Das Landeskabinett in Düsseldorf beschloss am Donnerstag Soforthilfen für Privatbürger, Wirtschaft, Landwirte und Kommunen in Höhe von 200 Millionen Euro. Der Bund habe zugesagt, die Summen der Länderhilfspakete jeweils zu verdoppeln, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Anträge könnten sofort gestellt werden.
Maximal 3500 Euro pro Haushalt
Für betroffene Bürger gebe es einen Sockelbetrag in Höhe von 1500 Euro pro Haushalt, sagte Laschet. Für jede weitere Person stünden 500 Euro bereit. Insgesamt würden maximal 3500 Euro pro Haushalt ausgezahlt. Bedürftigkeits-, Vermögens- und Detailprüfungen werde es nicht geben. „Entscheidend ist, dass das Geld jetzt schnell bei den Menschen ankommt“, sagte er. Er kündigte zudem an, in einer Ministerpräsidentenkonferenz klären zu wollen, welchen Anteil jedes Bundesland an den Folgekosten der Flutkatastrophe übernehmen werde.
Der DWD bezeichnete die Katastrophe in einer klimatologischen Einordnung als „Jahrhundertereignis“. An einer ungewöhnlich großen Zahl von Stationen im Westen seien bisherige Rekorde weit übertroffen worden. Innerhalb weniger Stunden oder Tage sei im Mittel über ganze Flusseinzugsgebiete das 1,5 bis zweifache des mittleren Niederschlages im Juli bezogen auf die Referenzperiode 1991-2020 erreicht worden.
128 Tote in Rheinland-Pfalz
Mehr als 150 Menschen werden in Rheinland-Pfalz noch vermisst. „Eine Woche nach einem solchen Ereignis nehmen die Chancen, dass Vermisste noch leben können, ab“, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) in einer Sondersitzung von drei Landtagsausschüssen. Von den 128 Toten in Rheinland-Pfalz seien bisher 62 identifiziert. „Wir planen keine Massenbeerdigung. Wir wollen, dass die Menschen in Würde von ihren Lieben bestattet werden können“, sagte Lewentz. Er zeigte sich besorgt, dass der für das Wochenende angekündigte Regen die Lage zusätzlich erschweren könne.
Die Schäden sind immens. Im Kreis Ahrweiler wurden nach Angaben von Lewentz unter anderem 62 Brücken zerstört, 19 Kindertagesstätten sowie 14 von 60 Schulen stark beschädigt oder zerstört. Das finanzielle Ausmaß der Hochwasserkatastrophe ist nach den Worten der Mainzer Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) noch unklar.
Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) machte sich am Donnerstag vor Ort ein Bild von der Lage in Rheinland-Pfalz: Gerda Hasselfeldt besuchte in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine ambulante Arztpraxis des DRK. „Wir stellen uns schon darauf ein, dass wir noch mehrere Monate Hilfe zu leisten haben“, sagte sie. „Wir bleiben auf jeden Fall, solange die Menschen die Hilfe nötig haben.“
DRK-Helfer aus ganz Deutschland im Einsatz
Rund 3500 Helfer des DRK aus ganz Deutschland seien derzeit in den von betroffenen Gebieten im Einsatz. „Diese Hilfe wird auch vonseiten der Bevölkerung sehr anerkannt“, sagte Hasselfeldt. Zudem gebe es eine große Spendenbereitschaft: Bereits mehr als 15 Millionen Euro seien an Spenden eingegangen.
Der Präsident der Bundesvereinigung des Technischen Hilfswerkes, Marian Wendt, sprach sich für mehr zentrale Steuerung im Krisenfall aus. „Der Einsatzleiter vor Ort hat mitunter gar keinen Überblick darüber, welche Kräfte zur Verfügung stehen“, sagte der CDU-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Wir brauchen eine Lagekoordinierung auf Bundes- und Landesebene bei Katastrophenfällen.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) plädierte dafür, Planungsverfahren für Hochwasserschutz-Maßnahmen zu beschleunigen.
Im Katastrophengebiet Erftstadt-Blessem in Nordrhein-Westfalen kehrten Anwohner am Donnerstag in ihre Häuser zurück. Viele Menschen waren unmittelbar nach der Katastrophe zwar einmal kurz dort gewesen, um die wichtigsten Habseligkeiten zu holen - mussten dann aber wieder weg, denn es galt ein Betretungsverbot.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will für die Opfer und Betroffenen der Flutkatastrophen am Freitag in ganz Deutschland die Kirchenglocken läuten lassen. Gleichzeitig lädt die EKD zu Gebeten und Andachten ein. Man habe zudem gemeinsam mit der Diakonie vier Millionen Euro an Spenden für die Betroffenen zur Verfügung gestellt, hieß es.