30 Jahre Wohnadresse Heidestraße, das waren Jahre als junge Erwachsene, frisch verheiratet, mit kleinen Kindern und alleinerziehend. Es waren Jahre, mit zwei Mädchen in der Dr.-Franz-Bogner-Grundschule. Blumen holen, Kleidchen bügeln, Getränk in den Festzug reichen. Am Goldberg mit Sack und Pack erst die eine suchen – dann die andere. Dem Gedrängel nach Zuckerwatte, Karussell fahren und Enten ziehen nachgeben. In Gluthitze und bei strömenden Regen. Es waren spannende Jahre, ab 2012 nicht mehr allein, als „Spielerfrau“, später Ehefrau von einem Landknechtstrommler im Spielmanns- und Fanfarenzug Selb. Und wieder: Hemden bügeln, Kniestrümpfe suchen, Rose abholen, am Sonntag in der Früh um 4.44 Uhr den Wecker klingen hören – es ging zum Weckruf. Das „Sierra Madre“ der Egertaler war erst zwei Stunden her. Die letzten Goldbergbesucher zogen nach Hause. Die kühle Morgenluft zog durchs Fenster. Es war Wiesenfest. Ein ganz besonderer Tag im Jahr. Einer, der nicht zu ersetzen ist. Durch nichts. Ab 2016 wurde es anstrengend. Eine Zehntklässlerin nach einer Woche Schulausflug in Hamburg, raus aus dem Bus und zack, aufs Wiesenfest. 2018 dann Abiturientin, als „kABItän“, mit Matrosenmütze und Wasserspritzpistole, übernächtigt und glücklich. Im Jahr 2019 erlebten wir die festliche Variante: Die jüngere Tochter und ihre Freundin waren die Ehrendamen der Stadt Selb. Im Festzug mit dabei, strahlend schön, am Montagabend auf dem Balkon am Marktplatz 1 standen sie, sangen mit, winkten und warfen wehmütig die Rosen. Aus dem „Vit vat hoch, schäi wars doch, vit vat nieder, nächsts Goua kumma wieder“ wurde nichts. 2020: Nix. 2021: Das Abi-T-Shirt „Brauhaus statt Bauhaus – Abi 2021“ der Ehrendamen aus 2019 liegt im Schrank. Die Wasserspritzpistole liegt auf der Waschmaschine, die Sonnenbrille auf der Fensterbank. Abi ja – Wiesenfest nein. Trotzdem: Es ist Wiesenfest!