Toxisches SchocksyndromWarum Tampons gefährlich werden können
Markus Brauer 19.06.2024 - 08:42 Uhr
In Japan häufen sich Fälle von TSS. Das Kürzel steht für toxisches Schocksyndrom. Wir erklären, was diese Infektionskrankheit auslöst, wie gefährlich sie ist, wie man sie behandeln kann und warum TSS auch Tamponkrankheit genannt wird.
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Die Regierung in Tokio bemüht sich, Befürchtungen im In- und Ausland wegen einer deutlichen Zunahme von Fällen einer lebensbedrohlichen Bakterieninfektion zu zerstreuen. Es geht dabei um das sogenannte toxische Schocksyndrom (TSS, englisch: Toxic shok syndrome) –, auch Streptokokken-induziertes toxisches Schocksyndrom genannt.
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Wie viele TSS-Fälle hat es gegeben?
Japan sei nicht das einzige Land, das von TSS betroffen sei, sagte Regierungssprecher Yoshimasa Hayashi. Seit dem Ende der Corona-Pandemie habe auch die Zahl der Atemwegserkrankungen „in diversen Ländern zugenommen“.
Seit Jahresbeginn wurden in dem asiatischen Inselstaat rund 500 der von Streptokokken-Bakterien verursachten TSS-Fälle registriert. Das toxische Schocksyndrom kann zu Organversagen führen und endet in einem von drei Fällen tödlich.
Welche Bevölkerungsgruppen sind betroffen?
Die Ursache für den rasanten Anstieg der bakteriellen Infektion, die auch tödlich enden kann, ist bislang unklar. „Es gibt noch viele unbekannte Faktoren hinsichtlich der Mechanismen, die den fulminanten - also schweren und plötzlichen - Formen von Streptokokken zugrunde liegen. Und wir sind noch nicht so weit, dass wir sie erklären können“, teilte die japanische Gesundheitsbehörde mit.
Während normalerweise ältere Menschen die Risikogruppe bilden, verzeichnet Japan nun vermehrt Todesfälle bei Personen unter 50 Jahren. Von den 65 Personen unter 50 Jahren, bei denen zwischen Juli und Dezember 2023 TSS diagnostiziert wurde, sei etwa ein Drittel gestorben, wie die japanische Zeitung „Asahi Shimbun“ berichtete.
Warum hat Nordkorea ein Fußballspiel gegen Japan abgesagt?
Nordkorea hatte jüngst dem japanischen Fußballverband mitgeteilt, dass es die japanische Mannschaft nicht wie geplant zu einem Qualifikationsspiel für die Fußball-WM 2026 empfangen könne.
Gründe nannte das international isolierte Land nicht. Der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo zufolge waren aber wahrscheinlich die gehäuften TSS-Fälle in Japan der Grund. Das geplante Spiel wurde verschoben und findet laut Asiatischem Fußballverband nun zu einem späteren Zeitpunkt auf neutralem Gebiet statt.
Das Toxische Schocksyndrom ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst werden kann. Die Keime kommen überall in der Natur vor und besiedeln auch den Menschen. Wenn sie sich übermäßig vermehren und Toxine - also Giftstoffe - freisetzen, können sich gefährliche Erreger bilden.
TSS wird durch die Exotoxine von Staphylokokken-aureus oder Streptococcus-pyogenes-Stämmen verursacht. Exotoxine (das Gegenteil sind Endotoxine) sind von Bakterien abgesonderte Giftstoffe, gegen die der Wirtskörper Gegengifte (Antitoxine) bilden kann.
Welche Krankheitssymptome treten auf?
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin manifestriert sich TSS in Halsschmerzen, hohem Fieber, Schüttelfrost, Unwohlsein und bei Kindern auch Bauchbeschwerden und Erbrechen. Zudem können hoher Blutdruckabfall sowie diffuse erythematöse (mit Rötungen einhergehende) Hautausschläge auftreten bis hin zu einem Multiorganversagen, das rasch in einen schweren und schwer behandelbaren Schock übergehen kann.
Die Erkrankung wird mit Antibiotika – vorzugsweise Cephalosporine oder Amoxicillin – behandelt. Der Krankheitserreger wird in der Regel stationär durch die intravenöse Gabe von Antibiotika bekämpft.
In den Jahren 2022 und 2023 hatte es auch in Europa, Nordamerika und Australien gehäuft Infektionen mit Streptokokken vom Typ A gegeben, die TSS auslösen können. Umgangssprachlich ist das Syndrom auch als Tamponkrankheit bekannt, da es in einer Vielzahl von Fällen im Zusammenhang mit der Benutzung von Tampons während der Menstruation auftritt.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen TSS und Tampons?
Dass es einen Zusammenhang zwischen dem toxischen Schocksyndrom und Tampons gibt, wurde erstmals in den 1980er-Jahren in den USA festgestellt, als besonders saugfähige Produkte auf den Markt kamen. Diese Tampons wurden damit beworben, dass sie länger im Körper verbleiben können, weil sie mehr Blut aufnehmen. Seitdem häuften sich auch Fälle von TSS.
Fakt ist: Ein Tampon kann TSS auslösen, ist aber keine zwingende Voraussetzung dafür. Tatsächlich können alle Menschen diese bakterielle Infektionskrankheit bekommen.
Warum können Tampons gefährlich werden?
In der Vagina herrscht ein feucht-warmes Milieu, das Bakterien und Pilze bestens gedeihen lässt. Die meisten Keime existieren ohne Beschwerden hervorzurufen. Auch Staphylococcus aureus kann in der Vaginalflora vorkommen.
Tampons bieten den Bakterien allerdings eine wachstumsfördernde Umgebung. Der länglich gepressten Watte- oder Mullbausch saugt sich mit Blut voll, ist warm und feucht. Die Oberfläche des Viskose-Watte-Streifens bietet optimale Bedingungen für Keime, um sich dort anzusiedeln.
Zudem gelingt es der Immunabwehr des Körpers eher schlecht als recht, gegen die Bakterien im Tampon vorzugehen, weil sie dort vom restlichen Körper quasi abgesondert sind. Die Keime können sich so ungestört vermehren. Problematisch wird es dann, wenn das von den Bakterien produzierte Toxin (Gift) in die Blutbahn gelangt.
Können Menstruationsprodukte generell TSS begünstigen?
Dasselbe Prinzip gilt auch bei Menstruationstassen, Binden oder Schwämmen. Auch hier können sich Bakterien vermehren, wenn nicht auf eine sorgfältige Hygiene geachtet wird. Das bedeutet:
Tampons sollten alle vier bis sechs Stunden gewechselt werden.
Menstruationstassen sollten nach dem Gebrauch nicht nur ausgespült, sondern ausgekocht werden.
Ausreichend Wechselmaterial sollte vorhanden sein.
Die Hände sollten vor und nach dem Einführen und Entfernen der Menstruationsprodukte gründlich gewaschen werden.
Wie wird TSS übertragen?
Streptokokken und Staphylokokken werden durch Tröpfchen und Körperkontakt übertragen. Das Bakterium kann Patienten auch über Wunden an Händen und Füßen infizieren.
Das japanische Gesundheitsministerium hatte die Bevölkerung daher bereits im Januar aufgerufen, sich regelmäßig die Hände zu waschen, Abstand zu anderen Menschen zu halten und an stark besuchten öffentlichen Orten eine Maske zu tragen (mit AFP-Agenturmaterial).