Bei Sex-Date Oberfränkin soll Mann erstochen haben

Die Angeklagte (rechts) am Freitag am Landgericht Bamberg. Foto: Joachim Dankbar

Eine 19-Jährige steht in Bamberg vor Gericht, weil sie einen Mann erstochen haben soll, mit dem sie ein Sexdate vereinbart hatte. Mutmaßliches Motiv: Geltungssucht und Verehrung für einen amerikanischen Serienmörder.

 
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Bamberg - Auch wenn es in der Öffentlichkeit oft anders wahrgenommen wird: Es ist relativ selten, dass ein Mensch in Deutschland wegen Mordes vor Gericht gestellt wird. 2020 gab es ganze 280 Opfer. Noch viel seltener ist es, dass die Anklage davon ausgeht, dass der Täter aus Mordlust gehandelt hat, also mordete, um zu morden. Genau dieser Anklage sieht sich eine 19-Jährige aus dem Landkreis Forchheim gegenüber, gegen die seit dem Freitag vor dem Landgericht Bamberg verhandelt wird.

Im 1. Mai des vorigen Jahres soll Sarah M. einen 40-jährigen Mann aus Nürnberg auf der Internet-Plattform Badoo angesprochen und sich mit ihm zum Sex verabredet haben. Der ihr vorher unbekannte Mann holte sie abends mit seinem Auto in ihrem Heimatdorf ab. Auf einem Feldweg nahe der Bundesstraße 470 habe Sarah M. dann völlig unvermittelt zu einem Messer gegriffen und es dem Fahrer in den Hals gestoßen.

Durch den Stich verletzte sie eine Halsschlagader. Dem 40-Jährigen gelang es trotz der schweren Verletzung noch, der Täterin das Messer abzunehmen, sich zur nahe gelegenen B 470 zu schleppen und dort Autofahrer auf seine Notlage aufmerksam zu machen. Obwohl der Rettungsdienst schnell zur Stelle war, war sein Leben nicht mehr zu retten. Fast drei Wochen nach der Tat starb er im Uniklinikum Erlangen.

Das Motiv für die Bluttat, das Oberstaatsanwalt Michael Hoffmann verlas, ist nur schwer fassbar: Sarah M. soll in Verehrung des amerikanischen Serienmörders Ricardo Munoz Ramirez – genannt Nightstalker – gehandelt haben. Zwischen 1984 und 1985 brachte dieser in Kalifornien 13 Menschen um und vergewaltigte mindestens elf von ihnen. Unter seinen weiteren Vergewaltigungsopfern waren auch Kinder beiderlei Geschlechts. Nach 28 Jahren im Todestrakt starb Ramirez 2013 an Leberversagen. Die Staatsanwaltschaft Bamberg geht davon aus, dass Sarah M. mordete, um ein ebenso großes Aufsehen zu erregen wie ihr bizarres Vorbild. Ob sie dafür auch weitere Morde in Erwägung zog, ist noch unbekannt.

Die zierliche und stark geschminkte Angeklagte selbst teilte nach der Anklageverlesung am Freitag nur kurz und knapp mit, dass sie keine Angaben machen werde. Vorsitzender Richter Manfred Schmidt antwortete ihr, dass dies zwar ihr gutes Recht, aber vielleicht keine allzu gute Idee sei. Wenn sie sich nicht selbst zu den Vorwürfen erkläre, dann müsse sich das Gericht an Zeugenaussagen und zahlreiche andere vorliegende Beweise halten.

Was damit gemeint war, zeigte sich, als das Gericht etliche Briefe verlas, die Sarah D. aus der Untersuchungshaft heraus an ihre Mutter und ihren Freund geschrieben hatte und die angehalten worden waren. Sie vermitteln einen verheerenden Eindruck. Nur Tage nach ihrer Inhaftierung schrieb Sarah D. an ihre Mutter und bestellte sich neben Make-up und einer schwarzen Jeansjacke ein Foto des Massenmörders Ramirez. Sie versichert, dass dieser „keinen schlechten Einfluss“ auf sie ausübe, sein Anblick helfe ihr aber, „in dieser Zeit standzuhalten“.

Später schreibt sie an die Mutter aus der Bamberger Haft, dass es „manchmal ganz amüsant hier“ sei. Und: „Die Männer hier jubeln mir zu, ich bin ein Star.“ Noch tausendmal besser wäre es freilich in einem US-Gefängnis zu sitzen, schon wegen der „geilen orangen Anzüge“. Für sich selbst ordert sie aber eine schwarze Lederjacke und ein weißes Oberteil, „bitte nicht so weit!“. Vom Geld, das die Mutter schickte, habe sie sich erst einmal Haarfarbe gekauft. Sie beruhigt die Mutter. „Selbst wenn ich die gefährlichste Serienmörderin der Welt wäre, würde ich meiner Familie nie etwas antun.“

In einem Brief an einen Bekannten nimmt sie zu ihrer Tat Stellung: „Was soll ich sagen? Es war auf jeden Fall keine Notwehr … auf jeden Fall war es ein geplanter Mord.“ In einem anderen Brief beschreibt sie, selbst ein Opfer von Mobbing und Gewalt zu sein. Ein ehemaliger Freund habe sie nach einer Party so lange gewürgt, bis sie befürchtete zu sterben. Danach habe er sie vergewaltigt. Außerdem habe er Nacktbilder von ihr im Internet versendet.

In einem weiteren Brief beklagt sie sich, für ihre Tat als Jugendliche ins Gefängnis gekommen zu sein und dort erst „mit Ende 20“ wieder herauszukommen. Darin könnte sie sich irren: Falls das Gericht Sarah M. wegen Mordes nach Jugendstrafrecht verurteilt und eine besondere Schwere der Schuld zugrunde legt, dann drohen ihr bis zu 15 Jahre Freiheitsentzug. Und es könnte noch länger dauern, bis sie wieder in Freiheit ist. Wie der Verlesung der Briefe aus der Untersuchungshaft zu entnehmen war, sieht sie ein psychologischer Gutachter als gefährliche Persönlichkeit an, die ständig versuche, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – unter Umständen auch durch neue Straftaten. Daher empfehle er unter Vorbehalt eine Sicherungsverwahrung anzuordnen, die sich an die Haftstrafe anschließen würde.

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

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