Existenzielle Risiken für Firmenchefs
Zwar falle die Ausgestaltung der Geldbußen in die Kompetenz der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten, erklärte der Kartellsenat. Jedoch müssten die Staaten nach EuGH-Rechtsprechung sicherstellen, dass nationale Wettbewerbsbehörden bei Kartellrechtsverstößen wirksame Geldbußen verhängen können. Diese Wirksamkeit könnte beeinträchtigt sein, wenn sich ein Unternehmen mit dem Rückgriff auf Führungskräfte von der Bußgeldlast entlasten könnte. "Daher stellt sich auch die Frage, ob die Abwälzung der Geldbuße des Unternehmens auf den Geschäftsführer nach Maßgabe gesellschaftsrechtlicher Vorschriften den Zweck der kartellrechtlichen Geldbuße beeinträchtigt", so der BGH.
Falls der BGH am Ende im Sinne der klagenden Unternehmen urteilt, hätte das für Firmenchefs erhebliche Folgen. "Sollte der BGH eine Regressmöglichkeit bejahen, wären Geschäftsführer und Vorstände existenziellen Haftungsrisiken ausgesetzt", sagt Rechtsanwalt Lorenz Jarass von der Kanzlei Noerr. "Die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder liegen häufig im Millionen-, wenn nicht gar im Milliardenbereich, und in vielen Fällen greift, jedenfalls der Höhe nach, nicht der D&O-Versicherungsschutz für Geschäftsführer und Vorstände."
Die sogenannte Directors-and-Officers- oder D&O-Versicherung ist eine Haftpflichtversicherung, die Führungskräfte vor Vermögensschäden schützt. Sie spielt auch bei dem vorliegenden Fall eine Rolle. So hatte das OLG betont, dass der Sanktionszweck des Bußgelds vor allem dann gefährdet wird, wenn Vorstand und Geschäftsführer über eine D&O-Versicherung weit über die Höhe des Bußgelds hinaus versichert sind.