Gelten Sie in ihrem Umfeld als Exot?
Naja, ich führe ein bürgerliches Leben in einem exotischen Beruf. Ich bin diszipliniert, stehe für einen Musiker früh auf, arbeite und lese viel und kenne keine Exzesse. Ich habe noch nie Kokain, Heroin oder Haschisch genommen, trinke jedoch gerne ein Glas Wein. Aber auch das wird weniger, man verträgt den Rotwein einfach schlechter als früher (lacht). Das Rauchen habe ich auch aufgegeben, vor zwei Jahren, auch wegen der Stimme. Das klappt gut.
Warum haben Sie die Drogen nie probiert?
Weil ich Angst hatte, es könnte mir zu gut gefallen. Ich halte mich durchaus für ein lebendes Suchtpotential.
Ihre Stimme klingt kräftig und wirklich sehr gut auf „Schöne Grüße vom Schicksal“. Liegt das an den fehlenden Kippen?
Danke, das ist mir auch aufgefallen. Vielleicht zum Teil. Das liegt aber auch am Material, die neuen Stücke lassen sich sehr gut singen. Auch live wird das eine große Freude sein.
Ist „Luft nach oben“ die Hoffnungs-Hymne für alle Über-Sechzigjährigen?
Das Lied hat einfach nur Spaß gemacht. Ich verbinde keine tiefere Absicht damit. Ich finde es schade, dass die Leute bei so einem hämmernden Refrain eher an den Ballermann denken als die großartige Popband Sparks, von der es eigentlich inspiriert ist.
Auch textlich ist das Stück mit „Ja jetzt wird abgehoben“, „Da geht noch was“ oder „Wir springen, springen, springen“ sehr nah am Schlager.
Ich tue mich mit solchen Begriffen schwer. Die Grenzen werden immer unschärfer, der Schlager bemächtigt sich mehr und mehr der Ausdrücke der Rockmusik. Gerade bei den Songs dieser jungen Männer denke ich oft „Könnte Deutschpop sein, könnte auch Schlager sein“.
Auch die Single „Ich sag’s dir gerne tausendmal“, ein lupenreines, extrem gutgelauntes, Liebeslied, passt auf Schlagerpartys.
Mag sein. So einen positiven Titel zu schreiben, ist übrigens längst nicht so einfach wie er klingt. Im Radio zwischen Beatrice Egli und Howard Carpendale hat dieser Song sicher bessere Chancen als „Wie tut man denn sowas“. Das Lied richtet sich ganz schlicht an jeden Menschen, der einen anderen liebhat – egal, ob homo, hetero oder dreigeschlechtlich (lacht).
Das Album endet mit dem Lied „Die ganz normalen Menschen“, Sie singen: „Sie haben ganz normale Wünsche, sie haben ganz bescheidene Ziele“. Ein Lied für all die Vergessenen?
Ein Lied für all die Ärzte, Polizisten, Feuerwehrleute und Krankenpfleger, für all die Leute also, die dafür sorgen, dass es läuft in der Gesellschaft. Ich habe manchmal das Gefühl, dass unsere demokratischen Parteien viel schwafeln und sich um Kapriolen kümmern, aber diese Mehrheit von hart arbeitenden Menschen einfach zu wenig beachtet. Ich sage immer gerne: Das ist das Lied, das Martin Schulz gefehlt hat (lacht). Gerade die SPD hat extreme Probleme damit, dass sich die einfachen Menschen nicht mehr von ihr repräsentiert fühlen und deshalb zur Linkspartei und zur AfD laufen.
Wie kann man die Lage verbessern?
Politiker leben unter einer Käseglocke, mit einer sehr eigenen Wahrnehmung und einem sehr eigenen Vokabular. Eine Anbindung von Politikern an das normale Leben wäre wichtig. Man müsste verbieten, dass die gleich von der Uni uns Parlament gehen. Jeder Abgeordnete sollte erstmal einem richtigen Job nachgehen, damit er weiß, wie die Menschen ticken.
Ihre persönlichen Helden wie Dylan, Neil Young und Springsteen sind alle noch 10, 15 Jahre älter als Sie. Was bedeutet das für ihre eigene Zukunftsplanung?
Ich würde mir wünschen, dass ich meinen Beruf noch mindestens 20 Jahre ausüben kann. Etwas Besseres fällt mir nicht ein.
Heinz Rudolf Kunze auf Tour
Der deutsche Liedermacher gastiert am 1. September um 19.30 Uhr im Serenadenhof in Nürnberg und am 13. Januar um 20 Uhr in der Stadthalle in Chemnitz. Karten gibt es in unserem Ticketshop.