Ukraine So wirkt sich der Krieg auf Hof aus

red
Natalia Abramova, Ludmila Razinina, Halyna Moroz, Iryna Nesterenko und Olena Kryvocheia lassen die Nadeln klappern. Sie wollen ihren Landsleuten in der Ukraine helfen, mit warmen Socken besser durch den Winter zu kommen. Foto: Lisbeth Kaupenjohann

Das Engagement für Geflüchtete in der Stadt ist von Anfang an enorm. Beruflich und ehrenamtlich sind viele mit dem Thema befasst; Stadt und Landkreis arbeiten eng zusammen.

 
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Seit einem Jahr ist Krieg in der Ukraine. Der Angriff Russlands wirkt sich weiterhin stark auf die Stadt Hof aus. Darüber berichtet die Verwaltung in einer ausführlichen Pressemitteilung. Wie daraus hervorgeht, befinden sich 1450 gemeldete Ukrainerinnen und Ukrainer in Hof und 890 im Landkreis.

Stadt vor Herausforderungen

Seit einem Jahr helfen Menschen denjenigen, die vor Bomben und Tod geflohen sind. „Als im Frühjahr 2022 die ersten Flüchtenden in der Stadt ankamen, war für uns Hofer klar: Wir helfen. Und das stellt uns bis heute vor riesige Herausforderungen“, sagt Oberbürgermeisterin Eva Döhla. Mit dem Krieg sei eine ungeheure Mehrbelastung auf die Fachbereiche im Rathaus zugekommen, die sich durch jedes weitere katastrophale Ereignis, ob Erdbeben oder Energieknappheit, weiter verschärfe. Wochenendarbeit, Überstunden und zusätzliche Schichten haben sich in Anbetracht der schon vor der Krise prekären Personallage in der Stadtverwaltung weiter erhöht. Angefangen beim Fachbereich Jugend und Soziales und der Ausländerstelle, die die Flut der Anträge auffangen mussten, über den Bereich Sicherheit und Ordnung, der sich mit Hilfsorganisationen um die Unterbringung kümmern musste, bis zum Sachgebiet Personal. Bis heute muss die Ausländerstelle priorisieren, was dringend ist und was zurückgestellt werden kann. Sollen zum Beispiel zunächst die Aufenthaltstitel der Ukrainerinnen und Ukrainer verlängert werden oder kümmert man sich um die Familienangehörigen, die aus dem Erdbebengebiet nach Hof kommen? Vieles muss gleichzeitig passieren, wenn über tausend Personen zusätzlich erfasst werden müssen.

Schnell fand sich mit der Jugendherberge eine geeignete Immobilie. Dort fanden Menschen ohne Wohnmöglichkeit ein vorübergehendes Zuhause. Durch Unterstützung von Ehrenamtlichen und Vermittlung durch die Stadt haben sie alle eine eigene Wohnung gefunden. Integration, Wohnraum und Job, diese Themen standen am Anfang des Krieges noch nicht im Zentrum. Erst einmal ging es um praktische Fragen zu Übersetzung, Verpflegung und Sprachkursen. Es galt, Anträge auszufüllen, Begleitungen zum Arzt oder zu Behörden zu organisieren. Der Fachbereich Jugend und Soziales habe Außergewöhnliches geleistet, schreibt die Stadt.

Integrationslotsinnen vermitteln

Eine weitere Schlüsselrolle übernahmen die Integrationslotsinnen der Diakonie Hochfranken, Bärbel Uschold und Hanna Vinichuk. „Ausgesprochen gut“ sei die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen in Stadt und Landkreis, berichtet Uschold, Integrationslotsin für die Stadt Hof. Auch Hanna Vinichuk, Integrationslotsin für den Landkreis, weist auf die Bereitschaft zu helfen hin, die zwischen den Wohlfahrtsverbänden, den Institutionen und ehrenamtlichen Helfern bestehe. Bürokratische Hürden oder wirtschaftliche Vergleiche träten in den Hintergrund. Ebenso sei der Austausch auf politischer Ebene solidarisch und pragmatisch. „Ab Tag eins des Ukraine-Krieges bis heute sitzen alle Entscheidungsträger in einer regelmäßigen Konferenz. Mit den Erfahrungen aus der Syrien-Krise 2015 sind wir viel näher zusammengerückt“, erzählt Vinichuk weiter.

Die beiden Integrationslotsinnen heben ihre Arbeit über den Tellerrand. Sprichwörtlich. Denn die Initiative „Über den Tellerrand“ bringt Flüchtende und Hofer zusammen. Sie kochen zusammen und pflegen so ein unkompliziertes Miteinander. In vielen anderen Initiativen produzieren die Teilnehmer beispielsweise Wollsocken, lesen Märchen vor oder üben Deutsch. Da sitzen Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen, damit sich nicht, wie in Großstädten, unabhängige Randgruppen bilden.

Schnittstelle im Rathaus

Was hat sich verändert in der Stadt seit Beginn des Krieges? Zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen kümmern sich in enger Zusammenarbeit mit den Integrationslotsinnen um die Koordination der Hilfen. Sie stellen die Schnittstelle zwischen Ehrenamt, Hauptamtlichen, den Diensten der Wohlfahrtseinrichtungen und weiteren Netzwerkpartnern dar. Helfer, die sich freiwillig und unentgeltlich engagieren, sind seit Beginn der Krise eingebunden. So koordiniert eine Mitarbeiterin aus dem Fachbereich Demografie und Migration der Stadt etwa einen ehrenamtlichen Übersetzerpool, der in den Ämtern – zum Beispiel in der Asylstelle, dem Ausländeramt, dem Einwohnermeldeamt und in Sachen Sozialhilfe – Unterstützung bietet. Innerhalb von 14 Tagen gelang es, mit diesem ehrenamtlichen Pool die Öffnungszeiten des Einwohnermeldeamts sowie der Asylstelle komplett abzudecken, um die Fälle möglichst schnell und effektiv bearbeiten zu können. Diesen Dienst hielt die Stadt über mehrere Monate hinweg aufrecht. Einige Ehrenamtliche hat sie in ihren bestehenden Sprachmittler-Pool aufgenommen, um auch so die Unterstützung in den Behörden, aber auch in Schulen und Kitas zu ermöglichen.

Darüber hinaus steht die Integreat-App als Gemeinschaftsprojekt von Stadt Hof, Landkreis Hof sowie der Diakonie Hochfranken den Geflüchteten mit Informationen und einer Wohnungsbörse zur Verfügung. Bei der Volkshochschule Hofer Land sind etwa 800 Ukrainer für Sprach- und Integrationskurse angemeldet. Darüber hinaus gibt es weitere Sprachangebote, zum Beispiel im Internationalen Mädchen- und Frauenzentrum der EJSA. Die Stadt Hof hat über das Projekt „Kita-Einstieg Stadt Hof“ eine zusätzliche Fachkraftstelle geschaffen. Das Projekt unterstützt Kinder und deren Eltern bei der Integration. „Kita-Einstieg – Brücken bauen für frühe Bildung“: So heißt das Programm, das eine große Zahl der Flüchtenden betreut. Es bietet allen Familien Unterstützung, die einen Kita-Platz suchen. Dadurch haben zahlreiche ukrainische Kinder einen Platz erhalten. Anders als der Landkreis besitzt die Stadt einen eigenen Fachbereich für Migration und Integration mit zwei Vollzeitkräften. Innerhalb kürzester Zeit zog sie zwei weitere Mitarbeiter heran, die sich um das Thema Wohnraum kümmerten.

Mehr Hilfe als gefordert

Der Zuzug von Flüchtenden nach Hof reißt nicht ab. Die anfänglichen Schwierigkeiten lagen daran, dass die Stadt weitaus mehr Flüchtlinge aufgenommen hat, als der bundesweite Verteilungsschlüssel vorsieht. Mit 148 Prozent Überquote liegt Hof bayernweit an der Spitze. Dank der hier großen Gemeinschaft von Ukrainern organisieren sich die Menschen etwa über soziale Netzwerke oder nutzen verwandtschaftlichen Beziehungen. Zwei Jahre lang dürfen die Menschen aus der Ukraine in Deutschland bleiben: am Vereinsleben teilnehmen, Deutsch lernen, arbeiten. Das ist eine Perspektive.

„Zuwanderung ist kein Nischenthema, und eine Krise wie die in der Ukraine kann als Katalysator wirken, das Thema weiter oben auf der politischen Agenda zu platzieren“, resümiert Eva Döhla. „Es haben sich Bedarfe gezeigt. Zum Beispiel haben sich durch den Zuzug der Menschen die Anforderungen an den öffentlichen Personennahverkehr erhöht. Bustickets und Anbindungen zwischen Stadt und Landkreis sollten einheitlich, erschwinglich und leicht verständlich sein. Viele Themen bekommen durch die Integrationsarbeit eine besondere Relevanz.“

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