Wer hat’s erfunden? Der historische Kartoffelkrimi

Dietrich Metzner
Erinnerung an einen Pionier: das Kartoffeldenkmal in Pilgramsreuth. Foto: /Metzner

Im Rehauer Ortsteil Pilgramsreuth ist sich jeder sicher, dass der Knollen-Pionier aus dem Dorf stammt. Eine Klage kündet davon.

 
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Wer hat’s erfunden? Ganz unstrittig ist es nicht, wo die Kartoffel im 17 . und 18. Jahrhundert ihren Siegeszug als Hauptnahrungsmittel in Deutschlands angetreten ist. Historisch betrachtet gibt es zwei grundverschiedene Antworten. Auf der einen Seite wurde über Jahrhunderte hinweg die Lehrmeinung vertreten, Friedrich II. – auch der Große genannt – habe die Kartoffeln 1756 per Dekret eingeführt. Auf der anderen Seite aber gibt es das das kleine Dorf Pilgramsreuth, in dem ein Bauer schon um 1647 die Kartoffel feldmäßig anbauten. Dieses Ereignis lässt sich immerhin durch Gerichtsakten belegen.

Wie so oft stoßen Heimatforscher bei ihrer Suche in der Vergangenheit oft auf längst vergessen geglaubte Aufzeichnungen. Das trifft auch auf auf eine Anklageschrift des Pilgramsreuther Pfarrers Johann Matthäus Keppel zu. Er führte vor dem Hofer Gericht die Klage, dass die Bauern für eine neue Ackerfrucht, die nicht im „Zehendregister“ geführt war - eben die Kartoffel – keinen Zins und demnach auch keine Steuern an die Kirche zahlten.

Ursprünglich hatte Kartoffel ihren Weg von Südamerika über Spanien und die Niederlande im 30-jährigen Krieg bis in unsere Gegend gefunden. Wie Chronisten berichten, dürfte ein niederländischer Offizier einige, Kartoffeln nach Roßbach, dem heutigen Hranize, gebracht haben. Und da kommt Bauer Hans Rogler aus Pilgramsreuth ins Spiel. Der kaufte dem Offizier einige Knollen ab oder tauschte sie. Jener Rogler, dessen späterer Lebensweg sich im Dunkel der Geschichte verliert, baute diese Knollen erst in seinem Garten, später auf dem Feld an. Und wie es schon immer auf dem Dorf war, folgten ihm die Nachbarn. Was zur Folge hatte, dass Pfarrer Keppel geringere Steuereinnahmen hatte und überlebenslang hätte darauf warten müssen. Erst fast 100 Jahre später, 1746, wurde der Anbau der Knolle per Markgräflichem Dekret als zehntpflichtig erklärt.

Inzwischen waren die Kartoffeln in unserer Gegend fast zum Hauptnahrungsmittel geworden. Ergaben doch aktenkundige Anbauverzeichnisse, dass im Jahr 1694 60 Pilgramsreuther Bauern pro Jahr an die 1300 Zentner Kartoffeln ernteten. Nun könnte man vermuten, dass Preußenkönig Friedrich II. durch seine Schwester, die Markgräfin Wilhelmine, auf die Kartoffeln als Grundnahrungsmittel aufmerksam wurde. Auf jeden Fall setzte er erst 100 Jahre nach Pil-gramsreuth im Jahr 1756 den Anbau per Gesetz durch.

Dass dies alles bekannt ist, hat man dem Pfarrer und Chronisten Johann Georg Wunderlich zu verdanken, der um 1800 das alles in seiner Wunsiedler Chronik niederschrieb und an deren Übersetzung vor Jahren Rehauer Heimatforscher beteiligt waren. Zu ihnen zählte auch der damals in Flensburg lebende Pilgramsreuther Historiker Max Wirsing, der sich eingehend mit der Person Hans Rogler befasste. Ihm ist letztlich die Erforschung des Kartoffelanbaues in Pilgramsreuth zuzusprechen. Zum 350. Jubiläums 1997 brachte die Deutsche Post eine Sondermarke heraus, und Rehau war für deren Ersttagsstempel federführend.

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