Wenn man so nah dran ist und das Gefühl „Das ist meine Heimat, mein Zuhause“ dazukommt, ist es natürlich schwierig, rational zu handeln. Verrückt ist es trotzdem. Unsere Tochter Sofia ist immer noch in Dnjepropetrowsk – mit ihrer Mutter bei deren Schwester. Dort gibt es regelmäßig Luftalarm. Ihre Heimatstadt Marhanez wurde zuletzt wieder zwei Mal angegriffen. Die Russen haben dort die Strom- und Wasserversorgung attackiert. Mittlerweile ist alles repartiert. Trotzdem ist es für mich schwierig zu verstehen, dass die beiden nicht mit mir in die Westukraine gekommen sind. Anfang September sind die Ferien zu Ende gegangen. Jetzt hat Sofia wieder Online-Unterricht. Hier dagegen gehen die Kinder wieder normal in Kita und Schule. Luftalarm gibt es so gut wie nie. Alle sind in Sicherheit. Der Krieg findet meist nur in den Nachrichten statt. In den Cafes läuft immer ein Sender, der sich den ganzen Tag mit dem Krieg beschäftigt. Freilich: Im Stadtgebiet sind auch hier viele ukrainische Soldaten unterwegs. Das gilt sogar für den Kurpark, der nur fünf Minuten von meiner Unterkunft entfernt ist. Truskawez ist ein bekannter Kurort am Fuße der Karpaten mit 30 000 Einwohnern. Früher kamen viele Russen hierher. Das hat nach 2014 abrupt aufgehört. Sie wären auch nicht mehr willkommen. Während in Marhanez alle Menschen auch russisch sprechen, kommt das hier praktisch nicht vor. Alles Russische ist seitdem verpönt.