Wiesenfest Selb Wie sich die Bilder unterscheiden

Silke Meier

Viel Wiese – wenig Fest. Verwaist bleibt der Goldberg in diesem Jahr. Doch die Selber feiern dennoch. Es gibt halt ein „Wiesenfest dahoam“.

 
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Selb - Wenn Nachbarskinder an der Haustür klingeln, gebrannte Mandeln vorbeibringen und über den Zaun „A Gsunds Neis“ gerufen wird, dann ist in Selb das zweite Wochenende im Juli. Es wäre Wiesenfest. Und es ist Wiesenfest. In den Gärten und Lauben, in den Häusern und auf den Gassen und vor allem: In den Herzen der meisten Selber ist Wiesenfest. Seit 30 Jahren ist die Heidestraße meine Adresse. Einmal quer über den Ranger – und wir sind dort. Wir hören, in Jahren mit Wiesenfest in Präsenz, die Stimmen der Leute, die in Scharen auf den Goldberg ziehen. Wir hören die Fahrgeschäfte und wir hören die Kapellen. Wir sehen, vom Schlafzimmerfenster aus, das Riesenrad – wenn es dasteht.

30 Jahre Wohnadresse Heidestraße, das waren Jahre als junge Erwachsene, frisch verheiratet, mit kleinen Kindern und alleinerziehend. Es waren Jahre, mit zwei Mädchen in der Dr.-Franz-Bogner-Grundschule. Blumen holen, Kleidchen bügeln, Getränk in den Festzug reichen. Am Goldberg mit Sack und Pack erst die eine suchen – dann die andere. Dem Gedrängel nach Zuckerwatte, Karussell fahren und Enten ziehen nachgeben. In Gluthitze und bei strömenden Regen. Es waren spannende Jahre, ab 2012 nicht mehr allein, als „Spielerfrau“, später Ehefrau von einem Landknechtstrommler im Spielmanns- und Fanfarenzug Selb. Und wieder: Hemden bügeln, Kniestrümpfe suchen, Rose abholen, am Sonntag in der Früh um 4.44 Uhr den Wecker klingen hören – es ging zum Weckruf. Das „Sierra Madre“ der Egertaler war erst zwei Stunden her. Die letzten Goldbergbesucher zogen nach Hause. Die kühle Morgenluft zog durchs Fenster. Es war Wiesenfest. Ein ganz besonderer Tag im Jahr. Einer, der nicht zu ersetzen ist. Durch nichts. Ab 2016 wurde es anstrengend. Eine Zehntklässlerin nach einer Woche Schulausflug in Hamburg, raus aus dem Bus und zack, aufs Wiesenfest. 2018 dann Abiturientin, als „kABItän“, mit Matrosenmütze und Wasserspritzpistole, übernächtigt und glücklich. Im Jahr 2019 erlebten wir die festliche Variante: Die jüngere Tochter und ihre Freundin waren die Ehrendamen der Stadt Selb. Im Festzug mit dabei, strahlend schön, am Montagabend auf dem Balkon am Marktplatz 1 standen sie, sangen mit, winkten und warfen wehmütig die Rosen. Aus dem „Vit vat hoch, schäi wars doch, vit vat nieder, nächsts Goua kumma wieder“ wurde nichts. 2020: Nix. 2021: Das Abi-T-Shirt „Brauhaus statt Bauhaus – Abi 2021“ der Ehrendamen aus 2019 liegt im Schrank. Die Wasserspritzpistole liegt auf der Waschmaschine, die Sonnenbrille auf der Fensterbank. Abi ja – Wiesenfest nein. Trotzdem: Es ist Wiesenfest!

Am Freitag feierte ein Kamerad im Spielmannszug einen runden Geburtstag. Mit Abstand spielte eine Abordnung ein Ständchen. Schülerinnen und Schüler zogen in Dirndl und Lederhose stadteinwärts in Lokale oder in die Eisdiele. An den Supermärkten war deutlich: In Selb ist Wiesenfest. Nur der Goldberg: Leer. Viel Wiese – wenig Fest. Heute, am Montag, ist Selber Nationalfeiertag. Zumindest im Herzen. Und das schlägt heut’ in Rot und Blau!

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