Waldsassen Waldsassen verliert Akut-Krankenhaus

, Paul Zrenner, Volker Klitzing
In Waldsassen geht eine lange Geschichte zu Ende: Das Krankenhaus in der bisherigen Form wird geschlossen, entstehen soll ein ambulantes Zentrum mit kurzzeitigen "Übernachtungsmöglicheiten" für Patienten. Foto: David Trott

Sechs Millionen Euro Defizit in zwei Jahren, jetzt zieht die Kliniken Nordoberpfalz AG die Notbremse. Das Haus wird zum Ambulanzzentrum mit Reha.

 
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Waldsassen - Mit einem "Zukunftskonzept 2020" der Kliniken Nordoberpfalz will das Unternehmen gegen die schlechten wirtschaftlichen Zahlen ankämpfen. Und das hat große Auswirkungen. Am stärksten betroffen ist der Standort Waldsassen. Vorstand Josef Götz kündigte an, dass es die stationäre Akutversorgung dort nicht mehr geben wird. An ihrer Stelle soll ein Intersektorales Gesundheitszentrum (IGZ) geschaffen werden. Die Reha bleibt vorerst. Auch für viele Bürger aus dem südlichen und östlichen Landkreis Wunsiedel war das Waldsassener Haus seit vielen Jahrzehnten stets eine Anlaufstelle. Rund 55 Prozent der Patienten im Krankenhaus seien aus Oberfranken gekommen, erklärte der Waldsassener Dr. Wolfgang Ries vor Kurzem öffentlich. Der Gynäkologe, der in Kürze in den Ruhestand geht, hat fünf Belegbetten im Haus Waldsassen.

Klinik AG Nordoberpfalz

Zum dem Verbund der Kliniken Nordoberpfalz gehören neben den Krankenhäusern Waldsassen, Tirschenreuth und Kemnath auch das Klinikum in Weiden, das Krankenhaus Vohenstrauß, die Geriatrie in Erbendorf und weitere Einrichtungen. Rund 3000 Männer und Frauen arbeiten in dem Unternehmen mit etwa 1000 Patienten-Betten. Das Unternehmen steht unter kommunaler Trägerschaft. Um die Einnahmeseite zu verbessern, will die Kliniken AG vor allem in den Bereichen Pneumologie, Onkologie und Infektiologie zusätzliche Leistungen anbieten. Etliche Maßnahmen betreffen den Fachkräftemangel. Die Zahl der Klinikstudenten wird von 30 auf 50 erhöht. An der Hochschule in Weiden ist außerdem ein neuer Studiengang geplant: Physician Assistance. Dieser Beruf soll zwischen den Pflegekräften und den Ärzten angesiedelt sein.

Ein "Intersektoriales Gesundheitszentrum" (IGZ), was versteht man konkret darunter?

"Mit diesem Konzept sind wir bayernweit Vorreiter. Das gibt es noch nicht", erklärt Michael Reindl, der Pressesprecher der Kliniken AG Nordoberpfalz, im Gespräch mit der Frankenpost. Deswegen müssten in den kommenden Monaten noch viele Fragen über Vergütungsmöglichkeiten und Organisationsdetails geklärt werden, auch mit dem Gesundheitsministerium. Grundsätzlich stellt sich das Unternehmen vor, dass Ärzte unterschiedlicher Fachgruppen in diesem Zentrum arbeiten. Sie versorgen die Patienten ambulant und tagsüber, ähnlich wie niedergelassene Mediziner. Allerdings stehen zusätzlich 15 bis 20 Betten im Haus für Kurzaufenthalte zur Verfügung.

Für welche Patienten ist dieses "Übernachtungs-Angebot" gedacht?

Rund 60 bis 70 Prozent der Patienten in Waldsassen seien vielfach erkrankt und älter. "Sie kommen zum Beispiel ins Krankenhaus, weil sie dehydriert, ausgetrocknet sind", beschreibt Reindl eine Zielgruppe. Diese Patienten seien nicht auf eine medizinische Versorgung auf Krankenhausniveau angewiesen; sie seien aber auch nach der ambulanten Behandlung nicht gesund genug, um nach Hause oder ins Altenheim zurückzukehren. "Damit schließen wir eine Versorgungslücke. Allerdings ist noch nicht klar, wie das abgerechnet werden kann", sagt Reindl.

Wie viele Patienten-Betten gibt es aktuell noch im Krankenhaus Waldsassen?

45 Patienten konnten bisher im Akutfall im Krankenhaus Waldsassen aufgenommen werden und das in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in der Inneren Medizin, der Chirurgie oder Gynäkologie. Diese Bettenkapazität soll auf 15 bis 20 Plätze ab- und umgebaut werden. Faktisch hat die AG den Bereich Chirurgie schon in den vergangenen Monaten schleichend abgebaut. Der zuständige Facharzt wurde abgezogen. Die beiden Operationssäle des Hauses werden ebenfalls bald geschlossen.

Was bedeutet die Schließung des Akut-Krankenhauses für die Beschäftigten?

Alle Arbeitnehmer sollen nach Angaben der Klinik-Geschäftsleitung weiterbeschäftigt werden. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gibt es im Unternehmen genügend Arbeitsplätze, wenn auch nicht unbedingt am Standort Waldsassen. Allerdings plant das Unternehmen auch Reformen im Bereich des Personals. So soll eine Dienstleistungsgesellschaft für Wirtschaftsbetriebe gegründet werden. Dies trifft vor allem Leistungsbereiche wie Küche und Bettenzentrale, die mit Hilfe von Kooperationspartnern reorganisiert werden sollen. Das heißt nichts anderes als Ausgliederungen. Neue Arbeitnehmer aus diesen Bereichen würden nicht mehr nach Tarifen des Öffentlichen Dienstes bezahl t.

Was passiert mit der Orthopädischen Rehaklinik?

Unberührt von der Schließung des Akut-Krankenhauses bleiben laut Götz die 50 Betten der orthopädischen Rehabilitation in Waldsassen erhalten. Trotzdem bestehe auch hier Handlungsbedarf, denn auch in diesem Bereich schreibt das Haus rote Zahlen. Das Defizit von 300 000 Euro trägt zunächst der Landkreis Tischenreuth. Der Landkreis Neustadt an der Waldnaab beteiligt sich einmalig mit einer Summe von 125 000 Euro. Durch den Wegfall des Akut-Krankenhauses erhofft sich der Klinik-Vorstand eine zusätzliche Finanzierungsquelle für Leistungen der Orthopädischen Reha: "Es besteht die Chance, dass die Rentenversicherungsträger an der Finanzierung mitwirken". Das sei bisher rechtlich nicht möglich gewesen durch die Verbindung mit dem Akutkrankenhaus, erklärt der Pressesprecher des Klinikums auf Nachfrage.

Wie kommentiert der Tirschenreuther Landrat und Aufsichtsratvorsitzender der Klinik AG, Wolfgang Lippert, die Schließung des Krankenhauses?

Wolfgang Lippert formuliert es salopp: "Der Schüssel wird nicht umgedreht." Er wünscht sich, dass die Bevölkerung und die Mitarbeiter den Neuerungen positiv und aufgeschlossen gegenüberstehen. "Veränderungen sollten nicht von Anfang an schlecht geredet werden." Der Waldsassener Bürgermeister Bernd Sommer sagt: "Wir sind froh, dass wir die Reha erhalten konnten." Waldsassen habe nun ein Mini-Krankenhaus - eben ohne die große Technik. Dafür müsse jetzt das Tirschenreuther Haus in Fahrt kommen.

Lesen Sie >>>hier den Kommentar "Sterben auf Raten" von Thomas Scharnagl.

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