Tierheim Kulmbach Kritik setzt Lawine in Gang

„Unser Team macht gute Arbeit“, sagt der Tierschutzvereinsvorsitzender Wolfgang Hain. Gerüchte, die auf Facebook verbreitet werden, machen den  Tierschützern zu schaffen.

 
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Das Kulmbacher Tierheim hat es derzeit nicht leicht. Zu der vielen Arbeit, der Verantwortung für die Tiere und der ständigen Geldnot kommen nun noch alle möglichen Gerüchte, die vor allem auf Facebook verbreitet werden. Angefangen hat alles, nachdem eine selbst ernannte Katzenschützerin massive Kritik an den Haltungsbedingungen für drei verwilderte Katzen in einem großen Gehege im Tierheim geübt hatte, das sowohl den Segen  es Veterinäramts als auch des  Deutschen Tierschutzbunds hat (die Frankenpost berichtete). Einmal losgetreten, machte sich die Lawine auf den Weg.  Die Verantwortlichen des Tierschutzvereins sehen sich nun weiteren Vorwürfen ausgesetzt und fürchten nicht nur um den guten Ruf, den das Kulmbacher Tierheim seit vielen Jahren hat, sondern vor allem auch um die Spenden, ohne die das Heim nicht existieren kann. Vorsitzender Wolfgang Hain, Tierheimleiterin Carina Wittmann und ihre Stellvertreterin Angelika Enzmann haben bei einem Pressegespräch einige der Vorwürfe aufgegriffen und erklärt, was dahinter steckt.

Das Tierheim ist leer, und trotzdem nimmt der Tierschutzverein keine Hunde und Katzen aus dem Ausland auf? Tatsächlich: Derzeit sind nur drei Hunde und 30 Katzen sowie einige wenige Kleintiere im Heim.  Neun Hunde und bis zu 70 Katzen wären möglich. Das Tierheim jetzt voll zu machen mit Tieren aus dem Ausland halten die Verantwortlichen nicht für gut. Zum einen müsse das Tierheim Reserven für Fundtiere einplanen. Zum anderen: Es gebe immer wieder in der Region gestoppte illegale Tiertransporte, wo schlagartig bis zu 30 Welpen untergebracht werden. Und schließlich: Auch wenn Tiere derzeit wegen der Pandemie sehr gefragt sind, glauben die Kulmbacher Tierschützer, dass sich das Blatt wieder wenden und dann eine erhöhte Zahl an Abgabetieren kommen wird. Und dann gibt es noch einen ganz wichtigen Grund: Die wenigen staatlichen Fördermittel, die es für den Tierschutz gibt, fallen weg, wenn ein Tierheim  die Vermittlung von Auslandtieren betreibt.

Der Tierschutzverein finanziert keine Kastrationen und die Fütterung  wild lebender Katzen mehr? Glatter Unsinn, macht Wolfgang Hain deutlich. Der Tierschutzverein sehe die Kastration als oberstes Gebot und sei sich auch der Tatsache bewusst, dass für das Einfangen solcher Katzen ehrenamtliche Helfer gebraucht werden. Aber diese Arbeit, wenn sie der Verein finanzieren soll, müsse mit diesem auch abgesprochen werden. „Einfach eine Katze zum Tierarzt zu bringen und dort zu sagen, die Rechnung geht an den Tierschutzverein, geht halt nun mal nicht.“ Dasselbe gelte auch für das Futter. Wenn es möglich ist, unterstütze der Verein mit Futter. Aber auch da müsse er wissen, für welche Katzen an welcher Stelle das ist.
Der Tierschutzverein kümmert sich nicht um Streuner? „Wir müssen von diesen Fällen auch erst einmal wissen. Wir lesen nicht alles, was jemand auf Facebook schreibt. Eine direkte Info an uns, und wir tun auch was, sagt Hain.

Der Vorsitzende reicht die Hand: „Wir nehmen dankbar jede Kritik an und wir sind transparent“, sagt Wolfgang Hain. Nur so könne man Kritiker überzeugen. Jeder könne Fragen stellen, auch wenn einfachvorbeischauen derzeit wegen Corona auch im Tierheim nicht so einfach möglich ist. „Wir wären aber dankbar, wenn unsere Kritiker auch einmal andere Meinungen akzeptieren könnten.“ Und schließlich: „Der Ton macht die Musik!“


 

Ehrenamt: So manche Regel hat Potenzial für Streit

Auch wenn sicher alle, die  ehrenamtlich im Tierheim helfen wollen, mit ganzem Herzen dabei sind: Ohne Regeln geht es nicht, macht Vorsitzender Wolfgang Hain deutlich. Verantwortlich für das Heim und die Tiere sind Leiterin Carina Wittmann und ihre Stellvertreterin Angelika Enzmann. Das heißt: Sie sagen auch, was wann geht und was nicht. Das ist, wie der Vorsitzende berichtet, schon des Öfteren Anlass für Streit gewesen und wird es wohl auch für immer sein, wenn so viel Gefühl im Spiel ist. Wenn etwa ein freiwilliger Helfer einen Hund ausführt, bei  den die Tierheimleiterinnen einen Maulkorb für nötig halten, dann könne es nicht angehen, dass der Gassigeher den Maulkorb abnimmt und am Ende den Hund  auch noch frei laufen lässt. Doch das werde nicht immer akzeptiert. Wenn das Problem angesprochen wird, sei Ärger vorprogrammiert.

Nicht viel anders laufe es auch zuweilen mit den Leckerli. Nicht nur, dass es oft einfach viel zu viele sind, die der Hund oder die Katze bekommen soll. Es seien  auch Sachen dabei, die eigentlich kein Tierfutter sind, so sehr der Kulmbacher auch seine Bratwürste  schätzen mag. Als sich die Tierheimleitung schließlich entschloss, den Ehrenamtlichen, die sich um die Tierheim-Katzen kümmern, die Art und die Menge der Leckerli vorzuschreiben und  mehr oder gar selbst mitgebrachtes Futter zu verbieten, habe sich der nächste Zoff angebahnt. Es gebe Streit, ob nun ein Katzenzimmer zu warm oder das Waldgehege für die drei verwilderten Katzen zu kalt ist.

In dieser Wut seien auch schon so manche Gerüchte in die Welt gesetzt worden. Eins davon: Der Verein schläfere grundlos Tiere ein. Das würde schon daran scheitern, dass kein Tierarzt ein gesundes Tier tötet, sagt Wolfgang Hain. Aber selbstverständlich verbiete es auch die Ethik, dass ein Tierschutzverein Tiere ohne Anlass tötet. Wenn es gar nicht mehr geht und der Tierarzt dazu rät, werden sehr kranke Tiere  auch im Kulmbacher Tierheim eingeschläfert. Aber nur dann, betont Hain. In den vergangenen eineinhalb Jahren habe es zwei Euthanasien gegeben. 

 

250 Tiere landen jährlich im Heim

Wenn Tiere herrenlos aufgegriffen werden, landen sie meist im Tierheim. Das Team übernimmt dann nicht nur die Versorgung des Tieres. Die Mitarbeiter versuchen auch, den Besitzer zu finden. Etwa 30 Fundhunde pro Jahr landen im Kulmbacher Tierheim. Bei Hunden, sagt Wolfgang Hain, klappt es in den meisten Fällen, Herrchen und wieder zusammenzubringen.

Rund 99 Prozent Erfolgsquote stehen in der Statistik. Ander sieht es da bei den etwa 150 Fundkatzen aus, die jährlich im Tierheim landen. Mit nur 15 Prozent Fundtierrückführung, wie das im Fachjargon heißt, ist die Quote bei den Samtpfoten drastisch kleiner. Da heißt es, wenn die Suche nach dem eigentlichen Besitzer scheitert, einen neuen Menschen zu finden. Normalerweise müsste das Tierheim ein halbes Jahr warten, bis die Katze ermittelt werden kann. In der Praxis  gehen aber, wenn sich jemand für ein solches Tier meldet, die Vermittlungen schneller, allerdings mit dem Hinweis, dass es sein könnte, die Katze muss wieder an den ursprünglichen Besitzer gegeben werden. Das, sagt Wolfgang Hain, sei aber nie der Fall. „Wenn sich nach drei Wochen keiner gerührt hat, dann war es das.“ Jahr für Jahr vermittelt das Tierheim etwa 20 Hunde, 150 Katzen und 80 Kleintiere an tierliebe Menschen. Jährlich sind es unterm Strich rund 250 Tiere, um die sich das Team jedes Jahr kümmert.

Dabei landen nicht nur Hunde, Katzen oder kleine Nagetiere im Tierheim. Manchmal werden auch Reptilien abgegeben. Aber die gibt der Tierschutzverein an Spezialisten weiter, die sich auskennen. 
 

Nicht jedes Tier ist für jeden richtig

Beratung bei der Tierauswahl ist eine der Aufgaben, die sich der Tierschutzverein auf die Fahne geschrieben hat. Vor allem, wenn die Tierschützer abwinken, können  sie sich schnell mal Feinde machen, weiß Vorsitzender Hain. Er stellt aber klar, dass sich sein Team nicht davon abbringen lässt: „Das Tierheim ist das Sprachrohr der Tiere, nicht des Interessenten.“ Im Lauf der Zeit erleben die Tierschützer so manches, was sie den Kopf schütteln lässt: „Wenn einer sagt, er will eine rote Katze, die garantiert nie etwas kaputtmacht, dann muss ich dem halt zu einer Porzellankatze raten“, sagt der Vereinsvorsitzende. Auch Leute, die kommen, weil der „Opa einen Hund braucht, damit er nicht mehr so einsam ist“, schickten die Tierschützer weg. „Da muss der Opa schon selbst kommen.“

Was schief gehen kann, wenn sich jemand spontan und ohne Beratung ein Tier holt, sieht man an „Django“ (Foto). Die französische Bulldogge hatte sich am Sonntag jemand gekauft. Am Montag war der Hund bereits im Tierheim, weil er auf die Kinder, die in der Familie leben, losging. Verkauft worden war er als familienfreundlicher Zeitgenosse.  Aufgabe des Tierheim-Teams wird es nun sein, den richtigen Menschen für den Hund zu finden. 

Finanzen sind das Sorgenkind

„Ohne Spenden geht es nicht.“ Wolfgang Hain legt die Finanzen des Tierschutzvereins offen. Rund 150 000 Euro werden jährlich für den Betrieb des Tierheims gebraucht. Gehälter, Futter für die Tiere, Unterhalt des Gebäudes und der Anlagen, das Auto: All das kostet Geld. Allein an Tierarztkosten fallen Jahr für Jahr rund 25 000 Euro an. Jedes Jahr ist es ein Kraftakt, das nötige Geld aufzutreiben. Von den rund 600 Mitgliedern kommen etwa 16 000 Euro an jährlichen Beiträgen.

Die Kommunen im Landkreis zahlen pro Einwohner und Jahr für die Fundtierversorgung 50 Cent. Das reicht eigentlich schon längst nicht mehr. Ein Euro würde mindestens benötigt, sagt Hain. Nach der jetzigen Regelung kann  der Verein mit rund 36 000 Euro jährlich rechnen, wenn denn wirklich alle Gemeinden korrekt und pünktlich bezahlen. Aus Vermittlungsgebühren für Tiere kommen etwa 10 000 Euro zusammen. Mit dem Flohmarkt und dem Tierheimfest hat der Verein sonst immer etwa 20 000 Euro gut  gemacht. Aber in Coronazeiten kann das nicht stattfinden. Zuweilen kommt  Geld aus Strafen, die Gerichte verhängt haben. Aber selbst in guten Zeiten wären das erst gut 80 000 Euro.

Ohne die bislang jährlich etwa 60 000 Euro an Spenden ginge es gar nicht. Das zeigt, wie sensibel diese Finanzierung ist und wie weh es dem Verein und vor allem den Tieren täte, wenn die Spenden ausblieben oder deutlich zurückgingen. Schon jetzt, sagt Hain, macht der Verein jährlich etwa 20 000 Euro Verlust. Das kann er bislang auffangen, weil er aus  Erbschaften Rücklagen bilden konnte. 

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