität zu umgehen. Und im "Intermezzo" opus 116/4 entfaltet er, statt Herzschmerzlichkeit, einen intimen inneren Monolog, dessen Klänge seine gleichberechtigten Hände abschattierend edel kolorieren.
Brahms, als Dank für kaum enden wollenden Applaus, auch als Zugabe: noch so ein "Glücksfall". Friedvoll lässt Gerhard Oppitz das Andante-"Intermezzo" opus 118/2 strömen, ein Stück, von dem er weiß, dass es "dem großen Meister Wilhelm Kempff sehr am Herzen lag". Da liegt es bei ihm auch: Es kommt von dort.