Vor der 16. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (COP16, United Nations Biodiversity Conference) in der kolumbianischen Stadt Cali fordern Umweltschützer mehr konkrete Schritte zum Schutz der weltweiten Artenvielfalt.
Klimakrise, Umweltverschmutzung und Raubbau zerstören Ökosysteme und gefährden Wildtiere. Vor zwei Jahren einigten sich die Staaten auf einen ambitionierten Schutzplan. Jetzt geht es an die Umsetzung.
Vor der 16. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (COP16, United Nations Biodiversity Conference) in der kolumbianischen Stadt Cali fordern Umweltschützer mehr konkrete Schritte zum Schutz der weltweiten Artenvielfalt.
Nach der Werbung weiterlesen
Vor zwei Jahren hatten sich die Staaten in Montreal auf ein umfangreiches Naturschutzabkommen geeinigt. Seitdem ist allerdings nach Einschätzung von Kritikern wenig passiert.
„Das historische Weltnaturschutzabkommen droht schon nach zwei Jahren zu scheitern“, warnt Georg Schwede von der Umweltschutzorganisation Campaign for Nature. „Bisher passiert zu wenig, zu langsam und zu viel in die falsche Richtung, um die dringend notwendige Trendwende beim Verlust der Artenvielfalt bis 2030 einzuleiten.“
Im Jahr 2022 verpflichteten sich in Montreal rund 200 Staaten auf 23 Ziele, die bis 2030 erreicht werden sollen. Beispielsweise wurde vereinbart, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen.
Zudem sollen die Industrieländer bis 2025 jährlich rund 20 Milliarden Dollar für den Schutz der Artenvielfalt bereitstellen. Während es in Kanada vor allem um die politische Einigung ging, liegt der Fokus bei der am Montag in Kolumbien beginnenden COP16 nun auf der technischen Umsetzung.
An COP16 nehmen die Vertragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (UNCBD, Convention on Biological Diversity, CBD) teil. Das am 29. Dezember 1993 in Kraft getretene internationale Umweltabkommen ist das wichtigste multilaterale Vertragswerk für den Schutz der globalen Biodiversität.
„Die Situation ist in den vergangenen zwei Jahren nicht besser geworden“, räumt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ein. „Wir müssen begreifen, wie eng die Biodiversitätskrise und die Klimakrise miteinander verknüpft sind.“
Im laufenden Jahr stellt die Bundesregierung 1,36 Milliarden Euro für den Erhalt von Arten und Ökosystemen in Entwicklungs- und Schwellenländern zur Verfügung. Das sind rund 450 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Umweltverbände begrüßen die zusätzlichen Mittel zwar als positives Signal, werfen der Bundesregierung allerdings vor, im eigenen Land nicht mit gutem Beispiel voranzugehen.
„Deutschland hinkt hinterher“, erklärt der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Jörg-Andreas Krüger. “Es fehlen auf nationaler Ebene klare, messbare, verbindliche Ziele und wirksame Maßnahmen. Der Artenverlust geht ungebremst weiter, und wir verlieren wertvolle Lebensräume, die für das Wohlergehen zukünftiger Generationen unverzichtbar sind.“
Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigte zuletzt der „Living Planet Report 2024“ der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London. Demnach schrumpften die insgesamt 35.000 untersuchten Wildtier-Populationen – darunter Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien – in den vergangenen 50 Jahren um durchschnittlich 73 Prozent.
Am stärksten betroffen sind Lateinamerika und die Karibik (95 Prozent), gefolgt von Afrika (76 Prozent) und der Asien-Pazifik-Region (60 Prozent).
„Der Mensch ist für das dramatische Artensterben verantwortlich und reißt sich damit selbst in den Abgrund. Wir müssen uns klarmachen, dass die Beiträge von Wildtieren für unser eigenes gutes und sicheres Leben niemals hinreichend von technischen Alternativen ersetzt werden können“, betont WWF-Artenschutzexpertin Anne Hanschke. „Der einzige Ausweg ist es, das Artensterben zu stoppen und die Bestände von Wildtieren, die uns in der Natur noch bleiben, zu erhalten und zu stärken. Dazu müssen wir die Arten selbst und ihre Lebensräume schützen und sie vor Übernutzung, Wilderei und illegalem Artenhandel bewahren.“
Weltweit sind rund zwei Millionen Arten gefährdet und damit doppelt so viele wie in der jüngsten globalen Bestandsaufnahme des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) 2019 angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, die im Fachmagazin „PLOS One“ veröffentlicht wurde. In Europa ist der Studie zufolge ein Fünftel aller daraufhin untersuchten Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.
Die Forscher hatten alle 14.669 Tier- und Pflanzenarten in die Studie aufgenommen, die Ende 2020 auf der Roten Liste für Europa standen. Das sind zehn Prozent der Arten des Kontinents. Auf diese Liste stellt die Weltnaturschutzunion (IUCN) Arten, deren Bestand analysiert ist. Sehr viele sind nicht oder gering gefährdet, andere aber vom Aussterben bedroht oder gar schon ausgestorben.
Das Team um Erstautor Axel Hochkirch vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg und der Universität Trier analysierte Wirbeltierarten Europas sowie wichtige wirbellose Tiergruppen wie Schmetterlinge und Bienen und verschiedene Pflanzenarten.
2839 der 14.669 von dem Team untersuchten Arten, insgesamt fast 20 Prozent, sind in Europa demnach vom Aussterben bedroht. 125 Tier- und Pflanzenarten gelten bereits jetzt als ausgestorben, regional ausgestorben oder möglicherweise ausgestorben.
Die Ursachen für das Artensterben sind vielfältig, als größte Bedrohung sieht das Team die intensive wirtschaftliche Nutzung von Landflächen und Meeren, die zum Verlust von Lebensräumen führt.
Doch die Forscher sehen auch Grund zur Hoffnung: Neuansiedlungen von Tierarten und ein besonderer Schutz können helfen, die Artenvielfalt zu erhalten. „Wichtig ist es, Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten einzuleiten. Diese zeigten bei Wirbeltieren ja schon viel Erfolg, was die Ausbreitung früher gefährdeter Arten, wie Schwarzstorch, Seeadler, Wanderfalke, Uhu und Fischotter beweist“, betont Hochkirch.