Zum großen Erfolg der Premiere – das Publikum applaudiert beim zwanzigminütigen Schlussbeifall stehend – tragen nicht minder das Bühnenbild (Manuela Weih) mit wenigen, geschickt eingesetzten Kulissen, die mitreißenden Ensemble-Choreografien (Anita Holm) und die live auf der Bühne von einer zwölfköpfigen Band gespielte Musik (Leitung: Martin Steinlein) bei. Und natürlich die anderen Darsteller im großen Ensemble dieser aufwendigen Produktion.
Prüfung bestanden
Allen voran Carmen Wiederstein in der Co-Hauptrolle der Mutter Oberin. Sie überzeugt – sängerisch sowieso – in den Ensembleszenen, vor allem aber in ihren schönen Solo-Songs, die einmal eine in sich Ruhende und ein anderes Mal eine verzweifelt mit Gott Hadernde zeigen. Der Zwiespalt der souveränen Ober-Nonne ist absolut glaubhaft gespielt: Sie muss plötzlich mit einer Göre zurechtkommen, die mit obszönen Ausdrücken um sich wirft und die Nonnen mit weltlichen Ansichten infiziert. Für „Mutti“, wie Deloris sie respektlos nennt, ist dieses Asyl für die Zeugin die eigentliche Prüfung in der Geschichte – die sie beim Showdown aber mit Bravour besteht.
Nicht ganz so lange brauchen ihre Schäflein, um Deloris ins Herz zu schließen. Schön sind hier die sprechenden Namen der Marys: Sie heißen etwa Lichter, Lafer und finden das karge Weihnachtsessen „lecker“; oder Nirvana (Henrike Starck), die Esoterisch-Vergeistigte, die fließend Spanisch spricht.
Diese Nonnen sind die Schau
Sie alle und vor allem ihren müden, um nicht zu sagen atonalen Chorgesang nimmt sich Deloris zunächst unfreiwillig, dann immer engagierter vor. Sie bringt den in Eintönigkeit versunkenen Nonnen (die Flöten-)Töne bei., treibt sie zu sängerischen und tänzerischen Höchstleistungen – und schließt sie dabei allesamt selbst ins Herz. Als Zuschauer kann man nur begeistert den Kopf schütteln: Diese Nonnen sind die Schau!
Besonders die Novizin Mary Robert (Sarah Kornfeld): Das verhuschte, gehorsame Mäuschen mausert sich dank des pragmatischen, weltlichen Einflusses zu einer starken jungen Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen will. Oder Mary Patrick (Christine Rothacker): Die quirlige – vermutlich irische – Nonne hat offensichtlich nur auf jemanden gewartet, der Musik genauso liebt wie sie und der ihr Ventil öffnet: Endlich darf sie so sein, wie sie will – auch wenn sie manchmal ein wenig übers Ziel hinausschießt. Und schließlich Mary Lazarus. In der Rolle der in mehrfacher Hinsicht lahmen Chorleiterin wirft Maike Switzer bald alle Krücken von sich und rapt, was das Zeug hält.
Und da sind ja noch die Männer im Ensemble: der Monsignore (Torsten Ankert), der aufs Geld schauen muss, damit die Kirche nicht doch an die Chinesen Pe-nun-sen und Ka-ching verkauft wird; der gehemmte Cop Eddie (Sascha Luder), der sich in seiner Solo-Nummer als verhinderter John Travolta im lila Glitzeranzug outet; der Gangster Curtis (Markus Krenek), der nur ein Ziel kennt: „Ich mach sie kalt“.
Männliche Volltreffer
Die tatsächlichen männlichen Volltreffer der Inszenierung jedoch sind gleich drei: der Möchtegern-Aufreißer Joe (Tom Schimon), Curtis kuschender Neffe TJ (Maurice Daniel Ernst) und der spanisch sprechende Pablo (Marco Fahrland-Jadue). Als trottelige Gangster-Gang ernten sie ein ums andere Mal Lachsalven der Zuschauer; etwa, wenn sie beratschlagen, wie sie die Nonnen überzeugen sollen, ihnen Zutritt zum Kloster zu verschaffen („gönn dir eine kleine Sünde, Babe“), oder wenn sie ihre Wirkung auf Frauen an der „hübschen Schnalle in der ersten Reihe“ demonstrieren wollen. Köstlich!
„Sister Act“ 2022 auf der Luisenburg hat – das kann man ohne Übertreibung sagen – Großstadtformat. Hoffentlich haben die Spielplan-Macher noch ein paar Termine für Zusatz-Vorstellungen freigehalten. Sie werden sie vermutlich brauchen.